Karnische Hochzeit. Reinhard M. Czar
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![Karnische Hochzeit - Reinhard M. Czar Karnische Hochzeit - Reinhard M. Czar](/cover_pre972661.jpg)
„Stimmt. Trotzdem fällt mir keine andere Möglichkeit ein. Es ist wohl auch schwer vorstellbar, dass er draußen eines natürlichen Todes gestorben ist und heute Nacht von irgendwem hereingetragen und ins Wasser gelegt wurde. Warum sollte man das tun?“
„Ja, ja, Sie haben ja recht, Forza“, sagte der Commissario, „ich wollte lediglich ausdrücken, dass wir keine vorschnellen Schlüsse ziehen sollten.“
„Und im Wasser ertrunken kann er auch nicht sein“, dachte Forza weiter laut nach, „denn gestern war die Therme geöffnet. Wie aber die gute Nase unseres Wachmannes hier bestätigt hat und man auch jetzt unschwer feststellen kann“ – er rümpfte die Nase –, „muss er schon länger tot sein als ein paar Stunden. Sonst würde er ja nicht so streng riechen.“
„Gut“, gab sich Camilieri gegenüber der Logik seines Kollegen geschlagen, „gehen wir also davon aus, dass er vor einiger Zeit irgendwo da draußen ermordet wurde. Stellt sich also die Frage, warum irgendjemand das Risiko in Kauf nahm, beim Versuch entdeckt zu werden, die Leiche hierher zu transportieren. Warum hat er sie nicht in den Wäldern, die sich ringsum erstrecken, gefahrlos verscharrt? Oder einfach liegen gelassen? Bis ein Jäger oder ein Schwammerlsucher sie gefunden hätte, könnten Monate vergehen.“
„Diese Frage ist berechtigt, Commissario. Warum schleppt man sein Opfer einige Tage nach der Tat an einen Platz, wo eine Entdeckung ziemlich wahrscheinlich ist?“
„Weil man will, dass es entdeckt wird.“
„Das könnte man auch einfacher haben“, gab Forza zu bedenken.
Camilieri ergänzte: „Weil man will, dass das Opfer entdeckt wird, und gleichzeitig irgendetwas damit ausdrücken möchte.“
„Ausdrücken?“
„Ja, beispielsweise eine Warnung mitschicken: Ihr anderen, passt auf, dass es euch nicht gleich ergeht! Forza, wir sollten, sobald es hell wird, den Platz vor dem Fenster inspizieren. Vorher brauche ich aber dringend einen Caffè.“
„Den könnte ich auch vertragen“, bestätigte Forza und rief in die Runde, in der Beamte der Polizia municipale, vom Unglück benachrichtigte Thermenführungskräfte und der Chef des Nachtwächters hektisch durcheinanderredeten und planlos durch die Gegend eilten:
„Gibt’s hier irgendwo Caffè?“
„Könnte ich vielleicht auch einen haben?“, meldete sich der Nachtwächter schüchtern zu Wort. „Oder kann ich schon gehen?“
„Sie müssen noch hierbleiben“, antwortete Camilieri, „bis Sie uns das Fenster, das geöffnet war, von außen gezeigt haben.“
Der Nachtwächter seufzte.
Camilieri verspürte Mitleid: „Aber einen Caffè können Sie natürlich mit uns trinken. Falls wir hier überhaupt einen kriegen.“
*
In der Therme dampfte nicht nur das heiße Wasser, auch die Köpfe der Ermittler rauchten. Und der Magen des Nachtwächters knurrte. Caffè hatte man zwar auftreiben können, aber von einem Cornetto keine Spur.
Völlig anders zeigte sich die Lage im friedlichen Rest von Arta Terme. Tiefe Nachtruhe lag über dem Ort. Alle schliefen. Oder, besser gesagt: die meisten. Der Padre beispielsweise war munter. Wer jetzt glaubt, der fromme Mann Gottes betete vielleicht einen Rosenkranz, der irrt. Nein, der Padre nutzte die Stunden der Nacht, um seiner wahren Leidenschaft nachzugehen, dem, was er als seine eigentliche Berufung verstand. Tagsüber hatte er wenig Zeit dafür, ständig störte jemand. Einmal starb einer aus der überalteten Kirchengemeinde, dann stand wieder ein Fest im Jahreskreis vor der Tür, derzeit kam noch die Doppelhochzeit der beiden Kriminalpolizisten aus Cividale dazu. Herrgott, hatten die in der Langobardenstadt denn keine eigenen Kirchen zum Heiraten? Doch jetzt in den Nachtstunden quälte ihn das aber kaum. Jetzt war es Zeit, um den archäologischen Studien nach Herzenslust nachzugehen. Der Padre tauchte tief in die Welt der Griechen und Römer ein. Er las alte Texte und freute sich über manches Stück aus diesem verschwundenen Kosmos, das er sein Eigen nennen durfte: eine kostbare Gewandfibel aus dem alten Rom oder eine Münze mit dem Porträt des Kaisers, in dessen Regierungszeit sie geprägt worden war. Santa Vergine Maria, dachte er und ließ den Sesterz von Kaiser Augustus behutsam durch seine Finger gleiten. Diese Münze war zweitausend Jahre alt! Was war mit ihr damals wohl bezahlt worden? Wein in der Taverne? Brot und Bohneneintopf? Oder gar Liebesdienste in einem Bordell? Der Padre schmunzelte und dankte dem Herrn, dass er ihn ausgerechnet nach Arta Terme berufen hatte, wo eine alte Römerstadt in unmittelbarer Nachbarschaft lag. Wahre Schätze konnte man da in den Ausgrabungsstätten bestaunen, wahre Schätze schlummerten da noch unter der Erde.
Eine andere schlief ebenfalls nicht: die Wirtin und Küchenchefin des Hotels, in dem in wenigen Stunden eine Doppelhochzeit gefeiert werden sollte – das war schon sehr, sehr lange nicht mehr da gewesen. Für die Vorbereitungen des Hochzeitsmahls eigneten sich die ruhigen Nachtstunden hervorragend. Da war man ungestört, da konnte man mit aller Sorgfalt in der Küche arbeiten, während tagsüber laufend wer was wollte. Eine Reservierung hier, eine Auskunft dort, frische Leintücher für den Bettwäschewechsel, dazwischen schnell die Einkäufe für die Küche, danach ein Espresso für den ersten Lieferanten des Tages, bevor dieser weiterfuhr, ein freundliches Lächeln für den nächsten … mit einem Wort: Tagsüber gab es kein kreatives Umfeld für die Küchenkunst, das herrschte erst während der Ruhe der Nacht. Und so widmete sie sich nun den Vorbereitungen für das festliche Mahl, modellierte an den süßen Kunstwerken der Dolci, rührte, marinierte, parierte und filetierte, was demnächst auf den Festtagstisch kommen sollte. Das war wichtiger, als zu schlafen.
Andere wieder schliefen tief und fest. Lydia beispielsweise, die, in Leintuch und Decke gekuschelt, vor sich hin träumte. Wild vermischten sich Erinnerungen mit Befürchtungen. Erinnerungen daran, wie sie Camilieri kennengelernt hatte, als er sie aus den Fängen des Phantoms befreit hatte. Erinnerungen an den Espresso, bei dem der Funke zwischen den beiden übergesprungen war. Erinnerungen an die erste gemeinsame Nacht hoch oben unter dem Dach des Berggasthofs in Sauris. Befürchtungen, ob der Kulturunterschied zwischen dem Sizilianer, auch wenn er jetzt in Cividale lebte, und ihr, der Österreicherin, nicht zu groß sein würde. Sicher, wäre sie nicht überzeugt davon, dass Claudio der Rechte war, hätte sie niemals nur knapp zwei Monate nach der ersten Begegnung schon einer Hochzeit zugestimmt. Aber war der erste Eindruck immer der richtige? Wie würde sich das gemeinsame Leben gestalten, wenn der eine im Friaul Verbrecher jagte, die andere in Österreich ihren historischen Forschungen nachging? Würden gemeinsam verbrachte Wochenenden genügen, um die Beziehung stabil zu halten? Dazu gelegentliche Urlaube zu zweit? Andererseits, sie kannte genug Ehen, in denen die Partner Tag für Tag aneinanderklebten und die trotzdem – oder deshalb? – nicht funktionierten. An ein Aufgeben des Berufs dachte auf jeden Fall keiner der beiden. Für Claudio käme das sowieso nicht infrage, er war zu sehr Südländer. Und sie? Sie war ein viel zu emanzipiertes Kind der 68er-Nachfolgegeneration, um für Heim und Herd ihren Job an den Nagel zu hängen. Nein, das mussten sie auf andere Art und Weise hinkriegen. Gemeinsam vor Ort ließen sich die Probleme ja relativ leicht lösen. Am Telefon freilich, wenn sie in Graz sitzen würde und er in Cividale, würde es schon wesentlich schwieriger werden …
Auch Eleonora schlief in dieser Nacht. Vermutlich besser als Lydia, weil sich ihr das Ferneheproblem nicht stellte. Im Gegenteil: Giuseppe lebte in Cividale, sie lebte in Cividale, beide arbeiteten im Kommissariat Tür an Tür – sie als Assistentin in der Vermittlung, er als Adlatus des Commissario. Da könnte höchstens