Der Bergfrauendoktor. Thomas Schmidt

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Der Bergfrauendoktor - Thomas Schmidt

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dem Haus geflüchtet.

      Herr Oberlechner verschließt die Erinnerung an den Reporter in einer defekten Schublade. Weil: Kein Schub mehr.

      Jetzt zerrt Oberlechner an den Knöpfen. Bis der Kittel fällt. Dann: Kernschmelze, Götterdämmerung, Himmelfahrt. Oberlechner hackt, sprengt große Löcher in die Pappmasse.

      „Ihr macht mich nicht kaputt!“, brüllt er.

      Sein Kopf droht zu platzen.

      „Ihr macht mich nicht kaputt!“

      Er zerdrückt einen Hof, ballt ihn zu einer Kugel, zerstampft mit den Füßen einen Wald, wühlt sich dann in die Überreste und liebkost und küsst die Bergtrümmer.

       Unten im Keller sitzt der Katzenmeister Wartet auf die Katzengeister Auf dass sie ihm ein Opfer bringen Und ihm grausig Lieder singen.

      Stürzel erwacht aus tiefem Schlaf, legt ein Bein auf die Bettkante, tastet mit dem großen Zeh nach seinen Schlappen.

      Vor dem Fenster kriecht Nebel. Es ist kalt. Das Feuer im Kamin ist erloschen, Rosa bereits auf der Pirsch.

      Stürzel kratzt sich erst am Sack, dann am Kopf. Er schnuppert an seinem Finger – ein männlicher Automatismus. Immer auf der Jagd: nach Beute, nach neuen Gerüchen.

      Wieder ein Tag. Stürzel fühlt sich matt. Seine Träume zertrümmern den Rest an Lebensfreude mit Inbrunst. Er fühlt sich dauerhaft erledigt. Nicht depressiv. Manisch schon. Kaputt auch. Auto kaputt, Motor futsch, geht nur noch das Licht – so in etwa. Den mit Schlafmitteln erzwungenen Schlaf bezahlt er Morgen für Morgen mit ausufernder Agonie.

      Augen auf. Das Satellitentelefon schrillt, es lässt nicht nach. In Stürzels Kopf wird eine Nummer gewählt, Bilder rollen, Projektoren werden angeworfen. Stürzel erinnert sich.

      Bei der Abschlussprüfung wird am lebenden Schwein praktiziert. Für den Bauern ist das Schwein laufendes Geld. Für den normalen Menschen laufendes Essen. Und für die Wissenschaft ein laufendes Testobjekt.

      Das Schwein ist schon ziemlich gar, im übertragenen Sinn. Es rollt mit den Augen und versucht, sich ganz klein zu machen. Es strengt sich richtig an, windet sich, knurrt sogar. Aber es gibt kein Entrinnen für das Schwein, es ist an einem Gynäkologenstuhl fixiert.

      In dem nackten Raum liegt eine unsichtbare Schwingung, die die Schritte nachhallen lässt. Alles Gesprochene klingt wie das Echo nach dem Sprung.

      „Schweine ähneln dem Menschen – nicht nur was die Hautfarbe angeht.“, erklärt der Professor, der die Prüfung abnimmt. „Bestimmte Bereiche wie Gesichtsausdruck und Nase haben durchaus etwas Menschliches …“

      Stürzel nickt.

      „So, Stürzel, jetzt zeigen Sie mal wo der Gynäkologe seinen Wolkenpalast hinsetzt.“

      Die Sau quiekt.

      „Wir wollen Chlamydien feststellen. Was wäre der erste Schritt?“

      „‚Grüß Gott‘ sagen.“, sagt Stürzel.

      „Und schon ein Punkt weniger. Noch so eine dumme Bemerkung und sie dürfen im Frauenknast praktizieren.“

      „Fingerintuitives Hineinfiebern.“, sagt Stürzel.

      „Richtig. Und wie sieht das technisch aus?“

      „Man führt den Finger etwa 2,5 Zentimeter in die Vagina ein. Tastet erst, ob sich noch Samenflüssigkeit im Luststamm befindet. Das könnte durchaus entzündlich sein …“

      „Gut. Also walten Sie …“

      Stürzel nähert sich dem Schwein. Ein kurzsichtiger Mensch könnte hier auch auf eine weibliche, etwas wuchtige Person tippen. Vorsichtig tastet sich sein Finger vor, dringt behutsam ein.

      Das Schwein fiept.

      „Langsam.“, sagt der Professor. „Machen Sie die Sau glücklich.“

      Stürzel bewegt seinen Finger langsam vor und zurück.

      Der Professor unterbricht sofort: „Gefährlich, Stürzel. Sehr gefährlich! Vor und zurück gibt es nicht in der Gynäkologie, nur einmal schnell ­hinein und dann unauffällig wieder hinaus. Niemals langsam vor und zurück. Da sind Sie schneller im Knast als Sie ein O mit den Lippen formen können.“

      „Äha.“, sagt Stürzel.

      „Auf so etwas reagieren Frauen,“, sagt der Professor, „wenn man ernst macht. Wenn man etwas simuliert. Da werden die Röhrchen gleich spitz.“

      Stürzel schüttelt es.

      ‚So redet man nicht.‘, denkt er. ‚So redet nur ein geborenes Arschloch, mit Verlaub.‘

      Und er notiert gedanklich, dass alle geborenen Arschlöcher in Arschlochnationalparks gehalten und mit Scheiße gefüttert werden sollten.

      „Was denkt er denn so angestrengt, dass ihm gleich die Stirnrunzeln platzen?“, fragt der Professor.

      Stürzel antwortet nicht, stattdessen macht er brav die Übung. Finger langsam hinein. Nachspüren. Finger schnell wieder hinaus. Der Professor nickt zufrieden.

      Dann geschieht etwas Unerwartetes. Das Schwein schläft ein. Einfach so.

      „Akute Totalentspannung.“, sagt der Professor. Es klingt bewundernd. „Herr Stürzel. So wie es aussieht, haben Sie das, was wir Fachmänner einen ‚Rosenfinger‘ nennen. Sagt Ihnen der Name Dr. Bernwart von Brühgrübel etwas?“

      Stürzel schüttelt den Kopf.

      „So möchte man doch nicht heißen.“, sagt er.

      „Auch bekannt als ‚Doktor Gold‘.“

      Jetzt rattert es.

      Die Legende. Doktor Gold. Hatte sich vom kleinen Chefarzt einer Allerweltsklinik hochgedient zum großen Chefarzt einer Schweizer Privatklinik. Nächste Station: Der Olymp der Gynäkologen. Obwohl er gar nicht wie eine Gottheit aussieht, eher wie einer, der sich nachts heimlich in Pornokinos schleicht. Trotzdem lassen ihn alle einfliegen, wenn etwas juckt oder nicht mehr richtig funktionieren will.

      „Sie sind gesegnet, Stürzel!“, entzückt sich der Professor. „Mit diesem Finger werden Sie Millionen machen!“

      Stürzel ist das egal.

      Der Professor zwinkert wie ein Verschwörer.

      „Sie sind vollendet, Stürzel.“

      Damit ist die Prüfung beendet.

      Stürzel sieht noch, wie der armen Sau eine Spritze verabreicht wird und wie das Vieh sich verkrampft. Er sieht die Panik in den Augen. Dann schließt sich die Tür.

      Stürzels

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