Weihnachtswundernacht 2. Группа авторов

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Weihnachtswundernacht 2 - Группа авторов

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von Kontingenz, womit sie etwas Ähnliches meinen wie Zufall. Es gibt viele Möglichkeiten, aber nur eine wird umgesetzt. Das Leben ist nicht vom Schicksal oder einem kosmischen Plan bestimmt. Der ganze Verlauf der biblischen Geschichte könnte auch anders sein. Was wäre, wenn Herodes Jesus als Kind getötet hätte? Könnte Josef seinen Ziehsohn geschlagen, missbraucht, seelisch verbogen haben? Im Nicänischen Glaubensbekenntnis heißt es über Jesus: »… der für uns Menschen und wegen unseres Heils herabgestiegen und Fleisch geworden ist, Mensch geworden ist.«

      Menschsein heißt, der Kontingenz unterworfen zu sein. Ein Leben zu leben, das so oder ganz anders sein könnte.

      »Sie sehen aus, als könnten Sie noch etwas vertragen. Was kann ich Ihnen bringen?«

      Bei den Worten der Kellnerin schreckte er aus seinen Gedanken hoch.

      »Einen Kaffee, bitte.«

      Er klappte seinen Laptop auf und begann zu schreiben. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wurde die alte Geschichte wieder spannend. Der tiefste Aspekt der Weihnachtsgeschichte ist, dass Gott selbst sich der Kontingenz unterwirft. Bereit, sich auf Unsicherheit einzulassen, die aus Liebe ein Wagnis eingeht, sich der Möglichkeit des Versagens aussetzt.

      Salvatore blieb tot. Ohne sich weiter um ihn zu kümmern, tippte sein Schöpfer einen neuen Titel: »Was wäre wenn?« Die erste Zeile war schnell geschrieben: »Liebe sucht Chancen, keine Sicherheiten.«

      CARSTEN »STORCH« SCHMELZER

      3. Dezember

      Das Geschenk

      Es schellte an der Tür. Missmutig schob ich meinen Schreibtischsessel zurück und schlurfte zur Tür. Mit einem »Ich-mag-es-nicht-wenn-man-mich-stört-Gesicht« öffnete ich die Haustür und blickte in die aufgeweckten Augen eines etwas schäbig gekleideten, älteren Herrn.

      »Keine Angst, ich will Ihnen nichts verkaufen«, begrüßte mich der Alte lächelnd, »mein Name ist Nimmzeit, und ich möchte Ihnen etwas schenken.«

      »Aha«, dachte ich bei mir und stellte mich vorsichtshalber noch etwas breiter in die Tür: »Sie wollen mir etwas schenken, da bin ich aber mal gespannt! Schießen Sie los, worum handelt es sich?«

      Herr Nimmzeit hatte seinen Hut abgenommen und schien nun seltsam in die Ferne zu blicken. Es war, als hätten seine Pupillen durch mich und alle Wände meines Hauses hindurch etwas ganz anderes im Auge.

      »Das, was ich Ihnen schenken möchte, brauchen Sie dringend. Sie haben zwar schon oft versucht, es zu kaufen, aber Sie haben es niemals bekommen. Und heute komme ich zu Ihnen, um Ihnen das, wonach Sie sich so sehr sehnen, zu schenken.«

      Während seine Worte leise verklangen, funkelten mich seine kleinen Augen herausfordernd an, und über seinen Mund glitt ein kaum sichtbares Lächeln.

      »Halten Sie mal keine großen Reden, kommen Sie zum Kern der Sache. Ich habe zu tun. Zeit ist schließlich Geld und somit teuer.«

      Ich hoffte, mit diesen Worten unsere Begegnung zu einem raschen Ende zu bringen, obwohl ich ehrlicherweise zugeben muss, dass ich gar nicht so dringend beschäftigt war.

      Doch solche merkwürdigen Gespräche sind mir immer unangenehm. Es gibt ja Menschen, die können Bände füllen mit ihren Ausschweifungen, ohne jemals wirklich etwas zu sagen, geschweige denn irgendwann einmal auf den Punkt zu kommen.

      Der ältere Herr nickte unmerklich: »Genau deshalb bin ich hier!«, antwortete er mit einem fast feierlichen Unterton.

      Jetzt wurde es mir aber doch zu bunt: »Weshalb sind Sie jetzt hier? Weil ich zu tun habe oder weil Zeit Geld ist? Oder weil Sie nicht so viel reden wollen? Ach … sind Sie vielleicht ein Geldbote vom Finanzamt? Natürlich, dass ich nicht gleich darauf gekommen bin! Kommen Sie doch herein. Die letzten Steuerabzüge kamen mir sofort etwas zu hoch vor. Ich zahle ja gerne meinen Teil, aber was zu viel ist, ist zu viel. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«

      In einem Schwall von Worten und unter wildem Gestikulieren komplimentierte ich den Mann in unser Wohnzimmer und dort auf das Sofa, wo er nun ruhig und gelassen saß.

      »Ja, ich trinke gern ein Glas Mineralwasser, wenn Sie so freundlich sind, aber vom Finanzamt komme ich nicht. Ich sagte ja auch nicht ›zurückerstatten‹, sondern ›schenken‹. Sie bekommen etwas geschenkt.«

      Die Enttäuschung muss mir im Gesicht gestanden haben, denn Herr Nimmzeit rutschte mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck noch tiefer in das Polster der Wohnzimmergarnitur.

      »Ich bin gekommen, um Ihnen etwas zu schenken, oder besser gesagt: Ich möchte Sie auf ein Geschenk aufmerksam machen!«

      Nun wurde ich allmählich wirklich wütend. Da hatte sich dieser Alte unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in unsere Wohnung führen lassen, besaß ganz nebenbei die Dreistigkeit, von mir etwas zu trinken zu verlangen, und nun wollte er mich lediglich auf ein Geschenk aufmerksam machen. Die ganze Sache war doch eindeutig faul, oberfaul sogar. Man kennt ja solche Typen: Erst erzählen sie einem lange und umständlich was von »Geschenk« und »alles gratis« und »Sie sind der Glückliche« und all dieses Zeug, und zum Schluss hat man dann, ehe man sich versieht, zwei Zeitschriftenabonnements und einen Staubsauger gekauft.

      »Also, was ist das nun für ein Geschenk, von dem Sie da dauernd faseln?«, fuhr ich ihn giftig an.

      Im selben Augenblick tat es mir schon wieder leid, denn die eben noch lebendigen Augen des alten Mannes schauten mich plötzlich traurig und müde an. Fast flüsternd sagte er: »Das Geschenk, auf das ich Sie aufmerksam machen wollte, ist die Zeit. Ich habe Ihnen Zeit geschenkt, aber Sie haben sie sich eigentlich nie wirklich genommen. Sie sind zu beschäftigt.«

      Jetzt war es mir wirklich egal, wie traurig der alte Mann auch aussah, und ich erwiderte mit bestimmtem Unterton in der Stimme: »Sie wollen mir Zeit schenken, dass ich nicht lache! Zeit gestohlen haben Sie mir. Dauernd vergeuden Sie meine Zeit. Ich pfeife auf Ihr Geschenk!«

      Herr Nimmzeit saß nun wieder aufrecht auf der vorderen Sitzfläche des Sofas, stützte sich mit den Armen auf die Knie und schaute mich ernst an: »Darin liegt das eigentliche Problem! Dass Sie glauben, Zeit zu besitzen und jederzeit über Zeit verfügen zu können. Sie wissen noch gar nicht, dass die Zeit ein Geschenk ist, sonst würden Sie anders über diese wundervolle Gabe, die ich Ihnen gebracht habe, reden. Jede Sekunde, jede Minute, jede Stunde, jeder Tag, jede Woche, jeder Monat und jedes Jahr ist ein Geschenk. Doch die Menschen haben all das vergessen. Für sie ist die Zeit wie eine Autobahn, die sie einfach gedankenlos benutzen und abfahren. Wie sehr sie dabei das Eigentliche übersehen, merken sie gar nicht. Gibt es wirklich einmal Straßenschäden, dann vertrauen alle darauf, dass die Macken schon wieder repariert werden. Glauben Sie wirklich, Sie seien im Besitz Ihrer Zeit? Sie sind nicht im Besitz Ihrer Zeit, sonst hätten Sie ja viel mehr davon. Sie besitzen eigentlich überhaupt keine Zeit, nicht mal ein kleines bisschen, und deshalb kann Ihnen auch niemand Zeit stehlen. Sie haben ja gar keine!«

      Während der alte Mann mit den nun wieder leuchtenden Augen sprach, war ich ins Nachdenken gekommen. Irgendwie hatte er recht. Es war schon seltsam mit der Zeit. Da hatte man eigentlich den ganzen Tag zur Verfügung, vierundzwanzig lange Stunden, und wenn man einmal Zeit brauchte, war nie welche da. Immer gab es Termindruck, immer war irgendwo irgendetwas zu tun, zu verabreden, ja

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