Fakemedizin. Christian Kreil

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Fakemedizin - Christian Kreil

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für den Erfolg von Esoterik und Pseudomedizin – und ein weiterer Beweis für die Beständigkeit des »wilden Denkens«.

      In dem Fall versteckt sich das »wilde Denken« hinter einer angeblichen »Technologie«: Sie beruht, vereinfacht gesagt, darauf, dass Leitungswasser an einem geheimnisvollen »Informationswasser« vorbeifließt. Das »Informationswasser« ist ein geheimnisvolles Ur-Granderwasser – nur die Familie Grander kennt dafür das »Rezept« –, und es befindet sich in den Wasserbelebungsgeräten. Diese werden in die Wasserleitung eingebaut, das Informationswasser befindet sich in abgeschlossenen Kammern. Das Leitungswasser rinnt – getrennt durch zentimeterdichtes Metall – daran vorbei. Eine wie immer geartete Manipulation des Trinkwassers oder einen Kontakt mit dem geheimnisvollen Ur-Granderwasser gibt es dabei nicht. Das Leitungswasser wird weder erhitzt noch bestromt oder verquirlt, es kommt mit keinen biowirksamen oder chemischen Stoffen in Berührung, es wird nicht gesiebt, ­geschüttelt oder gekühlt. Nichts wird dem Wasser zugesetzt oder entzogen. Das behauptet Grander auch nicht. Das Unternehmen behauptet in beeindruckend ehrlicher Schlichtheit: Das Leitungswasser erhält beim Vorbeifließen am Ur-Granderwasser »Informationen«. Das klingt verdächtig nach Homöopathie, und das ist kein Zufall, die Phänomene ähneln sich frappant.

      In die Kammern mit dem geheimnisvollen Ur-Granderwasser könnte man getrost auch Buttermilch, Marillenmarmelade oder Luft füllen, auch ein starkes Gift würde unserem Leitungswasser nichts anhaben. Das Wasser, das wir nach dem Einbau einer Grander­anlage trinken, ist in jedem Fall exakt das Wasser, das wir vor dem Einbau einer Granderanlage getrunken haben.

      Damit wäre alles gesagt. Aus dieser Perspektive ist es natürlich unsinnig, der Grandertechnologie und dem Wesen des Ur-Granderwassers weiter auf den Zahn zu fühlen. Seit einem Gerichtsurteil aus dem Jahr 2006 darf man diesen Zinnober als »aus dem Esoterikmilieu stammenden, parawissenschaftlichen Unfug« bezeichnen. Geschadet hat dieses Urteil dem Unternehmen kaum.

      Auch hier gilt: Die angeblichen Mechanismen der Wasserbelebung sind irrelevant. Nicht das, was das Unternehmen als Grandertechnlogie bezeichnet, interessiert uns. Was unser Interesse weckt, das sind die Mechanismen, die Menschen dazu bringen, diesen Unfug zu akzeptieren, zu verteidigen oder Geld dafür auszugeben.

      Die »Granderisierung der Welt« – das ist die Transformation des »wilden Denkens« ins Marketing, ist das sichtbare Symptom für die Lust, belogen zu werden, mitzuspielen bei einer Chimäre und darauf auch noch stolz zu sein.

      Wer sich die Granderwasser-Technologie für sein trautes Heim leistet – und dabei ist man schnell eine vierstellige Summe los –, der will kein besseres Wasser. Er will lediglich besser dastehen. Er kommuniziert mit seiner Umwelt, mit Bekannten und Freunden und gibt zu verstehen: Ich gebe mich nicht zufrieden mit dem Wasser, das bei uns aus der Leitung kommt, ich lege was drauf für etwas Besonderes. Und das klappt, solange niemand dem Besonderen auf den Zahn fühlt.

      Bei der Fakemedizin ist es ganz ähnlich. In der Regel muss dafür bezahlt werden, über die Pflichtbeiträge zur Krankenversicherung hinaus. Wer mit seinen Kindern zum Homöopathen geht, der signalisiert: Ich kann mir das leisten. Mir sind meine Kinder mehr wert als euch eure Kinder wert sind, die nur Medizin von der Stange und vom Kassenarzt bekommen. Das Honorar, das bei den Fakemedizinern aller Arten abgeliefert wird, wird nicht umsonst bezahlt. Umsonst ist es nur, was die gesundheitliche Wirkung betrifft. Die gesellschaftliche Wirkung ist phänomenal: Es befördert jemanden, der zuvor auf die »Gratis-Medizin« für die dumpfe Masse angewiesen war, zum Patrizier, der sich etwas Besonderes gönnt.

      Beim Thema Granderwasser kommt – zumindest in Mittel­europa – noch ein Aspekt dazu. Wir sind in der glücklichen Lage, aus der Leitung Trinkwasser beziehen zu können, um das uns vermutlich 99 Prozent der Weltbevölkerung beneiden. Sauberes, einwandfreies Trinkwasser ist ein Privileg, dessen wir uns ebenso wenig bewusst sind wie des Privilegs einer umfassenden Versorgung mit medizinischer Versorgung auf höchstem Niveau. Wer sich damit ostentativ nicht zufrieden gibt, der signalisiert, egal ob mit Granderwasser für den Haushalt oder mit der Bioresonanzanalyse, Globuli oder teuren und sinnlosen Vitaminpräparaten: Das Gute genügt mir noch lange nicht.

      Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Grander nimmt seine Kunden in Geiselhaft. Wer Tausende Euro für »Grander-Technologie« ausgibt, wird das Produkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch verteidigen. Alles andere würde ja bedeuten: Ich habe mich übers Ohr hauen lassen, ich bin auf einen Humbug reingefallen. Auf der Webseite Granders werden zahlreiche Gemeinden angeführt, die in den Schwimmbädern ihrer Kommunen Granderanlagen installiert haben. Sie erzählen wahre Wunderdinge: Die Gäste gingen nun viel lieber ins belebte Wasser, das fühle sich jetzt so geschmeidig an auf der Haut, der Bedarf an Chlor habe deutlich abgenommen. Was sollten die Bürgermeister oder sonstige Verantwortliche sonst sagen? »Es tut uns leid, wir haben öffentliches Geld ausgegeben für eine nutzlose Anlage?«

      Genauso wirken die Referenzen der Fakemedizin, und hier geht es um mehr als um Geld. Wer auf Fakemedizin vertraut, wird in der Regel von positiven Effekten berichten. Alles andere würde bedeuten: »Da geht es um meine Gesundheit, und ich Dummkopf habe ernsthaft geglaubt, dass mir die irren Versprechen eines Scharlatans helfen.«

      Noch ein Detail am Rande: Das Unternehmen Grander hatte und hat auch in Krankenhäusern bei der Vermarktung einigen Erfolg. Bis vor wenigen Jahren fand man in Broschüren und auf den Webseiten der oberösterreichischen Landeskrankenhäuser den stolzen Hinweis, dass das Trinkwasser im Haus »gesundes Granderwasser« sei. Mittlerweile – und nach einigen kritischen Berichten der Stiftung Gurutest – sind alle diese Hinweise verschwunden.

      Die Schaffung eines Marktes

      Ich erinnere mich gern an meine Kindheit zurück und sogar an kleine Krankheiten. Sie sicherten mir die Zuwendung der Eltern. Wenn ich an Husten litt, bereitete mir mein Vater »Zwiebel­schmalz« zu – in der Pfanne in Schmalz geröstete Zwiebeln. Das ölige Extrakt schmierte er mir auf die Brust, die ätherischen Ausdünstungen der heißen Zwiebel habe ich bis heute in der Erinnerung meiner Nase abgespeichert, ebenso den Geschmack der heißen und öligen braunen Schoten, deren Überreste ich aus der Pfanne mit Schwarzbrot und Salz naschen durfte. Wenn ich mir den Knöchel verstauchte, wickelten mir die Eltern in Essig getunkte Tücher um den Fuß. Bei Fieber wurde mein Hals in kalte Topfenwickel gehüllt. Zum Arzt oder in die Apotheke gingen meine Eltern nur dann, wenn es wirklich pressierte, und das war Gott sei Dank nur selten. Ich wuchs mit »Traditioneller Europäischer Heilkunde« auf, die aber keiner so nannte und an der niemand verdiente. Mit Zwiebel, Essig und Topfen für Kranke lässt sich nicht das große Geld machen.

      Die Marketingstrategen der pharmazeutischen Industrie haben das erkannt und in ihren Strategiesitzungen vermutlich so dargestellt: ein Tortendiagramm, bei dem zwei Drittel der Fläche mit den Begriffen »keine Medizin bzw. traditionelle Hausmittel« belegt waren und ein Drittel mit den Begriffen »Pharmazeutika, Arztbesuch etc.«. Alsdann haben die klugen Köpfe beschlossen, das große Tortenstück, das mit »keine Medizin bzw. traditionelle Hausmittel« beschriftet war, bestmöglich zu erobern. Im Marketingsprech heißt das: Das Marktsegment sei zu kommerzialisieren. Die traditionellen Heilmittel sollten durch ein kommerzielles Angebot ersetzt werden. Die Zielgruppe muss beim Konsum des Angebots das Gefühl haben, die Sache durchschaut zu haben und besonders intelligent zu handeln.

      Und das ist in den letzten Jahrzehnten gelungen. Heute wickeln Mütter und Väter bei kleinen Blessuren keine Essigtücher um die Knochen ihrer Kinder, und sie rösten keine Zwiebel mehr, wenn die Kinder husten. Heute pilgern sie in die Apotheke und kaufen homöopathische Arnica C 30 bei kleinen Verletzungen oder teure Vitaminpräparate, um das Immunsystem gegen den Ansturm der Viren und Bakterien vermeintlich zu stärken.

      In meinem Freundes- und Bekanntenkreis habe ich es erlebt. Wer auf »Alternativmedizin« schwört, verteufelt die Pharmaindustrie, wann immer es geht, und geht

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