Die natürliche Tochter. Johann Wolfgang von Goethe
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So ward auch mir ein Wundergut beschert,
Mir Glücklichem! das ich, mit Sorgfalt, mehr
Als den Besitz ererbt errungner Güter,
Als meiner Augen, meines Lebens Licht,
Mit Freud' und Furcht, mit Lust und Sorge pflege.
König Sprich vom Geheimnis nicht geheimnisvoll.
Herzog Wer spräche, vor der Majestät, getrost
Von seinen Fehlern, wenn sie nicht allein
Den Fehl in Recht und Glück verwandeln könnte.
König Der wonnevoll geheim verwahrte Schatz?
Herzog Ist eine Tochter.
König Eine Tochter? Wie?
Und suchte, Fabelgöttern gleich, mein Oheim,
Zum niedern Kreis verstohlen hingewandt,
Sich Liebesglück und väterlich Entzücken?
Herzog Das Große wie das Niedre nötigt uns
Geheimnisvoll zu handeln und zu wirken.
Nur allzuhoch stand jene, heimlich mir,
Durch wundersam Geschick, verbundne Frau,
Um welche noch dein Hof in Trauer wandelt,
Und meiner Brust geheime Schmerzen teilt.
König Die Fürstin? Die verehrte, nah verwandte,
Nur erst verstorb'ne?
Herzog War die Mutter! Laß,
O! laß mich nur von diesem Kinde reden,
Das, seiner Eltern wert und immer werter,
Mit edlem Sinne, sich des Lebens freut.
Begraben sei das Übrige mit ihr,
Der hochbegabten, hochgesinnten Frauen.
Ihr Tod eröffnet mir den Mund, ich darf
Vor meinem König meine Tochter nennen,
Ich darf ihn bitten: sie zu mir herauf,
Zu sich herauf zu heben, ihr das Recht
Der fürstlichen Geburt, vor seinem Hofe,
Vor seinem Reiche, vor der ganzen Welt,
Aus seiner Gnadenfülle zu bewähren.
König Vereint in sich die Nichte, die du mir,
So ganz erwachsen, zuzuführen denkst,
Des Vaters und der Mutter Tugenden:
So muß der Hof, das königliche Haus,
Indem uns ein Gestirn entzogen wird,
Den Aufgang eines neuen Sterns bewundern.
Herzog O kenne sie, eh du zu ihrem Vorteil
Dich ganz entscheidest. Laß ein Vaterwort
Dich nicht bestechen! Manches hat Natur
Für sie getan, das ich entzückt betrachte,
Und alles, was in meinem Kreise webt,
Hab' ich um ihre Kindheit hergelagert.
Schon ihren ersten Weg geleiteten
Ein ausgebildet Weib, ein weiser Mann.
Mit welcher Leichtigkeit, mit welchem Sinn
Erfreut sie sich des Gegenwärtigen,
Indes ihr Phantasie das künft'ge Glück
Mit schmeichelhaften Dichterfarben malt.
An ihrem Vater hängt ihr frommes Herz,
Und wenn ihr Geist den Lehren edler Männer,
Sich stufenweis' entwickelnd, friedlich horcht:
So mangelt Übung ritterlicher Tugend
Dem wohlgebauten festen Körper nicht.
Du selbst, mein König, hast sie unbekannt
Im wildem Drang der Jagd um dich gesehn.
Ja, heute noch! Die Amazonen-Tochter,
Die in den Fluß dem Hirsche sich zuerst
Auf raschem Pferde flüchtig nachgestürzt.
König Wir sorgten alle für das edle Kind!
Ich freue mich, sie mir verwandt zu hören.
Herzog Und nicht zum erstenmal empfand ich heute,
Wie Stolz und Sorge, Vaterglück und Angst,
Zu übermenschlichem Gefühl sich mischen.
König Gewaltsam und behende riß das Pferd
Sich und die Reiterin auf jenes Ufer,
In dichtbewachs'ner Hügel Dunkelheit.
Und so verschwand sie mir.
Herzog Noch einmal hat
Mein Auge sie gesehen, eh ich sie
Im Labyrinth der hast'gen Jagd verlor.
Wer weiß, welch ferne Gegend sie durchstreift,
Verdroßnen Muts, am Ziel sich nicht zu finden,
Wo, ihrem angebeteten Monarchen sich,
In ehrerbietiger Entfernung, anzunähern,
Allein ihr jetzt erlaubt ist, bis er sie,
Als Blüte seines hochbejahrten Stammes,
Mit königlicher Huld zu grüßen würdigt.
König Welch ein Getümmel seh' ich dort entstehn?
Welch einen Zulauf nach den Felsenwänden?
Er winkt