Maschen der Kunst. Christian Janecke

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Maschen der Kunst - Christian Janecke

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nun auf die Kunst zu kommen, so gehört sie zweifellos eher in die letztere Kategorie. Was daran Masche ist, wird jedenfalls nicht besser mit der Zeit. Es geht ja auch nicht um ›Maschen des Künstlers‹, irgendwelche Marotten seines Auftretens, die uns, hätten wir erst einmal ein Werk von ihm erstanden, das uns uneingeschränkt gefiele, wahrscheinlich herzlich egal sein dürften. Vielmehr geht es um Maschen, die in der Kunst bleibenden Niederschlag finden, die ein Werk von Grund auf charakterisieren. Diese Charakterisierung trifft aber nichts Individuelles, sondern etwas Allgemeines, das dieses Werk mit einer unabschließbaren Gruppe weiterer Werke teilt. Womit ein heikler Punkt angesprochen wäre: Denn dadurch gerät, wer von Maschen der Kunst (= M. d. K.) handelt, unversehens in Konflikt nicht allein mit denen, die Unrühmliches von der Kunst fernhalten wollen, sondern auch mit jener Sorte Kunstliebhaber, die in vernebelter Fortsetzung genieästhetischer Annahmen auf der Uneinholbarkeit des einzelnen künstlerischen Ansatzes oder Werkes beharren: Dem individuum ineffabile wird von ihnen kurzerhand noch ein opus ineffabile beigeordnet.

      Wer von einer M. d. K. spricht, den ereilt daher schnell der Standardvorwurf gegenüber dem um Generalisierungen und mithin Kategorisierbarkeit und Prinzipien Bemühten: Da sei die Kunst wieder einmal unzulässigerweise in diese oder jene »Schublade« gepackt worden. Doch wie ist es um diesen Vorwurf bestellt? Wer ihn äußert, könnte dahinter nur seine generelle Ablehnung von Kategorien oder Hinsichten verbergen, was man ihm verübeln sollte. Oder er reagiert aversiv tatsächlich nur auf von außen an Kunst herangetragene statt aus ihr abgeleitete Hinsichten. Zeitgenossen, denen also ohne weiteres einleuchtet, dass es gegenüber Pflanzen, aber auch gegenüber Stühlen oder studentischen Klausuren nicht völlig abwegig ist, von außen gewisse Hinsichten oder Kategorisierungen an die betreffenden Dinge heranzutragen, verlangen partout, dass gegenüber der Kunst das Maß stets aus dem zu Messenden zu gewinnen sei. Wer in kunstliebhaberischem Protektionismus diesem Irrtum anhängt, wird aus dem vorliegenden Buch eher Verdruss schöpfen.

      Umgekehrt, nun also an die Adresse der von jüngerer Kunst immer schon Entnervten, denen in ihrer Ablehnung zeitgenössischer Spielarten künstlerischer Kreativität jede, auch eine generalisierende, Handhabe willkommen wäre, sei gesagt: Der Buchtitel Maschen der Kunst scheint nach dem Beifall von der falschen Seite zu schielen, indem er Entlarvung verspricht, indem er angriffslustig und vielleicht sogar etwas ressentimentgeladen klingt. Was dieser Titel deckt, ist aber alles andere als kunstfeindlich. Es folgt keiner populistischen Stimmungsmache gegen zeitgenössische Kunst, es nimmt keine Rache an apologetischen Theorien der Kunst. Es wird auch nicht der notorische Einspruch des Etablierten gegenüber dem Ungesicherten erhoben. Künstlerische Originalität und Innovation werden nirgends verhöhnt. Vielmehr dürften sie eher erkennbarer werden. Indem nämlich das an den Werken einer Masche Verhaftete abziehbar wird. Der Kunst schadet es nicht, auf stete Muster, auf bestimmte Kniffe, Tricks und unterschwellige Formeln hin durchforstet zu werden – ein Unterfangen, das so kunstfern nicht sein kann, zumal, wenn es von Künstlern selbst immer wieder einmal in Angriff genommen wird, ich nenne nur: Sigmar Polke, Martin Kippenberger oder heute Christian Jankowski. Mit Wertungen wird ohnehin sparsam verfahren. Der Tonfall ist gelegentlich streitlustig. Doch es überwiegen Neugier und Staunen ob der Verbreitung und Funktionsweisen der hier versammelten und analysierten Maschen.

      In älterer Zeit zehrte Kunst bekanntlich weniger von der Neuerung als von Nachahmung, Vervollkommnung und Abwandlung des bereits Erreichten. Erst mit der Neuzeit und Moderne (und nur scheinbar revidiert durch die Postmoderne) wuchsen Originalität und Innovation sich zu derartigen Forderungen, ja Gottheiten aus, dass ihnen nicht zu genügen zum Sakrileg wurde. Einem Künstler zu attestieren, er folge dieser oder jener Masche, kann daher gar nicht generell, nicht überhistorisch, sondern nur modernerweise überhaupt ein Vorwurf werden. Man könnte deshalb seit der Renaissance sogar eine zunehmende gegenseitige Verdächtigung der Künstler hinsichtlich des Profitierens von gewissen Wirkmitteln als regelrechten Gradmesser aufkeimender Modernität begreifen. Die im 18. und 19. Jahrhundert von Kritikern oder Karikaturisten, aber genauso von Künstlern gegenüber ihresgleichen vorgenommene Desavouierung gewisser als unlauter eingestufter künstlerischer Erfolgsprinzipien ist Teil einer Geschichte öffentlicher, agonaler, streitbarer Anteilnahme an der Kunst. Nur befürchte ich, dass sich diese Art von Anteilnahme weitgehend erschöpft hat. Zwar gibt es noch die Kunstkritik. Falls überhaupt, so bestraft sie aber eher durch Nichtbeachtung als durch Verriss. Doch kaum mehr verspotten Künstler ihresgleichen so triftig, dass es über den Künstlerstammtisch hinausreichte. Bedeutungslos wurde der begründete wie auch der idiosynkratische Einspruch gegenüber neuesten Setzungen der Kunst, als wunderlich oder vorgestrig erschiene, wer ihn noch ernsthaft erheben wollte. Und zwar nicht, wie uns ein an Luhmann geschultes Argument Glauben machen will, weil nur mehr kunstintern über Kunst kompetent geurteilt werden könne (und nur Ausgeschlossene ihre Entrüstung kultivieren würden). Sondern weil durch die erhöhte Novitätenfrequenz in Sachen Künstlernamen, Themen, Agenden und Diskurs nicht allein Außenstehenden, sondern mittlerweile auch den allermeisten Angehörigen der Kunstwelt der Lauf der Kunst wie unaufhaltsame Naturgeschichte erscheint: Es wächst und sprießt eben überall. Skepsis gegenüber irgendeiner Neuerung oder Laune der Gegenwartskunst würde in unseren Tagen daher auch nicht mehr, wie noch im vergangenen Jahrhundert, erst nachträglich von einer Jahre späteren Zukunft Lügen gestraft werden, die die Kanonisierung des einst Bekämpften untrüglich offenbart haben würde. Solcher Einspruch erledigt sich heute bereits in Realzeit durch Blitzvergreisung. Noch nicht ausgesprochen, kristallisiert das kritische Wort, wird es hinter sich gelassen von den so unerfindlichen wie unumkehrbaren Emergenzen des Kunstzeitgeistes und seiner pittoresken Niederschläge. Diese Situation begünstigt aufseiten der von Gegenwartskunst noch nicht Kurierten, also bei ziemlich vielen, ein prophylaktisches Mitläufertum gegenüber einem in Börsenkurs-Manier ständig aktualisierten state of the art der Kunst.

      Dementsprechend erscheint kaum jemandem die Suche nach charakteristischen Effekten und Maschen lohnenswert. Vielmehr sind es fieberhaft wechselnde Themen und Namen der jüngsten Kunst, denen hinterherzuhecheln dem Einzelnen heute eine ganze Bandbreite Orientierung versprechender Publikationen zur Seite steht. Dieses Spektrum reicht in den letzten Jahren von Ratgeberliteratur für Sammler über Crashkurse zur jüngeren Kunst bis hin zu umfänglichen Anthologien. Dort werden dem Leser die aktuell vermeintlich wichtigsten Künstler nach einem stehenden Muster aus biografischer Notiz und einigen beschreibenden Zeilen nebst Abbildungskonvolut vorgestellt. Nur dass diese Auswahl nach wenigen Jahren ungerührt durch andere Namen und Akzentsetzungen modifiziert oder ersetzt wird. Man hält dann zwar mächtige Schwarten in Händen, fühlt sich aber dennoch irgendwie an das kurzlebigere Format eines Rankings erinnert.

      Nicht anders bei Postillen oder smarten Magazinen zur Kunst. Man wird den Eindruck nicht los, dass jene Unüberblickbarkeit und Kriterienlosigkeit, die zu kompensieren Verleger und Autoren solcher Publikationen angetreten waren, durch Letztere selbst geschürt werden. Denn hier werden à la mode sämtliche Positionen und Topoi von oben nach unten durchgereicht, was die Produktobsoleszenzen nur weiter ankurbelt. Man konsultiert solche Medien daher mit einer aasigen Mischung aus Widerwillen und Neugier. Man möchte also schon gerne wissen, wen das Orakel diesmal drin sieht und wen nicht, obwohl einem doch klar ist, dass bestenfalls hauchdünne Begründungen oder einfach nur der Tagesgeschmack den Ausschlag gaben.

      Bereits der Durchblicker-Tonfall des Buchtitels von Jörg Heisers Studie Plötzlich diese Übersicht. Was gute zeitgenössische Kunst ausmacht (2007) signalisiert, dass auch hier uns jemand helfend beispringen will im Dschungel der Gegenwartskunst (und dies übrigens in nachdenkenswerter Gruppierung, temperamentvoll, geistreich und lesbar unternimmt). Nur bleibt auch das eine Geschichte der Sieger und ihrer Siege. Wer darin vorkommt, der hat es geschafft, der hat mit seiner künstlerischen Manier Unverwechselbarkeit erreicht. Und das gilt natürlich auch noch für die Künstler, an denen der Autor kluge Kritik übt.

      Vergleichbar steht es um all jene Protagonisten des künstlerischen Feldes, über die nicht nur in entlegenen Monographien und Katalogen auftragshalber geschrieben wird, sondern über die man einer großen Leserschaft wiederholt Bericht erstattet. Daran ändert sich auch wenig, wenn man auf ambitionierte und theoriestarke Kunstzeitschriften blickt. Denn die vergleichsweise großen und sozusagen in

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