Karnische Hochzeit. Reinhard M. Czar

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Karnische Hochzeit - Reinhard M. Czar

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frühen Morgen in Arta Terme: dass sich ein Commissario für etwas bedankte, das per Gesetz ohnehin zu tun gewesen wäre, nämlich in einem – vermutlichen – Mordfall als Zeuge Rede und Antwort zu stehen.

      Als sich der Nachtwächter außer Sichtweite befand, legte Camilieri seinen Arm väterlich um Schulter und Nacken seines Kollegen: „Forza, wir haben ein Problem.“

      „Ich weiß: eine Leiche und eigentlich keine Zuständigkeit, um in diesem Fall zu ermitteln. Aber das hat Sie ja noch nie gestört.“

      „Das meinte ich nicht. Ich dachte an unsere Frauen. Wie sagen wir es ihnen?“

      *

      Als die Sonne über dem Bergkirchlein San Pietro aufging und ihre Strahlen das zu Füßen liegende Arta Terme streiften, wussten bereits viele von dem Toten in der Therme. Der Padre beispielsweise. Gläubige, die die Frühmesse besucht hatten, hatten ihm davon erzählt. Der Padre reagierte, wie man es von einem Mann Gottes erwarten durfte: Er schloss das bedauernswerte Opfer in die Fürbitten ein, ungeachtet der Tatsache, dass die Gottesdienstbesucher weder dessen Herkunft noch Rang oder Religionszugehörigkeit, ja nicht einmal die Hautfarbe kannten, die seit dem Flüchtlingsansturm in Lampedusa auch in Norditalien eine immer bedeutendere Rolle spielte. Wenn einen aber der Herr heimholte, dann zählte das alles nicht mehr …

      Die Hotelchefin hatte ebenfalls schon vom Unglück gehört, und zwar vom Bäcker, der die Panini und Cornetti für das Frühstück der Gäste lieferte. Er wusste es von seiner Freundin, die im Wellnessbereich der Therme, dem Centro Benessere, arbeitete. In einem Rundruf hatte das Management des Hauses die Mitarbeiter noch vor Sonnenaufgang telefonisch davon informiert, dass sie sich heute mehr Zeit mit dem Frühstück lassen konnten. Das Heilbad bleibe aus nachvollziehbaren Gründen bis auf Weiteres geschlossen, der Dienstplan sei null und nichtig.

      Ausgehend von den Thermenbediensteten war in Kürze der ganze Ort über die nächtlichen Vorkommnisse im Bilde. Jeder kannte jemanden, der jemanden kannte, der von der Schließung der Therme betroffen war. Ein ähnliches Szenario wie damals, als Giosuè Carducci den Nobelpreis für Literatur erhalten hatte: „Hast du schon gehört? Der bärtige Dichter, der damals den Sommer bei uns verbrachte, ist Nobelpreisträger … “ Die Mundpropaganda funktionierte in Dörfern eben ausgezeichnet, damals wie heute.

      *

      Zum Frühstück kehrten Camilieri und Forza ins Hotel zurück. In der Zwischenzeit waren die Kollegen aus Tolmezzo endlich eingetroffen und begannen sich mühsam zu erarbeiten, was Camilieri aufgrund seiner Beobachtungs- und Kombinationsgabe längst wusste: dass der Fundort der Leiche nicht der Tatort sein konnte, dass das Opfer schon länger tot sein musste, dass die Leiche durch ein Fenster in die Therme geschafft worden war, dass der Täter bei diesem Manöver einen schwarzen Knopf verloren hatte. Letzteres freilich nur mehr vermutlich, denn theoretisch konnte der Knopf bereits lange unter dem Thermenfenster gelegen haben und von jemand anderem stammen. Und das war es dann auch schon, was an gesicherten Informationen vorlag. Weder Identität noch Nationalität des Opfers waren bekannt. Doch darum sollten sich die Kollegen aus Tolmezzo kümmern, Camilieri und Forza würden schon rechtzeitig davon erfahren!

      Lydia und Eleonora hatten sich gerade erst gesetzt und Cappuccino bestellt, als ihre künftigen Männer den Frühstücksraum betraten. Camilieri wollte Forza den Vortritt lassen, weniger aus Höflichkeit, sondern um ihn als Schutzschild zu benutzen, sollten ihnen die Damen ihre Abwesenheit bis in die Morgenstunden übelnehmen. Forza durchschaute das Manöver und bedeutete Camilieri vorzugehen. Das Ergebnis: Beide setzten sich nach kurzem Zögern gleichzeitig in Bewegung, stießen im Türrahmen zusammen, zwängten sich ein und blockierten sich gegenseitig. Etwas Besseres hätte ihnen gar nicht passieren können. Eleonora und Lydia lachten laut und herzlich auf, als ihre Zukünftigen wie Dick und Doof in der Tür stecken blieben. Da fehlte nur mehr die Melone, die sich Oliver Hardy in solchen Situationen erzürnt zurechtzurücken pflegte …

      „Ciao a tutti“, grüßte Camilieri verlegen, vielleicht ein wenig zu salopp dafür, dass er so knapp vor der Hochzeit – und noch dazu im Urlaub – fast eine ganze Nacht dienstlich verbracht hatte. Doch sein komischer Auftritt gemeinsam mit Forza hatte die Stimmung derart gelöst, dass er auch ohne Gruß bei Lydia herzlich willkommen gewesen wäre. Dasselbe galt für Eleonora, deren Ärger sich seit jenem Zeitpunkt immer mehr aufgestaut hatte, als sie allein, ohne Giuseppe neben sich im Bett aufgewacht war. Jetzt aber war aller Unmut verflogen.

      Camilieri und Forza schauten sich überrascht an, setzten sich an den Frühstückstisch und orderten zweimal „Espresso doppio“. „Das muss ja eine lustige Ermittlung gewesen sein“, versuchte Lydia in Anspielung auf die Tür-Nummer Näheres zu erfahren. Denn das hatte sie in den zwei vergangenen Monaten bereits gelernt: Ein Commissario sprach nicht gerne über seine Arbeit.

      „Uffa!“, stöhnte Camilieri. „Um ehrlich zu sein, war’s überhaupt nicht lustig. Egal, wie oft man damit konfrontiert wird, man gewöhnt sich einfach nicht daran, und jeder Tote erschüttert einen von Neuem.“

      „Wieso musstet ihr überhaupt ausrücken, obwohl ihr auf Urlaub seid?“, wollte Lydia wissen.

      „Die Kollegen in Tolmezzo, die eigentlich zuständig sind, waren zuerst nicht zu erreichen“, erklärte Camilieri. „Mittlerweile sind sie aber wieder aufgetaucht.“

      „Komisch“, meinte Lydia, „aber jetzt ist es ja Gott sei Dank vorbei.“

      „Ja“, freute sich auch Eleonora, „jetzt können wir uns ganz auf unsere Hochzeit konzentrieren. Ich freue mich schon so auf morgen. Du dich doch auch, Giuseppe, oder?“

      „Sì.“

      Obwohl sich Camilieri in Sizilien mit der Mafia sowie in Cividale mit der Obrigkeit angelegt hatte und auch sonst keinen Konflikt scheute, obwohl Forza mit dem Dienstwagen fuhr, als sei er der logische Anwärter auf den nächsten Formel-1-Weltmeistertitel, obwohl sie gemeinsam erst vor Kurzem einen Dreifachmörder, der einem Phantom glich, zur Strecke gebracht hatten, wagte keiner der beiden, den Frauen zu sagen, dass sie vielleicht doch noch ein wenig in diesem Fall weiterermitteln würden. Stattdessen schwiegen sie und tranken Caffè.

      Bald nach dem Frühstück – Forza hatte beim Kuchenbuffet, das Lydia an eine gut sortierte Konditorei ihrer Heimat erinnerte, ordentlich zugegriffen, Camilieri hingegen kaum – fanden sich alle ein, die mit der Hochzeit zu tun hatten: die Wirtin, der Taxifahrer, der Padre …

      Alles beherrschendes Thema war natürlich der Mord und daraus resultierend die Frage, ob und, wenn ja, wie sich die Vorkommnisse in der Therme auf die Hochzeitszeremonie auswirken würden.

      „No“, stellten Lydia und Eleonora klar, „alles bleibt wie geplant.“

      Forza und Camilieri schauten sich betreten in die Augen, blieben aber nach wie vor stumm.

      „Haben Sie schon eine Spur?“, fragte der Padre unvermittelt.

      „Da muss ich Sie an die Kollegen aus Tolmezzo verweisen“, erwiderte Camilieri schroff, „die sind zuständig.“

      Seit den abschätzigen Bemerkungen des Padre über die Süditaliener auf der Fahrt zur Hochzeitskapelle war der Priester Camilieri unsympathisch. Freunde würden sie wohl keine mehr werden. Um des lieben Hochzeitsfriedens willen hielt sich der Commissario aber zurück und beschränkte die Konversation mit dem Kirchenmann auf das Notwendigste.

      „Ich meinte ja nur“, stammelte der Padre irritiert, „weil Sie die halbe Nacht in der Therme ermittelt haben.“

      Camilieri stutzte: Woher wusste

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