Das Schmusekätzchen und andere Geschichten. Manfred Wiedemann
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Der Zufall wollte es, dass er kurz vor seinem Antritt bei der Marine einen Faschingsball in seinem Heimatort besuchte, wo auch die schöne Rita anwesend war. Franz war weder ein guter, noch ein begeisterter Tänzer, aber er sah als einzige Möglichkeit mit Rita zu sprechen, sie zum Tanz zu holen. Sollte sie ihm aber einen „Korb“ geben, so war das ja auch egal, er hatte nichts zu verlieren.
Wider Erwarten schien sich Rita aber zu freuen, als er sie aufforderte und ging bereitwillig mit ihm auf die Tanzfläche. Schon nach ein paar Umdrehungen schmiegte sie ihr Gesicht an seine Wange und schien glücklich zu sein. Franz, darüber selig, wusste nicht, was er sagen sollte und schwieg. Das konnte doch einfach nicht wahr sein. Die lange still Verehrte freute sich offenbar, mit ihm zu tanzen. Und das, obwohl er wie gesagt wirklich kein guter Tänzer war. Bei der nächsten Tanzrunde wurde er ein wenig gesprächiger und erzählte ihr schließlich, dass er sich zur Marine gemeldet habe und schon in ein paar Wochen dort einrücken müsse.
Rita sagte nichts dazu, aber Franz fühlte, dass sie darüber enttäuscht zu sein schien. Sie drückte ihre Wange noch mehr an sein Gesicht, beide sprachen nur noch wenig und hatten eine seltsam melancholische Stimmung. Das eben empfundene Glück schien schon wieder zu enden und war doch so nahe. Nach dem Tanz nahmen beide wieder getrennt von einander ihre alten Plätze ein und nur eine fast ständige Blickverbindung ließ erkennen, dass sie sich verliebt hatten. Am Ende der Veranstaltung nahm Franz noch einmal seinen ganzen Mut zusammen, wartete am Ausgang auf das Mädchen und ging mit ihr nach draußen. Mit einem schüchternen Kuss und einer nicht enden wollenden Umarmung verabschiedeten sich die beiden, ohne sich zu einem neuen Treffen zu verabreden.
Dass Franz nur noch an „seine“ Rita denken konnte, brachte ihn bei der Arbeit ganz durcheinander und sein Meister fragte ihn des öfteren, ob er träume und mahnte, dass es so nicht weiter gehen könne. Er wäre doch sonst ein so fleißiger junger Mann gewesen. Auch Franz dachte, dass es so nicht weiter gehe und dass er unbedingt zu seinem Mädchen gehen müsse. Er nahm also seinen ganzen Mut zusammen und ging zu ihrem Haus. Dort hoffte er, dass Rita schon einmal heraus kommen würde, denn er traute sich nicht hineinzugehen. Nach beinahe einer Stunde, in der er vor dem Haus hin und her ging, kam die Erlösung. Rita erschien, winkte ihm in den Hof zu kommen und zog ihn mit sich in eine dunkle Ecke des Hofes. Ein schneller Kuss und dann der leise Vorwurf, dass sie glaubte, er habe sie schon wieder vergessen. Warum er denn nicht ein Treffen mit ihr verabredet habe, sie habe solche Sehnsucht und sie dachte, dass alles schon wieder vorbei sei. Er sei doch ein recht dummer Kerl. Natürlich versuchte er ihr zu erklären, dass er den Mut zu einem Treffen nicht fand und auch nicht zu hoffen wagte, dass sie ihn wirklich wieder sehen wollte. Er sagte ihr, dass er bereue, dass er jetzt fort müsse und dann ja doch alles aus sei. Er habe sich für drei Jahre verpflichtet und das sei auch nicht mehr rückgängig zu machen. Und dass sie drei Jahre auf ihn warten würde, sei ja schließlich ganz unmöglich; er wisse ja, dass das nicht ginge. Sie sagte ihm, dass sie auch noch länger auf ihn warten würde und dass sie sich schon als kleines Mädchen in der Schule in ihn verliebt habe, und dass es für sie keinen anderen geben würde. Nun müsse sie aber wieder ins Haus, denn ihre Eltern würden sich sicher schon darüber wundern, wo sie so lange bleibe. Ein stürmischer Kuss und das Versprechen einander treu zu bleiben beendete das Treffen.
Die beiden trafen sich noch ein paar Mal, und dann kam der Abschied und die Trennung. Natürlich versprach man sich, häufig zu schreiben und schließlich habe der junge Seesoldat ja auch Urlaub und würde so oft wie möglich nach Hause kommen. Ein tränenreicher Abschied beendete das kurze Glück.
*
Franz kam zur Grundausbildung in das Städtchen Glückstadt an der Elbe und schrieb seiner Rita regelmäßig. Noch öfter erhielt er einen Brief von Rita und jedesmal schrieb sie, dass er doch hoffentlich bald in Urlaub käme. Am ersten April wurde er eingezogen und schon zu Pfingsten bekam er eine Woche Urlaub. Klar, dass er sofort in die Heimat zu seiner Rita fuhr. Es gab schon ein wenig Aufsehen im Dorf, als er in seiner Matrosenuniform mit Rita durch die Straßen ging. Schlimmer aber war, dass Ritas Eltern darüber gar nicht sehr erfreut waren, denn sie hielten nichts von einem der weit weg zur See fuhr und ihrer Tochter den Kopf verdrehte. Auch wenn es bis zur Seefahrt noch dauern sollte, aber das konnten die ja nicht wissen. Der kurze Urlaub war bald vorüber und der Alltag kehrte wieder ein.
Die Zeit verging. Franz kam auf die Marineschule und schließlich an Bord eines Zerstörers. Der Briefwechsel ging nach wie vor weiter, auch wenn Rita weniger Post erhielt als sie schrieb. Sie dachte, dass Franz einen anstrengenden Dienst und nicht so viel Zeit zum Schreiben habe, was ja auch der Fall war. Er beschrieb ihr aber seine Erlebnisse an Bord und Tage mit stürmischer See und was er so alles erlebte. Der nächste Urlaubsbesuch fand erst zu Neujahr statt, dauerte diesmal vier Wochen und die Seligkeit kannte keine Grenzen. Doch auch vier Wochen gehen für Liebende viel zu schnell vorbei und so kam wieder ein schwerer Abschied. Franz meinte, dass sie ihn ja auch in Flensburg, wo sein Schiff regelmäßig lag, besuchen könne. Viele Mädchen würden das machen. Und er würde ihr dann alles zeigen; sie würde sich sicher wundern, wie es auf einem Schiff zuginge, denn das ließe sich nicht wirklich beschreiben. Beide wussten, dass dies ein Traum war, denn Ritas Eltern würden eine solche Reise ihrer Tochter nie und nimmer genehmigen.
Wieder gingen ungezählte Liebesbriefe von Süd nach Nord und von Nord nach Süd. Doch plötzlich verhängte die Marine eine Nachrichtensperre, denn es war die Kubakrise ausgebrochen. Der kalte Krieg zwischen West und Ost drohte in eine heiße Phase zu gehen und die gesamte Bundeswehr und damit auch die Marine war in Alarmzustand versetzt. Rita schrieb weiterhin Briefe, doch zum Teil kamen sie zurück und auf ein Lebenszeichen ihres Franz wartete sie vergeblich. Sie wusste aber aus den Nachrichten, dass der Zerstörer häufig in Flensburg lag und war entschlossen, dorthin zu fahren. Ihre Eltern durften davon, wie schon gesagt, natürlich nichts wissen und so reiste sie ohne sich jemandem anzuvertrauen, in den hohen Norden.
In Flensburg angekommen, versuchte das unerfahrene Mädchen den Zerstörer zu finden, der aber nicht da war. Ein Uniformierter, den sie hartnäckig fragte, sagte ihr, dass „Z5“ wahrscheinlich in Hamburg liege, sie solle dort nach ihm suchen. Vermutlich sagte er ihr das nur, um sie loszuwerden, denn es war unwahrscheinlich, dass ein Zerstörer in Hamburg lag, noch dazu in einer Krise. Doch Rita war zu allem entschlossen und fuhr in die große Hafenstadt um ihren Franz dort zu finden. Wen immer sie für zuständig hielt, fragte sie nach dem Schiff. Doch keiner konnte ihr eine positive Auskunft erteilen. Ein Passant meinte, dass Matrosen am ehesten auf der Reeperbahn und der „Großen Freiheit“ zu finden seien. Er wäre früher auch bei der Marine gewesen und ein Gang dorthin sei für jeden Seemann ungeschriebenes Gesetz. Dadurch ermuntert, ging sie zur Hamburger Vergnügungsmeile und landete auf der großen Freiheit. Auch dort fragte sie unentwegt nach dem Zerstörer, bis ihr ein Mann sagte, sie solle mit ihm kommen, er würde sie am nächsten Tag dorthin bringen. Zweifelnd aber voller Hoffnung vertraute sie sich diesem Mann an, in der Erwartung, am nächsten Tag ihren Franz in die Arme schließen zu können oder ihn wenigstens gesund zu sehen. Das alles erzählte sie diesem Mann, der zwar nicht sehr vertrauenswürdig aussah, aber doch ihre Rettung sein konnte.
Am nächsten Tag erwachte sie in einem etwas seltsamen Etablissement, aber sie dachte sich, in Hamburg muss das wohl so sein. Das Zimmer war in einem eigenartigen süßlichen Rot gehalten und die Möblierung bestand nur aus einem breiten Bett, einem Tischchen und zwei Stühlen. Ihre Kleider und ihr Köfferchen fehlten: Sie hatte nur, noch was sie am Leib trug. Und sie wusste nicht, wie sie dort hingekommen war. Eine