Brandt-Gefahr. Klaus Vater

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Brandt-Gefahr - Klaus Vater

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wies auf die zweite Fotografie. «Der da hat gleich mehrere Namen. Gegenwärtig nennt er sich Eberhard Wagner. Sein richtiger Name lautet Paul Stecher. 46 Jahre alt, gebürtiger Treptower. Eine klassische Nazi-Karriere. Ebenfalls ab 1939 in der Wehrmacht. Kurz zuvor mit neunzehn Jahren in die NSDAP eingetreten. Fünfeinhalb Jahre Soldat. Letzter Dienstgrad Oberleutnant. Kennt einer von Ihnen diesen Mann? Nein? Schade, denn es geht das Gerücht um, dass Wagner in Berlin kein Unbekannter ist. Das würde mich interessieren.»

      «Wenn wir etwas über den haben, kriegen Sie das», erwiderte Eduard Strattmann.

      Auf dem Bild war ein unauffällig wirkender Mann zu sehen, dessen Gesicht halb im Schatten lag. Er trug einen Hut und ein helles Hemd, die Krawatte hing ihm lose um den Hals.

      «Das Foto habe ich auf dem kleinen Dienstweg von einem BND-Mann erhalten. Es müsste um das Jahr 1960 gemacht worden sein, möglicherweise in Ägypten oder in Syrien. Es gibt ebenfalls nicht viel her.» Voißel drehte das Foto herum, um selbst einen Blick darauf zu werfen. «Wagner war im Krieg einer von Hitlers Horchern. Hörte in der Einheit ‹Fremde Heere Ost› von General Gehlen, dem heutigen BND-Präsidenten, Feinde ab. Er spricht bestens Englisch, fließend die französische Sprache, recht gut Russisch und Spanisch. Was er in der Zeit zwischen ’45 und ’47 gemacht hat, wissen wir nicht genau. Danach war er als Übersetzer für den Bundesnachrichtendienst tätig. 1951 ging er in den Osten. 1957 verließ er die Zone wieder. Die nächsten Jahre wohnte er in West-Berlin. Und dann geschah etwas Erstaunliches: Ab ’59 reiste er durch die Weltgeschichte. Er flog nach Ägypten, hielt sich in Syrien auf, verbrachte einige Zeit in Somalia, das 1960 unabhängig geworden war, und besuchte Argentinien. Wir glauben, dass er auf diesen Reisen Kontakte zwischen deutschen Nazis und Faschisten in diesen Ländern knüpfte oder intensivierte.»

      Voißel trank seinen Kaffee aus, schließlich sagte er: «Beide sind in West-Berlin. Ob unsere amerikanischen oder britischen Freunde etwas darüber wissen, kann ich nicht sagen. Es ist aber anzunehmen. Beide Männer haben unseres Wissens keinerlei Skrupel zu töten.» Er drehte sich zur Seite, um Niederzier ins Gesicht zu schauen, und fragte: «Wie werden wichtige Personen hier in Berlin geschützt? Auf die Nullachtfuffzehn-Tour? Oder gibt es besondere Maßnahmen?»

      Niederzier wurde schmallippig. «Bisher wurde jedem Senatsmitglied ein sogenannter Pistolenmüller zur Seite gestellt, also ein körperlich leistungsfähiger Polizist mit guten Ergebnissen auf dem Schießstand. Das meinen Sie wahrscheinlich mit Nullachtfuffzehn-Tour.»

      Friedhelm Keunitz wandte sich an Strattmann. «Sie waren mal Pistolenmüller, nicht wahr?»

      «Das stimmt», bestätigte der. «Von ’55 bis ’57. Während der ersten Jahre von Joachim Lipschitz als Innensenator. Außer mir war niemand von uns für den Senator zuständig, obwohl der eine Reihe fanatischer Feinde hatte. Ich habe manchmal Blut und Wasser geschwitzt. Die Nazis haben Lipschitz gehasst wie die Pest. Aber manchmal hatte ich Unterstützung von den Amis, da sie der Meinung waren, Lipschitz müsse besser geschützt werden. Planen ließ sich das aber nicht. Mal waren die dabei, mal waren sie abwesend. Die dachten überhaupt nicht daran, mich in ihre Vorhaben einzuweihen.»

      Voißel guckte auf seine Armbanduhr. «Oje, ich muss los! Der nächste Termin wartet bereits.»

      Nachdem er gegangen war, saßen die vier Männer eine Weile zusammen, ohne dass einer von ihnen etwas sagte.

      Niederzier brach schließlich das Schweigen. «Herr Voißel hat darauf bestanden, den letzten, wichtigsten Teil seiner Unterrichtung in sehr kleinem Kreis zu geben. Er traut offenbar Leuten wie Schiltken und den Aktentaschenträgern aus der Senatsverwaltung nicht über den Weg. Er wollte aber, dass sie informiert werden. Das deutet für mich darauf hin, dass dies von seinen Vorgesetzten abgesegnet wurde. Die Tatsache, dass einer von den wenigen Sozialdemokraten im Bundesamt zu uns gesandt wurde, ist schon bemerkenswert. Sie kennen ihn wohl, Kollege Strattmann, wie?»

      «Das ist richtig. Voißel passt im Bundesamt auf, dass dort nicht gegen die SPD intrigiert wird. Wir kennen uns aus verschiedenen Besprechungen.»

      Niederzier blickte ihn prüfend an, dann fuhr er fort: «Ich bin der Auffassung, dass eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden muss, keine offizielle Sonderkommission mit allem Trara, sondern eine Gruppe, die ausschließlich Herrn Keunitz und mir berichtet. Nach außen hin werden wir sagen, dass sich die Ermittlungen auf einige alte Fälle beziehen, die abgeschlossen werden sollen.»

      «Mir gefällt das nicht», warf Kappe ein. «Das ist und bleibt eine Angelegenheit des Staatsschutzes. Da sollten wir uns raushalten.»

      Niederzier widersprach sofort. «Nein, Herr Kollege, das ist unser Problem. Die Spitze des Senats möchte, dass wir die Aufgabe übernehmen. Und das zählt, nichts anderes. Wenn sich die Staatsschützer einmischen sollten, geben Sie mir sofort Bescheid. Vernünftig wäre es, einen Mann aus deren Reihen zu bestimmen, der den Kontakt zu uns hält, aber nicht zusammen mit uns ermittelt.»

      Kriminalrat Keunitz blickte Kappe an. «Mensch Kappe, das kennen Sie doch! Die Oberverdachtschöpfer würden Sie nur in Ihrer Arbeit behindern. Lassen Sie die ruhig weiter Kommunisten jagen – mit Anschlägen haben wir mehr Erfahrung.»

      Kappe presste die Lippen zusammen.

      «Ich mache mir wegen der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit Sorgen», warf Strattmann ein. «Die ist zwar ’59 aufgelöst worden, aber was aus ihren ehemaligen Mitgliedern geworden ist, weiß niemand genau. Einige von ihnen werden in den Westen ausgereist sein, etliche haben bestimmt beim Bundesnachrichtendienst angeheuert, andere hat sich die CIA geschnappt. Aber was der Rest macht, weiß kein Mensch. Mir wird ganz anders, wenn ich mir vorstelle, was die aushecken könnten.»

      «Mich beunruhigen mehr diese jungen NPD-Typen, die nach West-Berlin gekommen sein sollen», sagte Otto Kappe. «Ja, und dann noch diese beiden Kerle, offenkundig Profis.»

      «Haben die Herren eine Idee, wie wir nun verfahren sollen?», wollte Kriminaldirektor Niederzier wissen.

      «Ich halte es für das Beste, dass Otto Kappe die Leitung der Untersuchung übernimmt», erklärte Strattmann.

      Der Oberkommissar erstarrte. Die Regierenden umgingen aus irgendwelchen Gründen den Staatsschutz. Gegen den zu arbeiten würde schon schwierig genug werden. Und ausgerechnet in diesem Fall soll ich die Ermittlungen leiten?, fragte er sich. Ausgerechnet ich, der sich von Politik immer ferngehalten hat? Von rechtsextremen Umtrieben hatte er keinen blassen Schimmer. Das konnte nicht gut gehen!

      Natürlich wusste Otto Kappe, dass sich in seiner Stadt Vertreter aller möglichen politischen Richtungen tummelten, dass es hier ebenso fanatische Rechte wie fanatische Linke gab. Aber während seiner Arbeit in der Mordabteilung hatte er als grundsolider Berliner Beamter sich für all das nicht interessiert. Er hatte alle Hände voll damit zu tun gehabt, der Unterwelt Paroli zu bieten. «Warum sollte ich das tun?», fragte Kappe nun laut.

      Niederzier schob die Unterlippe vor und wiegte den Kopf hin und her. «Weil saubere Polizeiarbeit gefordert ist, von unseren besten Leuten.»

      «Ich kenne mich in diesem Bereich der Kriminalität nicht aus», wehrte Kappe ab.

      «Gewaltbereite Nazis sind Verbrecher wie andere auch. Otto, du musst das machen!», sagte Strattmann. Dann wandte er sich zum Kriminaldirektor. «Herr Kappe ist unsere erste Wahl. Ich bin gerne bereit, ihm den Rücken freizuhalten. Aber die Leitung sollte er übernehmen. Er ist erfahren, hat einen guten Instinkt, wird überall geschätzt, und er kann sich durchsetzen.»

      «Das sehe ich auch so», meinte Kriminalrat Keunitz. «Er kann das.»

      «Ich habe mir so etwas schon

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