Waldheimat. Peter Rosegger

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Waldheimat - Peter  Rosegger

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der Wind zwischen den Beinen durch und davon. Er eilt und hüpft hinab, viel schneller wie ein Reh vor dem Jagdhunde – er fährt über den Hang, setzt hoch über den Rain in die Talweide hinab, wo er meinen Augen entschwindet.

      Bin dagestanden wie ein Klotz und hab’ gemeint, ich müßt’ umfallen vor Schreck und auch hinabkugeln gegen das Tal. Ich ging eine Weile hin und her, auf und ab, und da ich den Laib nirgends sah, schlich ich kopfhängerisch davon und ins Haus der Knierutscherin.

      Da brannte freilich ein schönes großes Feuer auf dem Herde.

      „Was willst denn, Peterl?“ fragte die Knierutscherin freundlich.

      „Bei uns“, stotterte ich, „ist das Feuer ausgangen, wir mögen uns nichts kochen, und so laßt meine Mutter schön bitten um ein Haferl Glut, und sie tät’ es schon fleißig wieder zurückstellen.“

      „Ihr Närrlein, ihr, wer wird denn so ein paar Kohlen zurückstellen!“ rief die Knierutscherin und schürte mit der Feuerzange Glut in einen alten Topf; „da seh’, ich laß deiner Mutter sagen, sie soll nur schön anheizen und dir einen recht guten Sterz kochen. Aber schau, Peterl, daß dir der Wind nicht hineinblast, sonst tragt er die Funken auf das Dach hinauf. So, jetzt geh’ nur in Gottesnamen!“ So gütig war sie mit mir, und ich hatte ihr den Brotlaib verscherzt. Des drückt mich das Gewissen heute noch hart.

      Als ich endlich mit dem Feuertopfe zurück gegen unser Haus kam, war ich höchlich überrascht, denn da sah ich aus dem Rauchfange bereits einen blauen Rauch hervorsteigen.

      „Dich soll man um den Tod schicken und nicht um Feuer!“ rief die Mutter, als ich eintrat; dabei wirtete sie um das lustige Herdfeuer herum und sah mich gar nicht an. Meine kaum mehr knisternden Kohlen waren armselig gegen dieses Feuer; ich stellte den Topf betrübt in einen Winkel des Herdes und schlich davon. Ich war viel zu lange ausgewesen; da war zum Glück der Vetter Jok von der Talweide heimgekommen, und der hatte ein Brennglas, das er in der Sonne über einen Zunder hielt, bis derselbe glimmte. Und jetzt war mir die verlästerte Sonne doch noch zuvorgekommen mit dem Suppenfeuer. Ich war sehr beschämt und vermag es heute noch nicht, der Wohltäterin offen in das Angesicht zu blicken.

      Ich schlich in die Vorlauben. Dort sah ich den Vetter kauern mit seinem langen, grauen, rotverblümten Pelz und mit seinem grauen Haupt. Und als ich näher kam, da sah ich, warum er hier so kauerte. Das schneeweiße Zicklein lag vor ihm und streckte seinen Kopf und seine Füße von sich, und der Vetter Jok zog ihm die Haut ab.

      Sogleich hub ich laut zu weinen an. Der Vetter erhob sich, nahm mich bei der Hand und sagte:

      „Da liegt es und schaut dich an!“

      Und das Zicklein starrte mir mit seinen verglasten Augen wirklich schnurgerade in das Gesicht. Und doch war es tot.

      „Peterl!“ lispelte der Vetter ernsthaft, „die Mutter hat der Knierutscherin einen Brotlaib geschickt.“

      „Ja“, schluchzte ich, „und der ist mir davongegangen, hinab über die Lehnten.“

      „Weil du’s eingestehst, Bübel“, sagte der Vetter Jok, „so will ich die Sach’ schon machen, daß dir nichts geschieht. Ich hab’ zu der Mutter gesagt, ein Stein oder so was wär’ herabgefahren und hätt’ das Zicklein erschlagen. Hab’ mir’s im geheim gleich gedacht: das Peterl steckt dahinter. Dein Brotlaib ist schier in den Lüften dahergekommen nieder über den Rain, an mir vorbei, dem Zicklein zu, hat es just am Kopf getroffen – ist das Dingel hingetorkelt und gleich maustot gewesen. – Aber – fürcht’ dich nicht, es bleibt beim Stein. Mit der Knierutscherin werd’ ich’s auch abmachen, und jetzt sei still, Bübel, und zerr’ mir das Gesicht nicht so garstig auseinander. Auf die Nacht essen wir das Tierlein, und die Mutter kocht uns eine Krennsuppe dazu.“

      – So ist das Zicklein gestorben. Meine Geschwister erzählten mir, ein böser Stein habe es erschlagen.

      Die Mutter hatte mir zuliebe meine Kohlen zum Herdfeuer geschüttet, und bei diesem Feuer wurde das Zicklein gebraten.

      Dem Vetter Jok war es vermeint gewesen; nun sollte er davon den Braten haben. Aber er rief uns alle zu Tisch und legte uns die besten Bissen vor. Mir hat der meine nicht gemundet.

      Am anderen Morgen bewaffnete sich das Jackerl mit einem Knittel, ging damit dem Vetter nach auf die Talweide und wollte den Stein sehen, der das Zicklein erschlug. „Kind“, sagte der Vetter Jok und kaute angelegentlich am Pfeifchen, „der ist weiter gekugelt, über den rinnt das Wasser.“

      Der gute, alte Mann! Was half dein Plauschen! Mir auf dem Herzen lag der Stein, „der das Zicklein erschlagen“.

       DREIHUNDERTVIERUNDSECHZIG UND EINE NACHT

      Mein Vater hatte vier große Ziegen im Stalle stehen, so wie er vier Kinder hatte, welche zu den ersteren stets in freundschaftlicher Beziehung standen. Jede der Ziegen hatte ihren kleinen Futterbarren, aus dem sie Heu und Klee fraß, während wir sie molken. Keine einzige gab die Milch am leeren Barren. Die Ziegen hießen Zitzerl, Zutzerl, Zeitzerl und Heitzerl und waren, einer schönen Schenkung zufolge, das Eigentum von uns Kindern. Das Zitzerl und das Zutzerl gehörten meinen zwei Schwesterchen; das Zeitzerl meinem achtjährigen Bruder Jackerl, das Heitzerl war mein!

      Jedes von uns pflegte und hütete sein ihm zugeteiltes Gespons in Treue; die Milch aber taten wir zusammen in einen Topf, die Mutter kochte sie, der Vater schenkte uns dazu die Brotschnitten – und Gott der Herr den Hunger.

      Und wenn wir so mit den breiten Holzlöffeln, die unser Oheim geschnitzt hatte, und die ihrer Ausdehnung wegen fürs erste kaum in den Mund hinein, fürs zweite kaum aus demselben herauszubringen waren, unser Nachtmahl ausgeschaufelt hatten, so nahmen wir jedes unseren Roßhaarkotzen und legten uns, eins wie’s andere, in den Futterbarren der Ziegen. Das waren eine Zeitlang unsere Betten, und die lieben Tiere befächelten uns mit ihren weichen Bärten die Wangen und beleckten uns die Näschen.

      Aber, wie wir Kindlein auch in der Krippe lagen, so kam das Einschlafen auch nicht just immer nach dem ersten Lecken. Ich hatte von unserer Ahne wundersame Geschichten und Märchen im Kopfe.

      Die erzählte ich nun in solchen Abendstunden, und meine Geschwister waren darüber glückselig, und die Ziegen hörten auch nicht ungern zu; nur daß diese dann und wann, wenn ihnen das Ding gar zu unglaublich vorkam, so ein wenig vor sich hinmeckerten oder mit den Hörnern ungeduldig an den Barren pufften. Einmal, als ich von der Habergeiß erzählte, die, wenn sie um Mitternacht auf dem Felde schreit, den Haber (Hafer) schwarz macht, und die nichts frißt, als die grauen Bärte alter Kohlenbrenner, da begann mein Heitzerl dermaßen zu meckern, daß die anderen drei auch mit einstimmten, bis meine Geschwister schließlich in ein Gelächter ausbrachen, und ich wie ein überwiesener Aufschneider erbärmlich schweigen mußte.

      Von derselben Zeit an erzählte ich meinen Schlafgenossen lange keine Geschichten, und ich nahm mir vor, mit dem Heitzerl mein Lebtag kein Wort mehr zu reden.

      Da kam der Sonnwendtag. An diesem Tage kochte uns die Mutter den üblichen Eierkuchen, mein liebstes Essen auf der Welt. In diesem Jahre aber hatte uns der Geier die beste Leghenne geholt, so wollte sich das Eierkörblein nicht mehr füllen und als am Sonnwendtag der Kuchen kam, war er ein gar kleinwinzig Küchlein. Wehmütig lugte ich hin auf den Holzteller.

      Mein fünfjährig Schwesterchen guckte mich an, und wie wenn es meine Sehnsucht wahrgenommen hätte, rief es plötzlich: „Du, Peterl, du! wenn du uns ein ganzes Jahr in jeder Nacht eine Geschichte erzählen magst, so schenk’ ich dir meinen Teil von dem Kuchen!“

      Dieser

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