Weiße Wölfe am Salmon River. Lutz Hatop
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Читать онлайн книгу Weiße Wölfe am Salmon River - Lutz Hatop страница 16
Prustend tauchte sie vor Marc auf, der wortlos zugeschaut hatte. Eine magische Ausstrahlung war von ihr ausgegangen. Sie umklammerte seine Knie, zog sich zu ihm hoch, bis sie in Augenhöhe mit ihm war, legte ihre Arme um seinen Hals. Und wieder spürte er ihre Lippen. Sie beugte sich zurück, drückte den Rücken durch, schnellte nach hinten in das Wasser, versank. Als sie auftauchte, hingen ihr die nassen Haare wild ins Gesicht.
„Lakota, ich liebe dich und ich bleibe bei dir. Egal wo in dieser Welt!“
Marc erhob sich, umfasste sie sanft und legte sie vorsichtig auf dem blanken Tuff oberhalb des Pools ab. Das warme Wasser und die Sonne ließ beide nicht abkühlen. Es vergingen die Stunden und es wurde Mittag. Schnell aßen sie das mitgebrachte von Marc, zogen sich an und machten sich auf den Rückweg.
Einige Stufen abwärts trafen sie auf Gerhard und Hartmut. Marc spürte deutlich die Spannung zwischen Hartmut und Shonessi. Gerhard verwickelte Shonessi in ein Gespräch, während Hartmut und Marc schweigend hintereinander marschierten. Nach einer Stunde, sie waren kurz vor dem Hauptquartier, konnte sich Hartmut nicht mehr zurückhalten.
„Na, hattet ihr ordentlich Spaß miteinander? Wie oft hast du sie gefickt…“
Marc drehte sich zu Hartmut um und schlug ohne Vorwarnung zu. Hartmut ging sofort zu Boden, bevor er sich wieder aufgerappelt hatte, ging Gerhard dazwischen.
„Ich hab nur Spaß gemacht, du Idiot. Gleich zuschlagen, das war völlig harmlos.“
„So, war es das? Der Ton macht die Musik. Du hast Shonessi und mich beleidigt. Zumindest weiß ich jetzt, was ich machen werde.“
„Was hast du vor?“
„Wartet es beide einfach ab.“
Marc ging zu Shonessi, beide kamen als erste beim Hauptquartier an. Der Himmel hatte sich wieder bewölkt und es begann erneut zu regnen. Unter einer großen Plane, die sie zwischen die Bäume gespannt hatten, saßen sie am Feuer, das nicht zu groß sein durfte, da es unterhalb der Plane lag. Der Parkaufseher, Ahmik, Shonessi, Marc, Gerhard und Hartmut beratschlagten über die weitere Vorgehensweise. Marc hörte sich alles einige Zeit an, dann unterbrach er.
„Ich für meinen Teil klinke mich hiermit aus. Hartmut, dein Verhalten heute hat mir die Augen geöffnet. Ich dulde in keiner Weise deine Beleidigungen gegenüber Shonessi. Ich will dich nicht mehr bei mir haben…“
Shonessi fiel Marc ins Wort.
„Das gleiche gilt für mich, auch ich steige aus. Lakota und ich setzen gemeinsam unsere Fahrt fort. Wir nehmen das Kanu.“ Sie wandte sich Marc zu, ergriff seine Hände, „ich bin mir sicher, dass du mich heil ans Ziel bringst.“
Ahmik hatte bis jetzt geschwiegen. Er sah erst seine Schwester an, dann Marc. Mit Resignation in der Stimme akzeptierte er ihre Meinung, obwohl längst nicht überzeugt.
„Dann brauchst du mich ja nicht mehr. Ich warte Morgen auf das Flugzeug und gehe nach Fort Liard. Dort erwarte ich euch. Was wollt ihr dann machen?“
„Das erfährst du früh genug. Wir beide bleiben auf jeden Fall zusammen. Das habe ich Lakota geschworen!“
Das war es also, was Shonessi am Pool gemacht hatte, ein Schwur. Mit Bewunderung schaute er sie an, drückte zur Bestätigung ihre Hände.
Gerhard und Hartmut sagten beide nichts. Für Gerhard brach die Traumreise auseinander. Hartmut erkannte er nicht wieder und Marc hatte sich entschieden.
„Marc, wenn du nichts dagegen hast, würde ich gerne bei euch bleiben, nehme deinen T65. Ich verspreche euch auch, ich werde euch nicht zur Last fallen.“
Marc brauchte nicht zu antworten, das übernahm Shonessi.
„Du darfst gerne mitfahren, du störst auch nicht. Ich freue mich, wenn du dabei bist.“
Hartmut senkte die Augen. Mit verbissener Stimme antwortete er in Deutsch, „dann ist es wohl entschieden. Auch ich fliege mit dem Flugzeug zurück. Gratuliere Marc, deine kleine Hure hat unseren Traum kaputtgemacht. Du bist ihr ja vollkommen verfallen. Sie hat dich regelrecht verhext. Ich habe gedacht, Freundschaft zählt mehr bei dir. Da habe ich mich wohl in dir getäuscht. Erst hast du mir Ella weggenommen und jetzt wirfst du unsere Freundschaft wegen einer 'Indianerin' weg. Ich verachte dich.“ Er sprach das so abfällig aus, dass der Begriff Indianerin in höchstem Maße abwertend zu verstehen war.
Dann holte er zu einem Rundumschlag aus, Marc stand bereits mit geballten Fäusten, nahm eine bedrohliche Haltung ein. Allein Gerhard hielt ihn zurück.
„Gerhard, auch du bist ein Verräter und fällst mir in den Rücken. Bin ja gespannt, was du deiner Frau und deinen beiden Kindern zuhause erzählst. Ihr beide seid für mich gestorben, endgültig!“
Er stand auf und ging in sein Zelt.
In letzter Minute
Am nächsten Morgen, vor Sonnenaufgang. Shonessis erster Weg galt Marc, seinem Zelt. Sie zog leise den Reißverschluss auf, schlüpfte zu dem schlaftrunkenen Marc in den Schlafsack. Langsam kam er zu sich.
„Shonessi.“
„Ja…a. Kann ich bleiben … oder soll ich wieder gehen?“
Er war hellwach: „Bleiben! Ich würde mir wünschen, jeden Morgen von dir geweckt zu werden.“
Sie lachte ihn an: „Dann sei still und genieße.“
Ahmik hatte ihr Davonschleichen beobachtet, ging ihr nach und sah, wie sie in das Zelt schlüpfte. Langsam erfasste er die Wirklichkeit, wollte es nur noch nicht wahrhaben. Niemals würde er seine Schwester, die zehn Jahre jünger war als er, verletzen. Weit entfernt war sein Verständnis für ihr Verhalten in den letzten Jahren. Das galt insbesondere für ihre Liebesverhältnisse, am Anfang euphorisch, nach einer gewissen Zeit, mal länger, mal kürzer, dann stark nachlassend. Er hielt ihr ihre Jugend zugute, gerade mal dreiundzwanzig Jahre war sie alt. Zeit für Erfahrungen. Bisher nicht nur der große Bruder, immer auch der Beschützer mit einem äußerst wachsamen Auge. Zugegeben hätte er es nie, seine Schwester war für ihn der wichtigste Mensch in seinem Leben, er liebte sie über alles.
Nun dieser Deutsche! Shonessi verhielt sich anders. Sicher bemerkte er auch hier diese Euphorie, doch verhaltener. Er fühlte eine innere Stärke, eine Kraft in ihr, die er so noch nicht gesehen hatte. Diesen Deutschen konnte er nicht einschätzen, sicher nur eine Urlaubsromanze. So hoffte er insgeheim. Die Fakten sprachen dagegen, er hatte sie beide vor einem vielleicht tödlichen Anschlag bewahrt, hatte ohne eine Spur zu zweifeln sofort für sie Partei ergriffen. Warum? Er tat sich schwer einzugestehen, dass hier auch Liebe mit im Spiel war. Die Zivilcourage rechnete er ihm hoch an.
Er und der Parkaufseher hielten sich noch im Headquarter auf, als plötzlich das Funkgerät ansprang. Ein Krächzen und unverständliche Wortfetzen waren zu hören. Der Parkaufseher nahm das Gerät in die Hand, um das Flugzeug anzufunken, lächelte Ahmik an.