Waldheimat. Peter Rosegger

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Waldheimat - Peter  Rosegger

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auf dem Bette. Das Weib zündete die Sterbekerze an.

      „Das nicht, Anna, das nicht“, murmelte er, „ein wenig später. Aber einen Schluck Wasser gibst mir, gelt?“

      Nach dem Trinken sagte er: „So, das frisch’ Wasser ist halt doch wohl gut. Gebt mir recht auf den Brunnen Obacht. Ja, und daß ich nicht vergess’, die schwarz’ Hosen legst mir an, und das blau’ Jöppel, weißt, und draußen hinter der Tür, wo die Sägen hängen, lehnt das Hobelbrett, das leg’ über den Schleifstock und die Drehbank; für drei Tag’ wird’s wohl halten. Morgen früh, wenn der Holzjodel kommt, der hilft mich schon hinauslegen. Schau aber fein gut, daß die Katz’ nicht dazu kommt; die Katzen gehen los und schmecken’s gleich, wenn wo eine Leich’ ist. Was unten bei der Pfarrkirche mit mir geschehen soll, das weißt schon selber. Nicht zu lang’ bimmeln (läuten); kostet Geld und hilft nicht viel. Meinen braunen Lodenrock und den breiten Hut schenk’ den Armen. Dem Peter magst auch was geben, daß er heraufgegangen ist. Vielleicht ist er so gut, und liest morgen beim Leichwachen was vor. Es wird ein schöner Tag sein morgen, aber geh’ nicht zu weit fort von heim, es möcht’ ein Unglück geschehen, wenn draußen in der Lauben das Licht brennt – Nachher, Anna, such’ da im Bettstroh nach; wirst einen Strumpf finden, sind etlich’ Zwanziger drin.“

      „Seppel, streng’ dich nicht so an im Reden“, schluchzte das Weib.

      „Wohl, wohl, Anna – aber aussagen muß ich’s doch. Jetzt werden wir wohl nicht mehr lang’ beisammen sein. Wir haben uns zwanzig Jahre gehabt, Anna. Mußt nicht weinen, Anna, mußt nicht weinen, du bist mein alles gewesen; kein Mensch kann dir’s vergelten, was du mir bist gewesen. Das vergess’ ich dir nicht im Tod und nicht im Himmel. Mich gefreut’s nur, daß ich in der letzten Stund’ noch was mit dir reden kann, und daß ich gleichwohl soviel bei Verstand bin.“

      „– Stirb doch nicht gar hart, Seppel“, hauchte das Weib und beugte sich über sein Antlitz.

      „Nein“, antwortete er ruhig, „bei mir ist’s so, wie bei meinem Vater: leicht gelebt und leicht gestorben. Sei nur auch du so und leg’ dir’s nicht schwer. Wenn wir nun auch wieder jedes allein ankommen, zusammen gehören wir gleichwohl noch und ich heb’ dir schon ein Platzel auf im Himmel, gleim (nahe) an meiner Seit’, Anna, gleim an meiner Seit’. Nur das tu’ um Gottes willen, die Kinder zieh’ gut auf.“

      Die Kinder ruhten. Es ward still und mir war, als hörte ich irgendwo in der Stube ein leises Schnurren und Spinnen. –

      Plötzlich rief der Sepp: „Anna, jetzt zünd’ die Kerzen an!“

      Das Weib rannte in der Stube herum und suchte nach Feuerzeug; und es brannte ja doch der Span. – „Jetzt hebt er an zu sterben!“ wimmerte sie. Als aber die rote Wachskerze brannte, als sie ihm dieselbe in die Hand gab, als er den Wachsstock mit beiden Händen umfaßte und als sie das Weihwassergefäß vom Gesimse nahm, da wurde sie scheinbar ganz ruhig und betete laut: „Jesus, Maria, steht ihm bei! Ihr Heiligen Gottes, steht ihm bei in der höchsten Not, laßt seine Seele nicht verloren sein! Jesus, ich bete zu deinem allerheiligsten Leiden! Maria, ich rufe deine heiligen sieben Schmerzen an! Du, sein heiliger Schutzengel, wenn seine Seel’ vom Leib muß scheiden, führ’ sie ein zu den himmlischen Freuden!“

      Sie schluchzte und weinte nicht; sie war ganz die ergebene Beterin, die Fürbitterin.

      Endlich schwieg sie, beugte sich über das Haupt des Gatten, beobachtete sein schwaches Atemholen und hauchte: „So behüt’ dich Gott, Seppel, tu’ mir meine Eltern und unsere ganze Freundschaft (Verwandtschaft) grüßen in der Ewigkeit. Behüt’ dich Gott, mein lieber Mann! Die heiligen Engel geben dir das Geleit’ und der Herr Jesus mit seiner Gnad’ wartet schon deiner bei der himmlischen Tür.“

      Er hörte es vielleicht nicht mehr. Seine blassen, halboffenen Lippen gaben keine Antwort. Seine Augen sahen starr zur Stubendecke auf. Und aus den gefalteten Händen aufragend brannte die Wachskerze; sie flackerte nicht, still geruhsam und hell, wie eine schneeweiße Blütenknospe stand die Flamme empor – sein Atemzug bewegte sie nicht mehr.

      „– Jetzt ist er mir gestorben!“ rief das Weib aus, schrill und herzdurchdringend, dann sank sie nieder auf einen Schemel und begann kläglich zu weinen. Die wieder erwachenden Kinder weinten auch; nur das kleinste lächelte …

      Die Stunde lag auf uns wie ein Stein.

      Endlich richtete sich die Häuslerin – die Witwe – auf, trocknete ihre Tränen und legte zwei Finger auf die Augen des Toten.

      Die Wachskerze brannte, bis die Morgenröte aufging. Durch den Wald war ein Bote gegangen. Dann kam ein Holzarbeiter. Der besprengte den Toten mit Weihwasser und murmelte: „So rücken sie ein, einer nach dem anderen.“

      Dann taten sie dem Meisensepp festtägige Kleider an, trugen ihn hinaus in die Vorlauben und legten ihn auf das Brett.

      Das Buch ließ ich liegen auf dem Tisch für die Leichenwachen der nächsten Nächte, zu denen ich der Häuslerin das Lesen zugesagt hatte. Als ich fortgehen wollte, kam sie mit einem grünen Hut, auf welchem ein weit ausgebürsteter Gemsbart stak.

      „Willst den Hut mitnehmen für deinen Vater?“ fragte sie, „der Seppel hat deinen Vater gern gehabt. Den Gamsbart magst zum Andenken selber behalten. Bet’ einmal ein Vaterunser dafür.“

      Ich sagte meinen Dank, ich tat noch einen unsteten Blick gegen die Bahre hin; der Sepp lag lang gestreckt und hielt seine Hände über der Brust gefaltet. – Dann ging ich hinaus und abwärts durch den Wald. – Wie war’s licht und taufrisch, voll Vogelgesang, voll Blütenduft – voll Leben im Walde!

      Und in der Hütte, auf dem Bahrbrett lag ein toter Mensch.

      Ich kann die Nacht und den Morgen – das Sterben mitten in dem unendlichen Lebensquell des Waldes – nimmermehr vergessen. Auch besitze ich heute noch den Gemsbart zum Andenken an den Meisensepp.

      Wenn mich die Gier anpackt nach den Freuden der Welt, oder wenn mich die Zweifel überkommen an der Menschheit Gottesgnadentum, oder wenn mich gar die Angst will quälen vor meinem vielleicht noch fernen, vielleicht schon nahen Hingang – so stecke ich den Gemsbart des Sepp auf den Hut.

       WIE ICH DEM LIEBEN HERRGOTT MEIN SONNTAGSJÖPPL SCHENKTE

      In der Kirche zu Ratten steht links am Hochaltare eine fast lebensgroße Reiterstatue. Der Reiter auf dem Pferde ist ein stolzer Kriegsmann mit Helm und Busch und einem kohlschwarzen Schnurrbart. Er hat das breite Schwert gezogen und schneidet mit demselben seinen Mantel entzwei. Zu Füßen des sich bäumenden Rosses kauert eine Bettlergestalt in Lumpen.

      Als ich noch so ein nichtiger Knirps war, wie er einem ordentlichen Menschen kaum zum Hosensack emporgeht, führte mich meine Mutter gern in diese Kirche. In der Nähe der Kirche steht eine Marienkapelle, die sehr gnadenvoll ist und in welcher meine Mutter gern betete. Als oft kein Mensch sonst mehr in der Kapelle war, und vom Turme schon die Mittagsglocke in den heißen Sommersonntag hinausklang, kniete die Mutter immer noch in einem der Stühle und klagte Marien ihr Anliegen. Die „liebe Frau“ saß auf dem Altare, legte die Hand in den Schoß und bewegte weder den Kopf noch die Augen, noch die Hände.

      Ich hielt mich lieber in der großen Kirche auf und sah den schönen Reiter an.

      Und einmal, als wir auf dem Wege nach Hause waren und mich die Mutter an der Hand führte, und ich immer drei Schritte machen mußte, so oft sie einen tat, warf ich meinen kleinen Kopf auf zu ihrem guten Angesichte und fragte: „Zuweg steht denn der Reiter allfort auf der Wand

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