Lobbyland. Marco Bülow
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Heute Abend gibt es ’ne Party. Lustig, wenn ich an meine Anfangsphase im Bundestag zurückdenke, als sie noch Stress gemacht haben, weil ich auf Kosten von Lobbyisten ein wenig gefeiert habe und gereist bin. Als wenn diejenigen, die die Chance bekommen, sie nicht auch nutzen würden. Dafür arbeite ich hart genug. Ohne die dämlichen Korruptionsfälle hätte da eh keiner mehr drüber gesprochen. Da sind wir dann ja kurzzeitig mal verweichlicht. Aber wo Mittel sind …
Ein Kollege aus dem Landtag ruft mich an. Beglückwünscht mich zu meinem künftigen Job als oberster Lobbyist. Na, da ändert sich bei dir ja fast nichts, feixt er. Dann wird seine Stimme ernst. War ja fast knapp, sagt er. Ach Quatsch, sage ich. Ja, es sah eine Zeit so aus, als würde es im Bundestag zu einer ungewöhnlichen Woche kommen. Nach zig Anläufen hatte es eine Petition wirklich mal geschafft, größeres Aufsehen zu erlangen, und daraus ist ein Gruppenantrag geworden. Beides eigentlich unmöglich. Petitionen an den Bundestag sind Beruhigungspillen. Nur wenige schaffen es in den Petitionsausschuss, und die werden dann halt dort erster Klasse beerdigt. Oder es gibt mal selten eine Empfehlung zu einem Aspekt. Eine Empfehlung, die sich gut anhört, aber dann eigentlich nie in ein Gesetz fließt. Und Gruppenanträge gibt es auch nur sehr selten und scheitern dann auch am Fraktionszwang und unseren Spielregeln.
Wo kommen wir da hin, wenn Abgeordnete selbstständig denken, machen, was sie wollen, und sogar mit Abgeordneten aus anderen Parteien ins Bett gehen, statt sich an die Regeln zu halten.
Glücklicherweise sehen das dann doch eigentlich alle Fraktionen gleich, und deshalb schert da fast niemand aus, und wenn, bekommt sie Stress. Auf jeden Fall kommen eigentlich nie die für einen Gruppenantrag nötigen fünf Prozent Abgeordneten zusammen. Diesmal bekam die Petition zur Einrichtung eines Bürgerinnenrats, der über die Größe des Bundestags, die Vergünstigungen und Privilegien der Abgeordneten verhandeln sollte, sehr viel Zulauf und Öffentlichkeit. So viel, dass sich diesmal sogar einige verrückte Abgeordnete zusammengeschlossen und bei ihren Kolleginnen getrommelt haben. Natürlich wäre niemals durchgekommen, dass die Beschlüsse eines solchen Bürgerinnenrats bindend wären, aber als Symbol und Beruhigung fand die Sache immer mehr Anhänger. So ein Blödsinn.
Volkes Wille? Wohin hat uns das schon mal geführt? Die oberste Regel ist und bleibt: Wir bestimmen unsere Regeln selbst. Regel Zwei: Wir geben uns fast keine Regeln – erlaubt ist, was geht. Einiges muss man halt geschickt machen. Volkes Stimme? Sie können doch wählen. Das funktioniert … meistens. Für den komplizierten Rest sind die meisten eh zu dumm. Ok, auch die Abgeordneten, wie man jetzt wieder sieht. Aber genau deshalb haben sie ja eigentlich nichts mehr zu sagen. Es bestimmen einige wenige in der Regierung, mit einigen wenigen in den Konzernzentralen und einigen wenigen, wie mich, die erfolgreich dazwischen vermitteln. Der Rest folgt, und wer nicht mitmacht, ist raus. So läuft das Spiel.
Also beruhige dich, Kollege, selbst wenn, hätte es nicht viel angerichtet. Am Ende knicken sie immer ein. Die Sozen zuerst, wie üblich. Die wenigen aus unserem Laden waren nur dabei, weil sie der Spitze eins auswischen wollten. Aber die kann man einschüchtern oder einkaufen. Haha, musste kurz auflachen. Ich muss Schluss machen, habe noch einige Gespräche, habe ja für meine Nachfolge noch einiges zu arrangieren.
Der Tag von Philipp ist nicht langweilig, und man kann sich ausmalen, wie es weiter geht. Natürlich spielt er in einer nicht so fernen fiktiven Zukunft. Alles übertrieben? Nein, alles hat es so oder so ähnlich schon gegeben. Allein mit den Gesprächen, die ich schon gehört habe, könnte ich Bücher füllen. Und wie heißt es so schön am Ende eines Filmabspanns: Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig. Aber hier werden sie bewusst in Kauf genommen. ;)
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