Offen gesagt. Tassilo Wallentin

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Offen gesagt - Tassilo Wallentin

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bezweifle, dann stellt sich die Frage, welchen Preis wir dafür zahlen: Denn mit der Abschaffung des Bargeldes ist die Anonymität nicht mehr gegeben. Alle Kontobewegungen und damit das Leben jedes Einzelnen wären weltweit jederzeit überwachbar. Der psychotische Albtraum vom vollständig überwachten, durchleuchteten und damit gläsernen Menschen würde Realität. Zugriff auf unsere Daten hätten Geheimdienste, Staaten, Konzerne, Hacker und all jene, die mit Informationen über uns und unsere Kaufgewohnheit Milliarden verdienen. Mit der völligen Offenlegung unserer Persönlichkeitsstruktur wäre unserer Manipulation keine Grenze mehr gesetzt. Dieses Einmaleins gehört zum Grundwissen jeder Sekte und jedes Geheimdienstes. Und unterschätzen Sie bitte nicht die Möglichkeit, in das Fadenkreuz eines Geheimdienstes zu gelangen. Es reicht bereits aus, dass man über Sie an eine dritte Person oder irgendwelche (für Sie belanglos erscheinenden) Informationen gelangen will. Zudem könnte einem Bürger, der dem von der Gesellschaft oder der Politik vorgegebenen Verhalten nicht entspricht, mit der – leider auch „versehentlichen“ – Kartensperre die Existenzgrundlage entzogen werden. Er wäre nicht einmal mehr in der Lage, sich etwas zu erbetteln. Und wie schnell Konten aus politischen Gründen gesperrt werden können, zeigt die Ukraine-Krise. Von den Hackerangriffen auf elektronische Zahlungs- und Datensysteme spreche ich erst gar nicht. Allein die computergestützten Betrugsfälle in Schweden, dem Land, in dem das Bargeld schon fast zu Gänze abgeschafft ist, haben sich von etwa 3.300 auf über 20.000 jährlich erhöht.

      Es waren wohl Überlegungen wie diese, über das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit, die John William Ward zu folgender Aussage veranlassten: „Ich will lieber, dass alle drei bis vier Jahre ein halb Dutzend Menschen in Ratcliffe Road erwürgt werden, als dass ich den Haussuchungen, der Spionage und all den anderen Machenschaften Fouchés

       ausgesetzt bin.“ [Joseph Fouché war ein Politiker während der Französischen Revolution und Polizeiminister in der Kaiserzeit und der Restauration. Er galt als äußerst brutal und rücksichtslos und etablierte einen Überwachungsstaat].

      Den Krieg führen aber eben auch die eingangs erwähnten Kreditkartenunternehmen und Banken. Anders als Staaten und Institutionen wollen sie die Abschaffung nicht mit Gesetzen, sondern mit Werbemitteln erreichen. Flankiert von der EZB, dem IWF, der OECD, der EU und hochstehenden Persönlichkeiten aus den USA (dem Heimatland der weltgrößten Kreditkartenunternehmen wie American Express, Master Card, Visa etc.) haben die Kreditkartenunternehmen mittels Werbekampagnen mit zigmillionen Euro einen groß angelegten Angriff auf das Bargeld gestartet. Man gibt sich besonders jugendlich und modern und wirbt mit plumpen Slogans wie: „Bargeld braucht nur noch meine Oma und ein Bankräuber“ oder „Wo es kein Bargeld gibt, gibt es keine Räuber“. Als ob Räuber nur Bargeld rauben wollten. Bargeld wird gezielt als altmodisch und dessen Verwender werden als dümmlich hingestellt. So wird der bargeldlose Zahlungsverkehr als „Smartcash“ bezeichnet, um zu suggerieren, dass Bargeld „dummes Geld“ sei.

      Streckenweise bedienen sich die Banken und Kreditkartenfirmen auch geradezu abenteuerlicher Begründungen: Master Card ließ vor einem Jahr in einer Studie untersuchen wie dreckig und ungesund Bargeld sei; Wissenschaftler der Universität Oxford wollen gar herausgefunden haben, dass sich auf einer durchschnittlichen Banknote etwa 26.000 potenziell gesundheitsschädliche Bakterien tummeln, sich aber nur jeder fünfte Bürger nach dem Kontakt mit den Geldscheinen die Hand wäscht. In Italien unterstützen Kreditkartenfirmen gar einen „No Cash-Day“.

      An der Spitze dieser Anti-Bargeld Bewegung steht der ehemalige ABBA-Sänger Björn Ulvaeus, der behauptet, fast ein Jahr ohne Bargeld gelebt zu haben und nun zum Bargeldboykott aufruft. Sein Sohn sei zu Hause fünfmal überfallen worden und das wäre nicht passiert, wenn es kein Bargeld geben würde. Peinlich für Herrn Ulvaeus war allerdings, dass sich unlängst herausgestellt hat, dass eine Kreditkartenfirma sein Museum finanziert.

      In Europa ist die Heimat des ABBA-Sängers, Schweden, tatsächlich Vorreiter in der Bargeldabschaffung. Immer mehr Bankfilialen verweigern die Auszahlung und haben sich vom Geldtransfer verabschiedet. Im Bus nehmen Fahrer kein Bargeld, in Kirchen gibt es statt Klingelbeutel nur noch Kartenlesegeräte. Damit ausgestattet sind auch Würstchenbuden, Kioske und Bettler.

      Doch gerade erst vor wenigen Monaten schlug ausgerechnet die Schwedische Notenbank Alarm und warnte vor dem Chaos im Krisenfall und forderte sofortige Strategien, um einer plötzlich wieder steigenden Nachfrage nach Bargeld begegnen zu können. So ganz sicher ist man sich in Schweden also doch nicht mehr, was die Abschaffung des Bargeldes betrifft. In Deutschland wird diese ebenfalls vorangetrieben. Die Terminals für Kartenlesegeräte im Handel wurden von 35.000 auf 300.000 aufgestockt. Es ist auch nicht mehr möglich, seinen Rundfunkbeitrag in bar oder mittels Scheck einzuzahlen. Das ist besonders perfide, denn welcher Durchschnittsbürger will schon auf das geliebte Fernsehen verzichten.

      Mit der Abschaffung des Bargeldes übernehmen letztlich Finanz-Eliten wie „systemrelevante“ Banken und Organisationen das Regieren und damit die Staatssouveränität. Sie schalten die Politik mit ihren eigenen Interessen gleich. Das ist immer auch das Ende der reinen Politik und wahrscheinlich die einzig gültige Definition von Kapitalismus: nicht die Ansammlung von Reichtum bei wenigen, sondern die Übernahme der Politik durch „Finanz-Eliten“. Ohne Bargeld könnten wir über unseren Konsum nicht mehr selbst entscheiden. Die freie Volkswirtschaft wäre abgeschafft. Zudem ließen sich die Rettung von Pleitebanken und Zwangsabgaben über Nacht mit unseren Ersparnissen durchziehen. Der Bürger als Zwangs-Bankkunde sieht dann am folgenden Morgen, dass sein Konto belastet wurde. Denken Sie nur an die derzeitige Diskussion mit den Vermögenssteuern. Man könnte ohne weiteres nach den Wahlen einfach ein paar Prozent von den Konten abbuchen. Zypern war diesbezüglich nur ein Probelauf. Dort hat man das Geld der Kunden einfach in Eigenkapital umgewandelt. Das Experiment war erfolgreich, da die Revolution ausgeblieben ist. Hierzu gab es ein bemerkenswertes Interview des zypriotischen Botschafters in Berlin, der ausführte, dass es fast ein halbes Dutzend bessere Lösungen gegeben hat, als die Zwangsenteignung der Sparer, aber die Politik hier einen Probegang einlegen wollte.

      Letztlich ermöglicht man mit der Abschaffung des Bargeldes die Fortsetzung der falschen Fiskal- und Schuldenpolitik. Diese würde dann mit den Ersparnissen der Menschen fortgesetzt, anstatt längst überfällige Strukturreformen durchzuziehen. Bei der zuvor erwähnten „Schuldensteuer“, also der 10 %igen Zwangsabgabe auf Sparguthaben, ging es dem IWF übrigens sogar hochoffiziell nicht um die Ankurbelung der Wirtschaft, sondern um die Bedienung des Schuldendienstes. Das hat für den IWF den Vorteil, dass mit unseren Ersparnissen auch jene Schulden zurückbezahlt werden, die die Krisenländer beim IWF haben. Den unerträglichen, psychotischen Albtraum des gläsernen Menschen habe ich schon ausführlich erwähnt. Aus diesem Grund müssen sich die Nationalbank und unsere Regierung gerade dazu bekennen, dass auch in Zukunft Bargeld, Budgetkonsolidierung und Strukturreform die einzigen Mittel zur Sanierung von Volkswirtschaften sind.

      REGULIERUNGSWAHN

      Schon Tacitus sagte einst, dass es „im verdorbensten Staat die meisten Gesetze gibt“ – oder anders, in Anlehnung an Karl Kraus ausgedrückt: „Wenn die Sonne der Moral tief steht, dann steigt die Anzahl der Gesetzesregeln“.

      Wir haben es historisch mit einer fast einmaligen Gesetzesflut und Überregulierung zu tun. Das ist kein Zufall, sondern ein Angriff auf die Freiheit und Selbstbestimmung der Menschen. Es sind verlässliche Zeichen des herauf dämmernden Obrigkeitsstaates. Es ist zudem eine historisch-stringente Entwicklung, die meines Erachtens drei Hauptursachen hat:

      1. Das neue Selbstverständnis der EU, das zum Teil aus der Finanzkrise entstanden ist. Weg von nationalstaatlicher Souveränität und hin zur Vereinheitlichung, Schuldenunion und geldpolitischen Planwirtschaft. Diese Entwicklung sehen wir am deutlichsten in der Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB), auf die ich noch zurückkommen werde. Vorerst denken Sie bitte an Stichworte wie Niedrig-Zins-Politik, Abschaffung des Bargeldes und eigenmächtiger Zukauf von Schulden und Schrottpapieren auf Risiko und Kosten der europäischen Steuerzahler, Lobbyismus in der EU und damit die Art und Weise der

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