Lobbyland. Marco Bülow

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Lobbyland - Marco Bülow

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wenn Handeln bedeutet, dass auch die wirklich Wohlhabenden und Mächtigen davon beeinflusst werden. Die jetzige Politik orientiert sich an der Vergangenheit, nicht an der Zukunft, und ist die Umkehrung von for the many, not the few.

      Das Wort »Krise« leitet sich vom griechischen Wort krísis ab und bezeichnet nicht nur eine bedenkliche Lage. Was viele nicht wissen, es bedeutet auch »Wendepunkt«. An genau so einem Wendepunkt stehen wir. Beugen wir uns den Risiken oder nutzen wir die Chance, wenden wir das Blatt?

      Viele aufmunternde Reden und Schriften würden an dieser Stelle ergänzen, es liege nur an uns, und es sei nicht schwer, wenn man nur wolle. Doch es ist schwer. Und es ist weder mit einigen tollen neuen Technologien getan noch mit einem zartgrünen oder blassroten Anstrich, noch mit dem Engagement einer ganzen Generation, welches sich dann irgendwann in den Parteien niederschlägt und dort auch weitestgehend verebbt. Nein, das ganze verkrustete, lobbyierte politische System muss gesprengt werden, damit wirklich gehandelt werden kann. Man muss sich mit den wirklichen Mächtigen anlegen. Und nein, es geht nicht, ohne jemandem weh zu tun, ohne dass jemand verliert. Kein Update oder eine kleine Reform der Demokratie reicht dafür aus, wie zum Beispiel ein Lobbyregister, ein wenig Bürgerbeteiligung, etwas modernere Parteien … Die Fassaden müssen eingerissen und die Demokratie einschließlich des Wirtschaftssystems demokratisiert werden. Sie gehört auch den nächsten Generationen. Freiheit und Sicherheit ­­bewahren wir für unsere Kinder nur, wenn wir ihre Lebensgrundlagen nicht einschränken oder gar zerstören.

      Wie sieht es hinter der politischen Fassade wirklich aus? Wie dämmen wir den Profitlobbyismus ein? Wie schaffen wir wieder mehr Teilhabe? Wie befreien wir uns davon, dass wir hauptsächlich zu Arbeitskräften, Konsumentinnen und Teilzeitwählerinnen degradiert wurden? Wie verändern, revolutionieren wir unsere Demokratie – damit wir die wirklichen Krisen bewältigen können? Darum soll es in diesem Buch gehen.

      Ein Tag mit Philipp A

      Ich habe es geschafft. Der endgültige Durchbruch. Was für ein Deal. Ich stehe vor der Frontseite des Reichstags. Wenig los gerade und eigentlich bin ich nie am Haupteingang, sondern schlüpfe durch die Seiteneingänge, aber gerade genieße ich etwas die Stimmung. Vor dem Hohen Haus. Alles wird laufen wie immer. Ich sehe die kleinen Menschen durch die gläserne Kuppel, wie sie dort weit weg, auch von oben den Bundestag besichtigen. Alles so transparent … da muss ich lächeln. Sollen sie das ruhig denken – sie haben ja keine Ahnung. So aber jetzt zum Seiteneingang zur Limousine und auf zum nächsten Autokonzern.

      Mann, es gab eine Zeit, da sind auch die Chefetagen zu uns in die Ministerien gekommen. Aber diese ständigen, blöden Anfragen von wahrscheinlich neidischen Abgeordneten zu Gesprächsterminen, sollen dann ja immer entlarven, wie, wie viel und wie einseitig wir mit einigen Lobbys sprechen. Na und. Sie denken, sie wären so klug, dabei müssen wir uns einfach nur woanders treffen. Daran ändert das Lobbyregister von 2021 so gar nichts. Aber das Gewissen ist beruhigt, und alle halten wieder die Klappe. Die Sozen feiern sich dafür so ab, dabei wissen sie ja genau wie wir, dass es nichts verändert. Na gut, es wurde gejammert, dass wir uns viel mehr mit den wichtigen Unternehmensvertreterinnen, als mit Ökos und sozialen Gleichmachern treffen. Aber hallo, wer bezahlt denn die Zeche und bringt alles zum Laufen?

      Nach der kurzen Diskussion ist jetzt wieder alles wie vorher. Scheiß Doppelmoral bei diesen angeblichen Mitte-links-Parteien. Schön ihrer Basis und der Öffentlichkeit Moral vortäuschen, aber die Fleischtöpfe dann auch nicht verschmähen. Darf halt nur nicht so aussehen. Ja gut, auch bei uns wird immer mehr auf den Schein geachtet. Jetzt laden wir schon zu einem Autogipfel, bei dem wir von Verkehrswende sprechen. Der Umstieg dauert aber nun mal etwas, und diesen Alarmismus der Klimaleute kann ich nicht mehr hören. Alle fahren doch gern Auto. Alle lieben deutsche Autos, gerade weil sie schnell sind. Natürlich verbrauchen sie dann viel. Die Schlacht steht in Europa gerade bevor, und da muss Deutschland stark bleiben, und dafür bin ich der Richtige.

      Ich steige in den Wagen. Sogar an unsere Limousinen wollen sie ran, als wenn das was verändern würde. Symbolpolitik. Symbole werde ich jetzt setzen bei dem Treffen. Meine Tage als Abgeordneter und Staatsekretär sind ja gezählt. Danach werde ich zwar immer noch das machen, was ich sowieso jetzt schon hauptsächlich mache, aber dann ohne die jämmerliche Kontrolle der selbsternannten Investigativjournalistinnen und der ewigen Gutmenschen. Klar, sie werden kurz zetern, Abgeordnetenwatch und Lobbycontrol sagen: böse, böse … aber das ist mir jetzt so was von egal. Meine Noch-Kolleginnen sind dagegen höchstens neidisch. Und die Chance noch mal Kanzler zu werden, habe ich immer noch. Merz mal richtig zeigen, wie das funktioniert mit der Rückkehr aus der Wirtschaft in die Politik.

      Das Gespräch war wie vorhergesehen. Die Pflicht halt und viele nette Worte. Hätte es doch wenigstens was Nettes zu essen gegeben. Mein Fahrer bringt mich zurück, heute mal bitte nicht wieder einen Smalltalk über die Hertha. Ich spiele am Handy rum. Foto bei Insta veröffentlicht, wo ich richtig wichtig aussehe. Die Likes boomen am meisten bei Posts ohne Inhalt. Lustig, die Warnungen vor der Privatisierung der Politik. Die ist doch längst vollendet. Es zählt, wie man sich verkauft, sich inszeniert. Die wichtigen Medien spielen ja alle mit. Die haben mich schon von Anfang an promotet, auch wenn sie es anders nennen würden. Wegen jedem Mist wurde ich gefragt, auch als ich noch so gar nichts zu sagen hatte. Alles ist eine Frage der Werbung und des Geldes.

      Ein Anruf aus Brüssel. Es läuft. Wir sind uns alle einig, dass die EU-Richtlinie zum viel zu nahen Verbot der Herstellung von Verbrennungsmotoren gestoppt werden muss. Volle ­Offensive. Die haben sie doch nicht alle. Wir haben die EU durchsetzt mit Lobbyisten, aber dann kommen doch immer mal solche Aufschläge. Klar, meist sind es gewissensberuhigende Maßnahmen, Zielerklärungen ohne Bindung oder Ankündigungen, um Zeit zu gewinnen. Aber dann entsteht doch manchmal so was wie ein Handlungsdruck. War auch so, als die Klimaspinnerjugend auf der Straße mega gehypt wurden. Dazu neben der immer tiefer fallenden SPD eine strauchelnde Union. Wir fingen an uns zu rechtfertigen, alles wurde ein Zeitspiel, auch weil die Lobby ’ne Zeit brauchte, um warm zu laufen. Dann kam Corona, und wir hatten alle Zeit und alle Zeichen auf un­serer Seite.

      Jetzt ist wieder Druck von außen im Kessel, aber die Lobbymaschinerie läuft schneller. Die Kooperative Soziale Neue Marktwirtschaft ist mit einer fetten Kampagne dabei. Sie sind an zahlreichen Politikern und Promis dran. Sehr zuverlässig. Sie haben gute geschulte Leute. Ihr Einfluss reicht bis weit in die Grünen und die SPD hinein. Ihr Umfeld und ihre Kontakte über die atlantische Gruppe bis hin zum Kreml sind aber immer noch da. Die Klimabewegung ist wieder stärker geworden, aber agiert immer ohnmächtiger. Sie ­hatten gedacht, wenn sie ein paar Posten in einigen Parteien bekommen, werden sie alles verändern. So naiv. Sie werden vom System geschluckt und ausgespuckt. Die Schlaueren spielen mit, und dafür bekommen sie dann auch mal ein Spielzeug oder einen Pyrrhussieg in einer Nebenfrage.

      Zugegeben, die Klimaveränderungen werden immer dramatischer, aber immer sollen es die Konzerne richten. Und wenn es schon darum geht, der Fußabdruck der grünen Klientel ist doch am größten. Sie haben große Häuser, reisen viel, kaufen viel. Im Bundestag sind gerade die Grünen die Vielflieger, und außer den drei Ökos, die symbolisch mit dem Rad kommen, drängeln sie sich gern in die Limousinen. Ich habe nichts dagegen, wenn wir bei den Technologien etwas grüner und effizienter werden. Damit kann auch viel Geld verdient werden. Ok auch beim Verkehr. Tesla zeigt es schon lange. Diskutiert ja zum Glück keiner, wieviel Energie und Materialien die Herstellung seiner Autos kosten. Aber auch immer dieses Getue, als wenn das Klima allein von den Autos abhängt. Gut, der Andi, der hat damals wirklich eine miserable Figur abgegeben. Aber er ist sich treu geblieben, während der Markus immer mal wieder auf Öko tut. Wir leisten unseren Beitrag, aber diese Vorlage wird verhindert. Hier geht es um viel mehr.

      Ich bin im Büro angekommen. Endlich einen guten Kaffee. Nein, die Postmappe ist zu dick. Beantwortet das meiste ohne mich, ihr wisst doch, was ich will, raunze ich vielleicht etwas zu streng meinen Mitarbeiter an. Ich werde auch noch mit meinem Team anstoßen, aber sag es ihnen erst die Tage. Bin in Gedanken immer noch bei meinem neuen Job. Ich

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