Gott und die anderen Großen. Ernst Peter Fischer
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Unabhängig davon war Galilei in Sachen Kirche und eines Gottes überraschenderweise ein eher schablonenhafter Denker, bei dem keinerlei Differenzierung zu finden ist und der Luther und Calvin bequem als Erzketzer diffamierte. In einem Brief vom 13. Oktober 1632 an den Kardinal Barberini bekundet Galilei ganz devot seine völlige „Ergebenheit gegenüber der Heiligen Kirche“, und er schreibt ganz brav von „Demut, Ehrerbietung, Untertänigkeit und Gehorsam“, wenn er auf seine Einstellung gegenüber der Kirche und ihren Repräsentanten zu sprechen kommt.
Galileis nach außen zwar rebellisch wirkende, tatsächlich aber höchst unterwürfige Einstellung der katholischen Kirche gegenüber kommt auch in seinen Ansichten zu Kepler zum Ausdruck, über den er sich in einem 1618 geschriebenen Brief an Erzherzog Leopold von Österreich beschwert, da der deutsche Astronom als „ein nicht zu unserer Heiligen Kirche Gehörender“ sich erdreiste, die Richtigkeit des Kopernikanischen Systems zu beweisen.
Offensichtlich ärgert es Galilei, dass da einer wissenschaftlich weiter gekommen war als er. An dieser Stelle hört bei ihm jeder Spaß auf. Heiterkeit und Freude sucht man in seinem Leben vergebens. Von heiliger Raserei oder weltlichen Freudentänzen keine Spur. Kein souveränes Gottesbild eines großen Geistes, nur das oftmals grummelnde und eigenbrötlerische Gehabe eines streitlustigen Genies.
Wie gesagt, Galileis Gott wirkt wie ein Mathematiker. Manchmal bekommt man den Eindruck, er habe trotz aller volkstümlichen Sprache viele Mitmenschen vom Wissen ausschließen und die Kenntnisse der Natur einer elitären Minderheit vorbehalten wollen. Auf jeden Fall hat er sich eher feige und ängstlich vor einem überzeugenden Gottesbild gedrückt. Man hat den Eindruck, dass Galileis Gott er höchst selbst war. Mit ihm muss er sich ausnehmend gut verstanden haben.
Ein Geheimnis bei Galilei
Übrigens – bei Galilei gibt es nicht nur wissenschaftliche Streitlust und theologische Bequemlichkeit, sondern tatsächlich auch einige Physik zu lernen, vor allem bei einigen Formen der Bewegung. Ihm wird zum Beispiel als erstem Forscher klar, dass es etwas bedeuten muss, wenn ein Gegenstand etwa auf einem gleichmäßig dahinfahrenden Schiff genauso zu Boden fällt wie am Hafen, von dem man das Ganze aus verfolgen kann. Er erhob aus dieser Beobachtung die Forderung, dass ein Naturgesetz sich nicht verändern darf – invariant bleibt –, wenn man es einmal für den ruhenden Beobachter im Hafen und ein zweites Mal für den seefahrenden Kollegen an Bord einer Jacht aufstellt. Physiker reden in dem Fall von verschiedenen Bezugssystemen. Galileis Entdeckung besagt, dass Gesetze unabhängig von gleichmäßig ablaufenden Verschiebungen sein müssen, denen solche Systeme unterliegen können.
Die Wissenschaft spricht heute von der Bedingung der „Galilei-Invarianz“. Diese konkurriert an Bedeutung mit seiner berühmten Beobachtung, dass sich Aristoteles nicht nur am Himmel, sondern auch auf der Erde geirrt hat. Dem griechischen Philosophen – und dem gesunden Menschenverstand – zufolge sollten schwerere Körper schneller fallen als leichtere Körper. Mehr als 1000 Jahre hielt man diese schlichten Gemütern einleuchtende Lehre für wahr und unantastbar.
Aber dann kam Galilei, bestieg den schiefen Turm von Pisa und ließ zwei unterschiedlich schwere Gewichte fallen und beobachtete, wie sie gleichzeitig am Boden ankamen. Mit anderen Worten: Der freie Fall von Gegenständen vollzieht sich unabhängig von der Masse der gewählten Objekte. Wenn Galilei damit auch einer physikalischen Wahrheit auf die Spur gekommen war, so bleibt sein unumstößlicher Erfolg ebenso rätselhaft wie die Gleichheit von Bewegungen in verschiedenen Systemen.
Wie und durch welche Kraft kommen das Fallen von Steinen auf der Erde und das Drehen von Planeten am Himmel überhaupt zustande? Diese Fragen und andere blieben bei allem Wissen ein großes Geheimnis, dem sich bald ein junger und ehrgeiziger Engländer zuwenden sollte – wer sonst als Newton?
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