Aleister Crowley & die westliche Esoterik. Группа авторов

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Aleister Crowley & die westliche Esoterik - Группа авторов

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jedes Argument dafür, sich selbst weiterhin als gut und den Okkultismus als böse zu betrachten. Ironischerweise könnte die vorliegende Sammlung wissenschaftlicher Essays tiefgründigere subversive Auswirkungen zeigen als Crowleys eigene Provokationsstrategien, weil sie die schwarz-weißen Stereotype als Nennwert nicht akzeptiert, sondern Farbe und Tiefe auf die dunkle Leinwand bringt, indem vertrackte Details behandelt, eine ganze Reihe historischer Kontexte untersucht und unbequeme Fragen gestellt werden. Bei seiner ganzen Kritik an der Moderne und seiner beabsichtigten Rückkehr zu archaischen Traditionen stellt sich doch heraus, dass Crowley ein Modernist gewesen ist. Trotz all seiner Erkundung von „Magick“ und veränderten Bewusstseinszuständen entpuppt er sich als Rationalist. Und bedenkt man zum Beispiel die zutiefst biblische Sprache seiner Erfahrungsberichte in The Vision and the Voice, lässt sich sogar behaupten, dass er – bei all seiner Zurückweisung des etablierten Christentums – ein häretischer Christ gewesen ist. Kurzum: das Phänomen Crowley – womit nicht nur „das Tier“ selbst, sondern auch die lebendige Subkultur seiner Anhänger mit ihren zahlreichen Verzweigungen in Literatur, Kunst, Musik und Film gemeint ist – öffnet uns eher ein Fenster mit Sicht auf die komplexe Dialektik des Christentums, des Rationalismus und der Moderne, als dass es deren radikalen Gegensatz repräsentiert. Als solches ist es eine der extremsten Darstellungen einer Aussage, die über den Bereich der westlichen Esoterik in ihrer Gänze getroffen werden kann. Es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen dem, wie dieses Feld, seine Vertreter und deren Anschauungen in der akademischen wie auch der populären Vorstellung gesehen werden, und wie diese im viel komplexeren Gefüge der geschichtlichen und gesellschaftlichen Realität existieren. Wenn wir dies nicht zu unterscheiden wissen, werden wir nicht nur das Okkulte auf einer grundsätzlichen Ebene falsch verstehen, sondern uns werden auch wesentliche Dimensionen moderner Kultur und Gesellschaft verborgen bleiben.

      Der Leser sei gewarnt: diese Sammlung kritischer Studien kann ihn vieles lehren, doch ist sie nichts für die Kleinmütigen oder die Leichtfertigen. Er wird eingeführt in eine seltsame, oft groteske und zutiefst aufstörende Welt, in der Reisende angehalten sind, so manche ihnen wohl vertraute Vermutung in Frage zu stellen. Eine Welt, in der nichts so ist, wie es auf den ersten Blick erscheint, und wo etablierte Grenzen scheinbar nur existieren, um überschritten zu werden. Diese Exkursion in den Untergrund soll den Reisenden berühren und seine Perspektive verändern: Ist seine vertraute Welt nach seiner Rückkehr noch dieselbe, dann war er nicht mehr als ein Tourist, der von der klimatisierten Sicherheit seines Ausflugsbusses aus „die Wilden“ beobachtet. Der intelligente Leser weiß es besser: Er wird feststellen, dass wir, wenn wir auf die Schattenseite der westlichen Kultur schauen, letztendlich uns selbst anblicken.

       Wouter J. Hanegraaff

      Universität Amsterdam

      EINLEITUNG

       Henrik Bogdan & Martin P. Starr

      Die erstmalige Veröffentlichung einer Sammlung von wissenschaftlichen Untersuchungen zu Aleister Crowley (1875 - 1947) bedarf einiger Erklärungen. Das Bild von Crowley, soweit in unserer vorherrschenden Kultur eines besteht, ist das eines Inbegriffs des Bösen und der Grenzübertretungen, des Vaters des zeitgenössischen Satanismus und des Verfechters jeder Art der Ausschweifung, von Sex über Drogen, bis hin – mit posthumer Unterstützung aus der Popkultur – zum Rock’n’Roll. Welchen Grund für ein zeitgenössisches akademisches Interesse liefert eine Gestalt der Gegenkultur, die eigentlich eher die Boulevardpresse beschäftigen dürfte?

      Die vorliegende Sammlung von Aufsätzen verdeutlicht die Entwicklung der Vorstellungen von Crowleys Vermächtnis und seines Einflusses. Er war ein einflussreicher religiöser Synthetiker des zwanzigsten Jahrhunderts. Seine Esoterik war keine Rückkehr zu einer mittelalterlichen Weltanschauung, sondern er war, durch seine Suche nach einer Vision des Selbst, ein Vorbote der Moderne. Crowley räumte ein, dass sein schlechter Ruf als nützlicher Filter für die Leichtgläubigen diente und seine Weggefährten nahezu vollständig daran hinderte, seine Philosophie anzuerkennen. Er stand abseits und machte für seine intellektuelle Isolation eine kosmische Bestimmung geltend. Seine Mission war die eines charismatischen Propheten, der einen neuen Glauben für die Menschheit verkündete, in dessen Zentrum die absolute Freiheit des Individuums zur Selbstverwirklichung stand, ohne Rücksicht auf die Moralvorstellungen und die religiösen Beschränkungen früherer Zeiten. Die individuellen Mittel dazu waren, durch die Praxis seiner okkulten Bricolage hindurch, die er als „Magick“ bezeichnete, eine äußerst vielschichtige und sehr persönliche Kombination spiritueller Übungen aus westeuropäischen magischen Traditionen und Meditationen sowie Yogadisziplinen aus vorwiegend indischen Quellen. Dieser Reise zur Selbstbefreiung fügte Crowley noch die Kraft der Sexualität als magische Disziplin hinzu. Crowley betrachtete Sexualmagie als einfache und direkte Methode für den Anwender, seine magischen Ziele ohne das materielle Drumherum der Zeremonialmagie zu erreichen; die Macht liegt in der Absicht des Anwenders.

      Doch Crowley als Verfechter einer neuen religiösen Bewegung passt nicht ganz in das verallgemeinerte Konstrukt eines charismatischen Propheten. Eher schien er in diese Position hineinzuwachsen, ohne seine frühere Weltanschauung aufzugeben. Bevor er die Rolle des Propheten eines neuen Zeitalters annahm und seine Schrift The Book of the Law (1904) veröffentlichte, die „nicht um einen Buchstaben“ verändert werden könne, versuchte er als Student an der Universität, die Philosophie und die empirische Wissenschaft zu durchdringen. Als Reaktion auf den fundamentalistischen Glauben, der seine Kindheit prägte und auf angeblicher Irrtumsfreiheit der Bibel basierte, trieb es ihn, nach religiösen Wahrheiten zu suchen, die sich im Sinne der Wissenschaft und der Philosophie begründen ließen, mit der er sich anfangs in Cambridge befasste. Crowleys bedeutender Beitrag zur westlichen Esoterik bestand in seinem Bestreben, seine im Wesentlichen religiöse Annäherung an die Realität mit Elementen philosophischer und empirischer Skepsis zu legitimieren.1 Sein erster kritischer Interpret, J. F. C. Fuller, beschrieb Crowleys philosophische Position als „Crowleyanismus: oder, in anderen Worten, je nach Verständnis des Lesers: pyrrhonischer Zoroastrismus, pyrrhonischer Mystizismus, skeptischer Transzendentalismus, skeptische Theurgie, skeptische Energie, wissenschaftlicher Illuminismus, oder was du willst: denn kurz gesagt, ist es die bewusste Gemeinschaft mit Gott auf Seiten eines Atheisten, eine Überschreitung des Verstandes durch die Skepsis des Werkzeuges, und die Beschränkung der Skepsis durch das direkte Bewusstsein des Absoluten“.2 In Crowleys Augen hatte die zeitgenössische Wissenschaft wie auch die Offenbarungsreligion aufgrund der ihnen innewohnenden methodischen Begrenzungen darin versagt, ihre eigenen Fragen zu beantworten. Die ultimativen Wahrheiten waren nur in einer Vereinigung ihrer erkenntnistheoretischen Stärken zu finden. Als Leitgedanken seiner okkulten Zeitschrift The Equinox wählte Crowley „die Methode der Wissenschaft, das Ziel der Religion“. Magick war der dritte Weg.

      Die Entwicklung von Crowleys Theorie und Praxis ist eng mit seiner individuellen Persönlichkeit verbunden. Obwohl über ihn viele ausführliche Biographien verfasst wurden3 und trotz der vielfältigen Details, die über sein Leben niedergeschrieben wurden, scheint die Sicht auf die Strömungen, die maßgeblich die Entwicklung seiner intellektuellen und spirituellen Positionen beeinflusst haben, verdunkelt zu sein. Crowley kam 1875 in einer wohlhabenden Familie im viktorianischen England zur Welt. Diese unterschied sich von der Mehrheitsgesellschaft durch ihr Bekenntnis zur exklusiven Bruderschaft der Plymouth Brethren, einer „evangelikalen christlichen Erneuerungsbewegung. Die anspruchsvolle religiöse Praxis, gepaart mit einer rigiden Moral (und offensichtlicher Scheinheiligkeit) der Plymouth Brethren nährte in dem heranwachsenden Crowley eine gewisse Anomie. Er rebellierte, und im Prozess der Loslösung von seiner Familie setzte er sich deren Gott entgegen. Sein Vorbild war das „Große Tier“ der Offenbarung, ein Quellentext in der historisch-grammatischen Bibelinterpretation der Plymouth Brethren. John Nelson Darby, eine zentrale Figur der Bewegung, entwickelte eine prämillenaristische, dispensationalistische Theologie, deren Konstrukte Crowleys Weltsicht

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