Brandt-Gefahr. Klaus Vater

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Brandt-Gefahr - Klaus Vater

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in Spandau entlassen worden. Das hat manche Nationalsozialisten elektrisiert. Und vor ein paar Monaten ist der Generalinspekteur der Bundeswehr Heinz Trettner zurückgetreten. Der war für viele alte Nazis eine Identifikationsfigur. Trettner gehörte als Generalmajor schließlich zu denen, die Hitler bis Mai 1945 unterstützt hatten. Und am heutigen Tag wird der frühere SS-Arzt Horst Schumann von der Regierung Ghanas an die Bundesrepublik ausgeliefert, damit ihm hier der Prozess wegen seiner Gräueltaten während der NS-Zeit gemacht werden kann. Schumann war nach Afrika geflüchtet, weil ihm bei uns die Justiz auf den Fersen war. Er wurde in Ghana von höchsten Stellen des Staates geschützt. Erst nach einem Machtwechsel in diesem Land kam seine Auslieferung ins Rollen. Können Sie mir folgen?» Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr Voißel fort: «Auch dieser feine Herr ist für viele alte und neue Nazis ein Idol.»

      Kriminalrat Keunitz warf ein: «Entschuldigen Sie, Herr Kollege, aber wollen Sie uns glauben machen, die Auslieferung eines früheren SS-Arztes würde Anhänger der nationalsozialistischen Ideologie dazu bringen, Attentate zu verüben? Das kann ich mir nicht vorstellen.»

      «Ich möchte Ihnen nur deutlich machen», erwiderte Voißel, «dass die Rechtsextremen wieder an Zuspruch gewinnen und es ihnen gelingt, Vorgänge wie die um Trettner oder Schumann zu nutzen, um neue Anhänger zu gewinnen. Millionen derer, die bis 1945 Hitler zujubelten, sind doch noch unter uns! Und die NPD versucht, sie dazu zu bringen, wieder aus der Deckung zu kommen. Vermutlich denken die Nazis, ein politischer Anschlag könnte das forcieren.»

      Einige zündeten sich Zigaretten an. Strattmann hatte sich mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck in seinem Stuhl zurückgelehnt. Der Kripochef schaute nachdenklich auf Kappe.

      Schließlich nahm Voißel den Faden wieder auf. «Ein besonderes Faktum bereitet uns in Köln die größte Sorge. Nach unseren Informationen sind zwei Männer nach West-Berlin eingereist, von denen höchste Gefahr ausgehen könnte. Den einen kann man als berufsmäßigen Mörder bezeichnen. Der andere war in den letzten Jahren als eine Art Reisemarschall der Nationalsozialisten tätig. Wir vermuten, dass sie mit den NPD-Leuten zusammenarbeiten.»

      «Verdammt!», knurrte Niederzier. «Was braut sich da zusammen?»

      «Damit ist das Problem aber noch nicht vollständig umrissen», entgegnete Voißel.

      «Sie machen mir Spaß!», fauchte Keunitz. «Was kommt denn noch?»

      «Weiterhin ist uns zu Ohren gekommen», fuhr der Verfassungsschützer fort, «dass in Ihrer Stadt frühere Mitglieder der 1959 aufgelösten Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit wieder aktiv geworden sind. Es gibt Anzeichen dafür, dass Verbindungen zwischen ihnen und den beiden Männern bestehen, die jüngst nach Berlin gekommen sind. Sie kennen die Geschichte dieser Kampfgruppe besser als ich, nehme ich an. Das sind ja teils sehr anständige Leute gewesen, die sich von ihrer Wut über die Verbrechen der Kommunisten zu Verbrechen haben leiten lassen. Zu Anfang war diese Kampfgruppe aber auch ein Sammelbecken von alten Nazis. Die neue Politik des Senats gegenüber den Kommunisten scheint einige von denen zur Raserei zu bringen. Wer mit Ulbrichts Leuten Vereinbarungen schließt, wie der Senat das im März des Jahres getan hat, ist für die ein Vaterlandsverräter. Ihr Staatsschutz wird mehr darüber wissen.» Er schaute Maischonnek und Schiltken an.

      Die beiden Staatsschützer reagierten mit keiner Silbe, sondern fixierten schweigend den Oberregierungsrat aus Köln.

      Kappe fiel auf, dass sich Keunitz’ Gesicht gerötet hatte. Wie er ihn kannte, war das ein Zeichen seines Ärgers über die beiden Staatsschützer. Niederzier hatte den Blick auf seine Hände geheftet, so als betrachtete er seine Fingernägel. Er wirkte grimmig.

      Statt Keunitz oder Niederzier ergriff Eduard Strattmann das Wort. «Sie können nicht einfach stumme Zuhörer spielen, wenn es um Ihre Angelegenheiten geht!»

      «Du wirst verstehen, dass wir uns hierzu nicht äußern können, wir brauchen dazu die Erlaubnis von oben», meldete Schiltken sich zu Wort. «Das ist bei uns etwas anders geregelt, und das hat seinen guten Grund.»

      «Ich habe Ihnen nicht gestattet, mich zu duzen!», schnauzte Strattmann ihn an.

      Alle schwiegen. Es entstand eine Pause, die Otto Kappe als peinlich empfand. Daher sagte er: «Sie schildern uns eine Bedrohungslage, die es in sich hat. Professionelle Kriminelle in Zusammenarbeit mit alten Kameraden – das klingt nach echten Problemen.»

      «Ich kann mir schon vorstellen, was das für die Berliner Kripo bedeutet», erklärte Hans Josef Voißel.

      «Das glaube ich nicht», sagte Niederzier. Er lehnte sich zurück und schaute in die Runde. «Es gibt hier in West-Berlin Hunderte von Objekten, die sich für einen Anschlag anbieten, zivile wie militärische.»

      «Von gefährdeten Personen ganz zu schweigen», ergänzte Keunitz.

      Unruhe breitete sich unter den Zuhörern aus. Einige unterhielten sich halblaut miteinander.

      «Gibt es weitere Anmerkungen oder Fragen?», erkundigte sich Kriminaldirektor Niederzier mit heiserer Stimme. Er wartete einige Sekunden, aber offenbar war jeder in der Runde mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. «Nein? Dann bedanke ich mich bei Herrn Voißel. Ich erinnere Sie alle noch einmal daran, dass wir Verschwiegenheit verabredet haben. Kommen Sie noch auf einen Kaffee in mein Büro, Herr Voißel?»

      Während sich der Raum leerte, winkte Niederzier Kappe zu sich. «Ich muss mit Ihnen sprechen. Bitte gehen Sie schon vor in mein Büro!»

      Kriminaloberkommissar Otto Kappe hatte sich gerade in einem der Sessel im Zimmer des Kriminaldirektors niedergelassen, als Günther Niederzier mit Keunitz, Voißel und – zu Kappes Verblüffung – Strattmann den Raum betrat. Die Männer suchten sich schweigend einen Platz und setzten sich. Niederziers Sekretärin servierte unaufgefordert Kaffee.

      «Fahren Sie bitte fort!», sagte der oberste Kripobeamte zu Hans Josef Voißel.

      Der griff in seine Aktentasche, holte einen grünen Ordner hervor, schlug ihn bedächtig auf und entnahm ihm zwei Fotografien, die er den anderen zeigte. «Der eine hier, der auf dem linken Bild, das ist August Pretzky. 45 Jahre alt, in Königsberg geboren und im Alter von neunzehn Jahren in die Wehrmacht eingetreten. Er war Soldat im Sonderverband Brandenburg, einer Einheit, die hinter den feindlichen Linien operierte. Immer wieder sind Vorwürfe erhoben worden, dass dieser Verband an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen sei. Pretzky wurde nach dem Krieg in einem französischen Gefangenenlager festgehalten. Ab 1948 war er in Berlin wohnhaft. Ich schätze, aus dieser Zeit resultieren Kontakte zu den Mitgliedern der Kampfgruppe. Von 1953 bis 1957 war er in der Fremdenlegion. Nach Recherchen des Bundesnachrichtendienstes war er anschließend als Söldner in afrikanischen Ländern wie dem Kongo tätig. 1960 tauchte er wieder in Deutschland auf, wenig später wurde er in Berlin gesehen.»

      Die Fotografie zeigte ein schmales Gesicht mit Geheimratsecken, dunklen zurückgekämmten Haaren, einer langen Nase, die so aussah, als wäre sie einmal gebrochen gewesen und schief wieder zusammengewachsen, spöttisch funkelnden Augen, einem kleinen Mund und einem spitzen Kinn.

      «Es wäre interessant zu erfahren, wo solche Leute untertauchen», erklärte Niederzier.

      Voißel kramte in seiner Tasche und fischte einen Zettel heraus. «Seine alte Adresse in Berlin steht hier.» Er las vor: «Waldemarstraße, Ecke Adalbertstraße. Bei Schubert.»

      Niederzier hob den Kopf. «Ist das nicht unmittelbar an der Grenze?»

      Kappe nickte und sagte: «Stimmt. Ziemlich verlassene Gegend. Wann wurde dieses Foto aufgenommen?»

      «Nach

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