Der Bergfrauendoktor. Thomas Schmidt

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Der Bergfrauendoktor - Thomas Schmidt

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      Carolin Frölich, Thomas Schmidt,

      Daniel Jaakov Kühn

      DER

      BERGFRAUEN-

      DOKTOR

      Ein Leben voller Abstriche

      Volk Verlag München

      Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

      © 2014 by Volk Verlag München

      Streitfeldstraße 19, 81673 München

      Tel. 089 / 42079698-0, Fax 089 / 42079698-6

      www.volkverlag.de

      Alle Rechte, einschließlich derjenigen des auszugsweisenAbdrucks sowie der fotomechanischen Wiedergabe, vorbehalten.

      ISBN: 978-3-86222-145-5 (ePUB)

      ISBN: 978-3-86222-146-2 (Kindle)

      Es blitzt! Da, nochmal!

      Gott macht ein Foto von der Stadt fürs Archiv.

       HERMAN VAN VEEN

      REGISSEUR: Meine Herren. Ich habe mich durchgerungen. In dieser Spielzeit geben wir den „Bergfrauendoktor“. Der „liebestolle Bauer“ ist restlos gestrichen. Zwangsversteigerungen ziehen nicht mehr.

      AUTOR: Das kann ich bestätigen.

      REGISSEUR: „Die drei Eisbären“ fallen ins Wasser, weil nur zwei aufzutreiben waren. Kretins!

      SCHAUSPIELER: Was spui ma?

      REGISSEUR: Den „Bergfrauendoktor – ein Leben voller Abstriche“!

      SCHAUSPIELER: Da spür i nix.

      AUTOR: Geben Sie der Bühne eine Chance.

      SCHAUSPIELER: Und ghead hob i davo a no nix.

      AUTOR: Es handelt sich um ein Pandämonium. Eine Dystopie. Erzählt wird die Menschheitsgeschichte, wenn man so will. Durch einen Spiegel, als Zerrbild. Das Leben und Wirken eines Mannes.

      SCHAUSPIELER: Versteh i ned.

      REGISSEUR: Ich interpretiere mal frei aus der Leber: das Stück vom Frauenarzt. Wohnt irgendwo auf dem Berg. In einem Dorf. Praktiziert dort. Der Berg spielt nach meinem Verständnis eine tragende Rolle.

      SCHAUSPIELER: Und wer spuit an Berg? Der Daiser? Der is doch eh so fett.

      AUTOR: Der Berg ist keine Rolle. Es geht um den Berg in uns. Geht die Welt unter, dann baut man eine neue. Kracht das Haus ein, baut man sich ein neues. Ist die Welt zu groß, dann baut man im Kleinen.

      SCHAUSPIELER: Versteh i ned.

      REGISSEUR: Wer hat die Katze rein gelassen?

      AUTOR: Der Mensch muss das wollen, was er nicht ändern kann.

      SCHAUSPIELER: An Schmarrn muas er.

      REGISSEUR: Wer hat die Katze rein gelassen?

      AUTOR: Welche Katze?

      Rosa

      Rosa schleicht in den staubigen Winkel einer Scheune, rollt sich ein und fällt in tiefen Schlaf. Sie träumt von einem blauen Zelt, von einem Käfig und einem Mann, der eine Peitsche schwingt. Sie träumt von Puppen, die reglos im Wald stehen, und von einer Faust, die aus dem Himmel fährt. Als Rosa aus dem Schlaf schreckt – es ist noch mitten in der Nacht –, zittert sie am ganzen Körper. Ein Bild steigt in ihr auf. Das Bild von einem warmen Bauch, der ihr Milch spendet. Dann treibt die Erinnerung davon. Rosa schläft wieder ein.

      Blau

      Wenn heute einer ein Doktor ist, dann kann er was erzählen, aber freilich nur, wenn er es seinem Spiegelbild anvertraut und sonst keiner im Raum ist. Weil: alles hochvertraulich. Wenn aber zum Beispiel ein Gynäkologe in einer Parallelwelt praktizieren würde – sagen wir in einem gottverlassenen Bergdorf, in das sich nicht einmal mehr der Wahnsinn hinein traut – und keiner da ist, der sagt: ‚Das darf man nicht erzählen, weil: Schweigepflicht.‘, dürfte man, quasi mit offizieller Erlaubnis, alles weitererzählen. Oder in unserem Fall in den Berg hinein rufen. Und das Echo die Geschichte erzählen lassen. Hören wir also genauer hin und schauen zu.

      Stellen wir uns eine Welt vor – vielleicht blau, vielleicht grün –, die wie eine Blase in einem stehenden Gewässer treibt. In dieser Blase schwimmt ein Fremdkörper, der sich bei genauerer Betrachtung als Gynäkologe herausstellt. Fragen wir nicht nach dem Warum. Schauen wir ihm einfach zu. Stellen wir uns vor, wie er langsam aus der Schlafkammer tritt, die weißen Schlappen voraus, der Schlafrock schwingt ins Nebenzimmer hinein und dann der Kopf, der langen Nase nach einem schrillenden Satellitentelefon entgegen.

      „Stürzel.“

      „Hofbauer hier!“

      „Frau Hofbauer, was gibt’s, wo drückt der Schuh?“

      Manchmal schiebt er Worte vor, es dauert dann länger bis das Unvermeidliche eintritt. Stürzel stellt unsinnige Fragen, um die Zeit zu dehnen.

      Frau Hofbauer erzählt einen Witz. Einen Frauenarztwitz. Sie denkt sich die selbst aus.

      „Kommt eine Frau zum Frauenarzt. ‚Herr Doktor, ich sehe alles doppelt.‘ Und sie zeigt auf ihre rechte Brust …“

      „Mal wieder ein Guter.“, sagt Stürzel. „Wie kann ich helfen?“

      „Ich habe ein zentrales Problem.“, sagt Frau Hofbauer und atmet tief ein. „Mein Mann hat etwas eingeführt. Und das steckt jetzt fest …“

      Stürzel kratzt sich an der Stirn. Er seufzt.

      „Ich komme runter.“, sagt er und legt auf.

      Hinter Stürzels Haus steht ein windschiefer Holzschuppen. Angefüllt mit verrosteten Geräten, altem Metall, Rohren, Holzplanken, Werkzeugen. Ein Arbeitsraum, auch eine Höhle. Geburtsort der Maschine. Hier hat Stürzel den Stuhl erschaffen. In nur einer Nacht, wobei das glatt gelogen ist. Der Hang zur Übertreibung ist eine dem Mann angeborene Grundeigenschaft und hat, auch wenn es kein Mann zugeben mag, mit Selbstschutz zu tun.

      Das kühle Metall und seine Beulen. Hammerschläge, Funkenregen, Schimpftiraden. Ein Ächzen und Keuchen. Balken geben nach, zerbrechen. Ein Stuhl in Verwandlung. Stangen, Drähte, Schnüre. Geschmortes, Verbranntes. Rauch, der durch die Ritzen kriecht und sich über die schwarze Wiese ergießt. Schöpfungsakt. Zeugung und Entbindung. Eine letzte

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