Moment mal!. Fabian Vogt
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JANUAR
21
ISM
Kennen Sie die »Internationale Süßigkeiten-Messe«? Die gibt es wirklich. Und die hat so zuckersüße Themen wie »The future of sweets« – »Die Zukunft der Süßigkeiten«. Unter diesem Motto bekommt man dann einen Vorgeschmack auf das Schlaraffenland aller Süßmäuler: Verführerisch bunt laden die neusten Kreationen aus den Bereichen »Schokolade, Backwaren, Knabberartikel, Zuckerwaren und Eiscreme« ein, sie zu vernaschen.
Mein Traum, denn ich liebe Süßigkeiten – so sehr, dass ich die Größe meiner Leidenschaft direkt von der Waage ablesen kann. Kein Wunder. Biologen sagen ja, dass unser Körper vor allem nach drei Dingen giert: Fett, Zucker und Sex. Zwei dieser Begierden stillt schon eine einfache Tafel Schokolade oder ein Eis.
Dumm ist nur, dass man vor lauter Schleckerei oft die Begierden der Seele vergisst. Die braucht nämlich nicht Fett, Zucker und Sex, sondern Glaube, Liebe und Hoffnung. Darum heißt es in einem Bibelvers ziemlich lässig: »Dein Wort, Gott, ist in meinem Mund süßer als Honig.«
Auf der ISM begann vor einigen Jahren das fachliche Rahmenprogramm unter dem Motto: »Welche Bedeutung werden Bio-Süßwaren in Zukunft spielen?« Das interessiert uns doch alle. Süßigkeiten aus gesundem Zucker und glücklichem Fett.
Noch mehr aber interessiert mich, wie man das mit Glaube, Liebe und Hoffnung hinbekommt. So, dass in unserer Seelennahrung keine Schadstoffe und keine gefährlichen Zusätze drin sind. Süß, oder?
JANUAR
22
Konjunktur 1
Ich habe einen bösen Verdacht: Das mit dem Warten auf die Konjunktur ist nur vorgeschoben. Ich kenne doch die Sprüche: »Wenn die Wirtschaft wieder in Fahrt kommt, wenn der Umsatz hochgeht, dann sind die Menschen glücklicher und zufriedener.« Stimmt doch gar nicht! Oder?
Meine Nachbarin hat jedenfalls in den Aufschwungzeiten genauso über ihr Rheuma geklagt wie heute – und mein Neffe hatte zwar Arbeit, aber richtig lebensfroh war er trotzdem nicht. Das soll nun wirklich nicht sarkastisch klingen (ich wünsche jedem Menschen Gesundheit und Arbeit), aber ich glaube, wir machen uns was vor, wenn wir uns von der Wirtschaftslage persönliches Glück erhoffen. Nebenbei: Was sollen da die Giftmüllbeseitiger, Abschleppdienste oder Bestattungsunternehmer sagen? Sollen die auch auf eine Hochkonjunktur warten?
Da starren also selbst Kleinstanleger hingebungsvoll auf die Aktien der Telekom, den Kurs des Euro und die Beschäftigungszahlen. Ich gebe zu, als ich mein Haus gekauft habe, war ich überglücklich, dass die Bundesbank gerade die Leitzinsen gesenkt hatte. Dankeschön! Aber wenn einer ernsthaft glaubt, er könne auf dem Geldmarkt Freude kaufen, dann irrt er sich. Oh ja, Geld ist ein gutes Fundament für Freude, aber wenn Ihnen jemand ein Flugzeug schenkt, dann müssen Sie erst fliegen lernen, das Flugzeug alleine ist wertlos.
Wissen Sie, dass Jesus ein einziges Mal in seinem Leben richtig wütend war? Stocksauer! Ja: Mit einer Peitsche hat er die Geldwechsler aus dem Tempel getrieben. Warum? Nein, nicht weil die mit Geld gehandelt haben, gegen Geld hatte er gar nichts. Diese Leute haben den Menschen eingeredet, sie müssten erst eine bestimmte Währung besitzen, bevor sie sich Gott nähern können. Da ist Jesus ausgerastet: »Ihr redet hier im Tempel so viel über Geld, dass ihr Gott vergesst. Das ist das Problem.«
Ich kenne übrigens eine Frau, die bei der Bundesbank arbeitet. Die sieht das genauso!
JANUAR
23
Ausgehen
Der ehemalige hessische Kirchenpräsident Martin Niemöller hat eine clevere Frage aufgeworfen: »Was würde Jesus tun?« Ein theologisch frecher und zugleich alltagstauglicher Lebensansatz. »Was würde Jesus wohl in dieser oder jener Situation machen? Wie würde er reagieren?« Keiner weiß, wie, aber nach einer wilden Odyssee ist dieser Satz vor einigen Jahren aus Amerika zurück nach Deutschland gekommen, trendy amerikanisiert: »W. W.J.D.?« – »What would Jesus do?« Zurzeit fast eine Kultbewegung in christlichen Kreisen.
Mal eine Testfrage: Wohin würde Jesus wohl am liebsten ausgehen? Was glauben Sie? Theater, Restaurant, Musikklub, Party oder eher nächtlicher Gottesdienst? Sekt oder Selters? Nach allem, was wir über ihn wissen, ist eines zumindest klar: Wahrscheinlich würde Jesus sich lieber unterhalten, als sich unterhalten zu lassen. Jesus, das Kommunikationswunder. Also treffen wir ihn eher in einer der vielen verrauchten Kneipen – in ein angeregtes Gespräch vertieft – als im Kino. Da, wo Menschen Lust haben, über das Leben zu reden.
Und welches Ziel hätte Jesus? Amüsieren konnte er sich ja. Seine Feinde nannten ihn spöttisch einen »Fresser und Weinsäufer«, weil er häufiger, als es sich für einen »Geistlichen« geziemt, in der Kneipe angetroffen wurde. Nur diese seltsame Kultur, »Ausgehen« im Sinne einer Glühbirne zu begreifen, also sich möglichst die Lichter auszuknipsen oder zumindest auf matt zu schalten, hätte Jesus befremdet. Er wollte, dass die Menschen bei allem, was sie tun, einen Schritt vom Dunkeln ins Helle machen – nicht umgekehrt. Sich zudröhnen war nicht sein Ding. Egal, ob man die Alkoholfahne schwenkt oder sich von vier Stunden Oper umbrausen lässt.
Jesus hätte dafür gestanden, dass beim Ausgehen etwas angeht, irgendein Licht, das verborgene Seiten in Ihnen zum Leuchten bringt und Sie ein bisschen weiser, froher und entspannter nach Hause kommen lässt. Licht an!
JANUAR
24
Unwörter
Es ist wieder so weit: Demnächst wird das »Unwort des Jahres« bekannt gegeben. Sie wissen schon, seit vielen Jahren wählt eine Jury jedes Jahr den größten sprachlichen Missgriff, ein Wort oder eine Formulierung, die grob unangemessen oder menschenverachtend ist. Da gab es schon so schöne Gewinner wie »Entlassungsproduktivität«, »Human-Kapital«, »Kollateralschaden« und »Sozialverträgliches Frühableben«. Lustig, oder?
Regelmäßig gehen da übrigens viele Hundert Vorschläge ein. »Abwrackprämie« für die Entlassung von über 50-Jährigen oder »Eindeutschung« für die Integration von Zuwanderern. »Gammelfleisch« wird auch ganz oft genannt und ist zwar ziemlich eklig, hat aber keine Chancen, weil der Begriff ja stimmt.
»Mein Unwort des Jahres ist ›Mäuschen‹.« Sagt meine Frau. »Aber wieso denn, Mäuschen?«, habe ich sie gefragt. Da hat sie mich erst mehrfach wutentbrannt an ihren Namen erinnert und dann aus einem der psychologischen Bücher zitiert, die sie gerade liest: »›Unsere Sprache prägt unser Denken.‹ Und wenn du mich in deiner Sprache klein machst, dann machst du mich auch in deinem Denken irgendwann klein – und grau und piepsig. Du … du Frosch!«
Ist doch seltsam: Der allererste Auftrag, den die Menschen in der Bibel von Gott bekamen, lautete: »Gib den Dingen Namen!« Und da ging es nicht um lustige Wortspiele, sondern darum, den Dingen durch eine klare Sprache Charakter zu verleihen. Unsere