Kreta Reiseführer Michael Müller Verlag. Eberhard Fohrer

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Kreta Reiseführer Michael Müller Verlag - Eberhard Fohrer MM-Reiseführer

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Kreter, der Wider­stand gegen jeg­liche Besat­zer hat hier eine lange Tradition. Schon in der Türken­zeit galten die hie­si­gen Parti­sa­nen als die gefährlichsten und ent­schlos­sensten der Insel. Zwei­mal, 1822 und 1867, wurde das Dorf deshalb von den osma­nischen Besat­zern völlig zerstört.

      Auch im 20. Jh. überschattet eine Tragödie das Dorf: Am 13. August 1944 began­nen deutsche Soldaten auf Befehl von H. Müller, kommandierendem Ge­ne­ral der „Festung Kreta“, das gesamte Dorf bis auf die Grundmauern nie­der­zu­bren­nen. Alle 950 Häuser wurden zerstört und alles Vieh getötet, das nicht mit­ge­nom­men wer­den konnte. Die gesamte Aktion dauerte bis zum 5. Septem­ber. Der Be­fehl lau­tete weiter, alle männlichen Einwohner, derer man im Umkreis von 1 km hab­haft wer­den könne, zu erschießen. Die Männer wa­ren allerdings schon am Abend zu­vor in die Berge geflohen, doch wurden die Alten und Ge­brechlichen, die ihre Häu­ser nicht verlassen konnten, von den Deutschen ihrem Schicksal über­las­sen und ver­brann­ten. Wei­tere Bewohner wurden in der Umge­bung des Ortes exe­ku­tiert. Die offi­zi­elle Liste der Prä­fektur Réthimnon führt 117 getötete Bewohner Anógias auf.

      Auf dem Dorfplatz ist der Wehr­machtsbefehl auf Griechisch ein­gra­viert: „Da die Stadt Anógia ein Zent­rum der englischen Spionage­tätigkeit auf Kreta ist, da die Einwohner Anó­gias den Sabotageakt von Damastá aus­geführt haben, da die Par­ti­sanen ver­schie­de­ner Wi­derstandsgruppen in Anógia Schutz und Unterschlupf fin­den und da die Ent­führer des Ge­nerals Kreipe ihren Weg über Anógia ge­nom­men haben, wobei sie Anógia als Stütz­punkt bei der Verbringung nutzten, befehlen wir, den Ort dem Erdboden gleichzuma­chen und jeden männlichen Einwohner Anó­gias hin­zurich­ten, der innerhalb des Dorfes oder in seinem Umkreis in einer Ent­fernung bis zu einem Kilometer angetroffen wird“.

Anógia, größtes Bergdorf Kretas

      Anógia, größtes Bergdorf Kretas

      Zur Information: Der „Sa­bo­tageakt von Damastá“ meint die Tötung eines für seine Grau­sam­keit berüchtigten deut­schen Feldwebels sowie einiger deutscher und ita­lie­ni­scher Soldaten Anfang Au­gust 1944 durch kretische Parti­sanen. Und die Ent­füh­rung Gene­ral Kreipes war im April desselben Jahres mit maßgeblicher Hil­fe briti­scher Offizie­re vonstat­ten ge­gangen. Diese hatten zusammen mit kre­ti­schen Partisa­nen den Pan­zergeneral an einer Kreuzung nicht weit von Archánes in sei­nem Dienst­wa­gen gekidnappt. Mit geschickten Täuschungsmanövern (22 deut­sche Kon­trollpos­ten wurden pas­siert!) und einem Marsch quer durchs Ída-Gebirge konn­ten sie ihn bis an die Südküste bringen. Von dort trans­por­tierte ihn ein Schiff wei­ter nach Ägyp­ten (Näheres zu der spek­taku­lä­ren Ent­führung unter Archá­nes). Níkos Kazan­tzákis hat nach dem Krieg Anógia be­reist und die Zerstörung be­schrieben (www.explorecrete.com/history/WW2_Anogia_Destruction.html).

      Nach dem Krieg wurde Anógia mit amerikanischer Hilfe wiederaufgebaut, in Bonn fühl­te sich damals niemand zuständig. Je­des Jahr am 13. August gedenkt der Ort des Ereig­nis­ses, von der deutschen Botschaft in Athen ist dazu noch nie­mand er­schie­nen - nach Aussage des bis 2005 tätigen Bot­schaf­ters Dr. Albert Spiegel wurde er aller­dings auch nie eingeladen und wäre einer Einladung gerne nachge­kom­men. Wie übe­rall auf Kreta wer­den deut­schen Ur­lau­bern heute jedoch kei­ner­lei Res­sen­timents ent­ge­gen­ge­bracht.

      Anógia hat aber nicht nur als Hort der Freiheitskämpfer, sondern auch in Sa­chen Mu­sik einen hervorragenden Ruf auf Kreta. Einige der besten Musi­ker­fami­lien der Insel stammen von hier, darunter die Lyra spielenden Brü­der Níkos und Psa­rántonis Xiloúris und Vasilis Skoulas, der im Unterdorf das Museum sei­nes ver­storbenen Vaters weiterführt.

      Armí (Oberer Ortsteil): Die lange Haupt­straße führt leicht abschüssig zum Rat­haus­platz hinunter, vorbei an der hübschen, kleinen Platia Meintani mit ihren Kafenia und dem Kirchlein Ágios Geórgios, dessen Gewölbe mit alten Fresken ausgemalt ist.

      Am weiten, kahlen Rathausplatz steht das Denkmal eines kraftvollen Kre­ters mit Säbel und Muskete, der an die drei­malige Zerstörung Anó­gias er­in­nert: 1822, 1867 und 1944. Davor ist auf einer Ge­denktafel aus Ala­baster in Form eines auf­ge­schla­genen Bu­ches in grie­chi­scher, englischer und deutscher Spra­che der Be­fehl des Wehr­macht­kom­man­deurs Mül­ler ein­gra­viert, das Dorf nie­der­zu­brennen und alle Män­ner hin­zu­rich­ten.

      An der Unterkante des Platzes steht das zweischiffige Kirchlein Ágios Ioán­ni Prodrómos, des­sen Inneres mit ver­gol­de­ter Holz-Iko­nostase und vielen Hei­li­gen­bildern präch­tig ge­schmückt ist (im nächsten La­den nach dem Schlüs­sel fra­gen). Im rück­wärti­gen Schiff sind Fresken erhalten mit Themen aus dem Leben Jesu, Kreuzi­gung, Grab­le­gung u. a.

      Perachóri (Unterdorf): Durch enge Trep­penwege und schmale Gässchen, in de­nen Ba­silikum- und Blumenkübel vor den Türen stehen, kann man von der Haupt­stra­ße in den unte­ren Dorf­bereich hinabsteigen, wo am Orts­aus­gang in Rich­tung Axós das eigentliche Zentrum Anó­gias liegt.

Im Geburtshaus von Níkos Xiloúris

      Im Geburtshaus von Níkos Xiloúris

      Wenige Schritte sind es von hier zum Museum mit den Werken des 1902 geborenen und in den neunziger Jahren verstorbenen Künstlers Alkibíades Skoúlas, „Griliós“ (Grille) ge­nannt. Es wird nunmehr von seinem Sohn Giorgos geführt, der eben­falls ein guter Lyra-Spieler ist und sich bei Besucher­gruppen gerne musi­kalisch be­dankt. Es ist ab dem Platz beschildert, eine kleine Spende wird erwartet (falls geschlos­sen, Aus­kunft in den Lokalen an der Platia oder Tel. 28340-31593). Die mar­kant-naive Ma­lerei des Auto­di­dak­ten kann mit seinen plakativen Farben und For­men einen her­vor­ra­gen­den Zugang zur schwe­ren Geschichte Anógias und der In­sel geben. Im­mer wie­der­kehrende The­men Alkibíades’, der das Malen erst mit knapp 70 Jah­ren begann, sind die Kämpfe mit den Türken, außerdem die Zerstö­rung Anógias durch die Deut­schen, die er selbst als Widerstands­kämpfer er­lebte. Höchst de­ko­rativ sind auch die Skulp­turen aus Zypressen­holz, die er als Hirte gefertigt hat.

      Anfahrt/Verbindungen Busse von Irák­lion nach Anógia fahren Mo-Do u. Sa 3 x tägl., Fr 4 x, So 1 x (Dauer ca. 1 Std.). Der Bus hält mehr­mals in Anó­gia, am besten am Rat­haus­platz (gro­ßer Platz mit Rathaus, Post und Denk­mal) aus­steigen und ins Unterdorf hi­nun­ter­laufen.

      Übernachten In einer Parallelgasse zur Haupt­gasse im oberen Ortsbereich gibt es mehrere gute Unterkünfte (aus­ge­schildert):

      *** Marina, Marina Dagianda führt dieses ge­schmackvoll eingerichtete und sau­bere Haus, Studios mit Küchenzeile, Balkon und wei­tem Blick, z. T. mit Ka­min, auch Fa­mi­lien­apart­ments gibt es. DZ ca. 35-50 €, auf Wunsch mit gutem Früh­stück (ca. 6 €/Pers.). Tel. 28340-31817.

      *** Aristea, wenige Schritte

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