Moment mal!. Fabian Vogt

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Moment mal! - Fabian Vogt

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bedeutet, wenn man eine zweite, dritte, vierte, tausendste Chance bekommt. Zuerst will er es nicht wahrhaben, dann versucht er sich aus lauter Verzweiflung umzubringen – und plötzlich passiert das kleine Wunder: Er fängt an, im immer Gleichen das Wertvolle und Schöne zu entdecken. Jeder Tag stellt ihm zwar exakt dieselben Voraussetzungen zur Verfügung, aber es liegt an ihm, was er aus diesem Tag macht. Und er beginnt, seine Chancen zu nutzen, lernt Klavier spielen und wird Künstler. Vor allem aber versöhnt er sich – mit sich und der Welt.

      Und siehe da: Plötzlich wird er sogar für die Frau interessant, die er vorher Hunderte Male vergeblich in 24 Stunden rumkriegen wollte. Und wie das in schönen Geschichten so ist: Als er geliebt wird, fällt auch der Fluch von ihm ab. Happy End.

      Irgendwie ist der Film ein großes Gleichnis. Wenn jemand aus Alltagsfrust Lebenslust machen kann, dann geht es ihm gut. Das hat übrigens schon Jesus gesagt: »Sorge dich nicht um morgen. Kümmere dich erst mal um die kleinen Dinge von heute.«

      So, und jetzt werden wir mal abwarten, was das Murmeltier heute sieht.

      FEBRUAR

      3

       The day the music died

      »The day the music died.« Der Tag, an dem die Musik starb. Der ist heute, der 3. Februar. Zumindest für echte Rock-’n’-Roll-Fans. Denn 1959 stürzte am 3. Februar ein Flugzeug ab, in dem gleich drei begnadete Musiker saßen: Buddy Holly, Ritchie Valens und Jiles Perry Richardson, den alle nur »The Big Bopper« nannten. Nicht nur eine menschliche, sondern auch eine künstlerische Katastrophe.

      Die Musiker waren gerade auf einer Tournee, und weil die Heizung im Tourbus kaputt war, hatte Buddy Holly kurzfristig die kleine Maschine mit drei Plätzen gechartert, um zum nächsten Auftritt zu fliegen. Ritchie Valens bekam überglücklich den zweiten Platz. Er hatte mit einem Kollegen eine Münze geworfen – und gewonnen. Und »The Big Bopper« flehte, mitfliegen zu dürfen, weil er ohnehin schon so schrecklich erkältet sei.

      Spöttisch sagte Buddy Holly zu den übrigen Musikern, die im kalten Bus fahren mussten: »Na, ich hoffe, der Bus friert jetzt endgültig ein.« Woraufhin einer lachend erwiderte: »Hey, ich hoffe, euer Flugzeug stürzt ab.« Uah!

      Soll man deswegen nicht mehr fliegen? Nein, es hätte ja auch der Bus verunglücken können. Die Geschichte von den drei Rock-’n’-Roll-Legenden macht vor allem eines deutlich: wie wenig wir Herr über Leben und Tod sind.

      Die Bibel sagt schlicht: »Wer sich darüber klar ist, dass er sterben muss, wird klüger.« Und das heißt nicht, jedes Risiko zu vermeiden, sondern intensiv und leidenschaftlich zu leben. Und da sind sich Glaube und Rock ’n’ Roll auf einmal sehr ähnlich.

      FEBRUAR

      4

       Dietrich Bonhoeffer 1

      Heute wird weltweit in Gottesdiensten, Feiern und Gedenkveranstaltungen ein Mann geehrt, der am 4. Februar 1906 geboren wurde und als Leitfigur des 20. Jahrhunderts gilt: Dietrich Bonhoeffer.

      Nun könnte man denken: »Na klar, der war eben einer der engagiertesten Widerstandskämpfer im Dritten Reich. Ein kluger Theologe, den die Nazis eingesperrt und dann eiskalt hingerichtet haben.« Doch die ungebrochene Faszination, die von Bonhoeffer ausgeht, hat noch einen ganz anderen Grund: Er war ein Idealist, einer, der das, was er glaubte, wirklich lebte.

      Zum Beispiel hätte er mehrfach die Möglichkeit gehabt, zu fliehen und im Ausland ein richtig angenehmes Leben zu führen. Aber: Er hat es nicht gemacht. Er kam immer wieder nach Deutschland zurück, weil er hier für sein Ideal einer freien Gesellschaft kämpfen wollte. Das war ihm sogar wichtiger als das Überleben. Er wusste genau: Wofür es sich nicht zu sterben lohnt, lohnt es sich auch nicht zu leben.

      Was gibt einem Menschen so eine Kraft? Bei Dietrich Bonhoeffer ist das leicht zu beantworten. Er fühlte sich bei Gott geborgen. Und sein Glaube war stärker als all die schmerzvollen Erfahrungen. Das aber ist etwas, was sich Menschen schon immer wünschen.

      Wissen Sie, was Bonhoeffer dabei selbst verblüfft hat? Sogar die Gefängniswärter sprachen ihn auf seine unglaubliche Gelassenheit an. Offensichtlich strahlte er die auch dann aus, wenn er sich gar nicht so fühlte. In einem Gedicht hat er diese wundersame Erfahrung so zusammengefasst:

      »Wer bin ich? Sie sagen mir, ich trüge die Tage des Unglücks gleichmütig, lächelnd und stolz, wie einer, der Siegen gewohnt ist. Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott. Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!«

      FEBRUAR

      5

       ÖPNV

      Ich habe früher gerne über Amerikaner gelästert, also die, die sogar zum Klo mit dem Auto fahren. Heute muss ich mich selbst dazu zwingen, den Öffentlichen Personennahverkehr – also: Straßenbahn, Bus oder U-Bahn – zu benutzen. Ich brauche in der Regel damit länger, finde es schweißfreundlich und ungemütlich, in den unterirdischen, vorhöllenartigen Gangsystemen ist mir nie so ganz geheuer, und wenn es dann auch noch regnet auf dem Weg zur Haltestelle … ähm.

      Zum Glück für die Betreiber dieser Systeme sorgen die Parkplatznot, die verstopften Straßen und die Ampelschaltungen bei mir tatsächlich für ein ungewolltes Umdenken. Warum auch nicht? In anderen Ländern ist das selbstverständlich.

      Neuerdings mache ich aus der Not eine Tugend und beobachte unauffällig die Menschen auf den Sitzbänken: den müden Arbeiter, das knutschende Pärchen, die lauten Punker, das klapprige Ömchen, die giggelnden Freundinnen und den tätowierten Typen mit dem Hund, neben den sich keiner setzen will, obwohl es so voll ist. Faszinierend.

      Es ist wie eine Ausstellung von Lebensmodellen, -typen und -konzepten. Vor allem leben die alle völlig anders als ich. Und ich merke: Ich würde gern mehr über diese Menschen erfahren. Nur kommt man sich ja im Personennahverkehr leider nie besonders nah. Meine Frau ist da übrigens mutiger: Aus irgendeinem Grund führt sie selbst auf Kurzstrecken mit Leuten sofort intensive Gespräche.

      Im Neuen Testament wird die Geschichte von einem Jünger Jesu erzählt, der auf einer kurzen Kutschfahrt mit dem Außenminister eines fernen Landes ins Gespräch kommt. Und plötzlich passiert Folgendes: Der einfache Arbeiter Philippus kann dem Politiker eine lebenswichtige Frage beantworten, woraufhin sich dieser bekehrt. Siehe da! Vielleicht brauchen wir beim Nahverkehren mehr Mut zum Reden. Gute Fahrt!

      FEBRUAR

      6

       Medien

      Angeblich machen die Medien kluge Menschen klüger und dumme Menschen dümmer. Die knifflige Frage lautet: Zu welcher Gruppe gehören Sie? Entschuldigung, das ist hier ein Buch für am Leben Interessierte, das lesen nur kluge Köpfe. Aber um welche Form von Klugheit geht es eigentlich? Um einen hohen IQ, um Fachwissen, Einfühlungsvermögen, Erfahrung, Weisheit oder um die so gepriesene emotionale Intelligenz, die angeblich viel wichtiger ist als alle Bildung zusammen? Wahrscheinlich

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