Philosophische Anthropologie. Michael Bordt
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Zu Problemen kommt es für einen Dualisten nun dadurch, dass er auf der einen Seite sagen möchte, Geist und Materie seien tatsächlich ganz verschiedene Dinge, auf der anderen Seite aber auch weiß, dass es irgendwie einen Zusammenhang zwischen Geist und Materie geben muss. Wenn wir z. B. etwas wollen, dann ist das Wollen verantwortlich dafür, dass wir bestimmte Körperbewegungen ausüben, unser Wollen ein geistiger Akt und bestimmt als solcher, was wir mit unserem Körper machen. Es kann also nicht sein, dass Körper und Geist völlig unverbunden im Menschen zusammen sind, sondern es muss irgendwie eine Schnittstelle, eine Interaktion zwischen dem Geist und dem Körper geben.
Das haben auch schon ältere Dualisten gesehen, wie z.B. René Descartes, ein berühmter Dualist, der die These, dass Körper und Seele ganz verschiedenen Welten angehören, noch einmal zugespitzt hat. René Descartes hat angenommen, dass es die Zirbeldrüse sei, die den Interaktionismus, den Zusammenhang, die kausale Wirksamkeit des Geistigen auf das Materielle garantiert. Aber wir können uns auch auf einen modernen Forscher, einen Physiker und Biologen beziehen, den Nobelpreisträger John Eccles. Er ist 1997 gestorben und hat zusammen mit dem Philosophen Karl Popper ein Buch mit dem Titel ‚Das Ich und sein Gehirn’ geschrieben, 1977 ist dieses Buch herausgekommen. John Eccles behauptet darin mit Karl Popper, dass diese Schnittstelle auf subatomarer Ebene zu finden sei. Das Problem dieses interaktionistischen Dualismus ist freilich, dass diese Schnittstelle empirisch nicht nachgewiesen werden kann. Das Problem bei Eccles und bei anderen Dualisten ist, dass, obwohl sie sich gerade darum bemühen, in einen Dialog mit den Naturwissenschaften zu kommen, sie das Entscheidende, nämlich die Schnittstelle zwischen dem Materiellen und dem Geistigen, empirisch nicht nachweisen können. Diese Schnittstelle scheint für die Dualisten eher so etwas wie ein metaphysisch notwendiges Postulat zu sein und nichts, was man empirisch aufzeigen kann.
Deswegen, und noch aus einem anderen Grund, tendieren einige Vertreter in der Leib-Seele-Diskussion heute eher zu einer anderen Position, nämlich zur Identitätstheorie. Die meisten Vertreter in der heutigen Leib-Seele-Diskussion sind Monisten. Sie vertreten die These, dass es eine Identität von Körper und Geist gibt. Die Identitätstheorien sind aus einem bestimmten Grund heute sehr attraktiv. Die Identitätstheoretiker, die Monisten, vertreten nämlich nicht, dass wir den Geist verstehen müssen, um unseren materiellen Körper zu verstehen, sondern die überwiegende Anzahl der Monisten vertritt genau das Gegenteil. Wenn wir einmal unseren materiellen Körper richtig verstanden haben, dann haben wir auch verstanden, was der Geist ist. Der Geist, das Bewusstsein bzw. das Mentale ist eigentlich kein eigener Phänomenbereich, sondern auf die Materie reduzierbar.
Die meisten Vertreter in der heutigen Leib-Seele-Diskussion sind tatsächlich Reduktionisten. Sie vertreten eine reduktive Theorie, d. h., sie reduzieren das Mentale auf das Physische. Man spricht dabei auch von einem Physikalismus. Das ist ein neues Wort für das, was man früher Materialismus genannt hat. Die These ist: Das, was es eigentlich gibt, ist die Materie. Alles andere sind nur Epiphänomene, die auf der Materie aufruhen. Nun finden auch Vertreter des Monismus die Theorie, dass Geist und Bewusstsein eigentlich gar nichts anderes sind, als biochemische Prozesse, irgendwie unbefriedigend und so hat man versucht, verschiedene Theorien zu entwickeln, die dem geistigen Leben des Menschen irgendwie doch noch eine eigene Stellung zubilligen.
Berühmt ist der Harvarder Philosoph Hilary Putnam. 1960 hat er ein folgenreiches Buch mit dem Titel ‚Mines and Machines’ geschrieben. Darin outet er sich als Vertreter des Funktionalismus. Die Funktionalisten behaupten, dass geistige Phänomene auf materielle Phänomene reduzierbar sind, dass jedoch das spezifische Material, auf das die geistigen Prozesse reduziert werden, nicht charakteristisch für das Bewusstsein ist. Das klingt komplizierter als es ist. Hilary Putnam meint damit schlicht und einfach, dass es für das Denken egal ist, ob ein Mensch denkt, und dabei die materielle Basis sein Gehirn ist, oder ob ein Computer, eine Maschine, denkt. Der Funktionalismus ist also der Versuch, dem Geistigen doch eine gewisse Eigenständigkeit zuzusprechen.
Das Problem des Funktionalismus, das auch seine Vertreter bald gesehen haben, ist, dass diese Theorie keine Antwort auf die Frage geben kann, was das, was für uns Menschen so charakteristisch ist, eigentlich ist, nämlich das Erleben von Qualia, z. B. das Erleben von Schmerzen. Zwar ist es für das geistige Leben des Menschen charakteristisch, Qualia zu erleben, aber ein Computer beispielsweise wird niemals Schmerzen erleben können, er wird niemals wissen, was es heißt, Schmerzen zu haben. Insofern scheint es doch so etwas wie spezifisch menschliches Denken, spezifisch menschliches Bewusstsein zu geben, das nicht auf einen Computer übertragbar ist.
Deswegen hat man den Funktionalismus aufgegeben und sich anderen Theorien zugewandt, die ich nur kurz skizzieren werde. Eine dieser Theorien ist die Theorie der Emergenz. Laut dieser Theorie erwächst Bewusstsein aus Materie, wenn diese komplex genug ist. Obwohl diese Theorie zunächst attraktiv zu sein scheint, bleibt letztlich doch die entscheidende Frage offen, ob, und wenn ja, wie das Bewusstsein wiederum kausal wirksam gegenüber dem Materiellen sein kann. Diesbezüglich geben die Emergenztheoretiker, die Emergentisten, keine klare Antwort. Wenn sie die Frage bejahen, dann ist das Bewusstsein doch so etwas wie ein eigenständiger Seinsbereich, wenn sie sie verneinen, dann stellt sich die Frage, was die Emergenztheorie eigentlich erklärt.
Dieses Problem hat man versucht, dadurch in den Griff zu kommen, dass man die Idee der Emergenz aufgegeben und sie stattdessen durch die Idee der Supervenienz ersetzt hat. Die Vertreter der Supervenienztheorie behaupten, dass es keine Änderung eines mentalen Zustandes geben kann, ohne dass es zu einer Änderung des materiellen, des physischen Zustandes kommt. Für Reduktionisten ist die Supervenienztheorie natürlich alles andere als spektakulär. Weil Mentales nichts anderes als Physisches ist, müssen geistige Zustände über physischen Zuständen supervenieren.
Das Hauptproblem der Emergenz- und der Super-venienztheorie besteht darin, dass sie auf der einen Seite an der Eigenständigkeit des Geistigen festhalten wollen, auf der anderen Seite aber behaupten, dass wir das Geistige vollständig vom Materiellen her verstehen können. Diese beiden Dinge gehen aber natürlich nicht zusammen.
Ich gestehe, dass ich gegenüber der Diskussion des Leib-Seele-Problems etwas skeptisch bin. Man könnte ohne Weiteres eine sechsteilige Vorlesung über das Leib-Seele-Problem halten, wenn man mehr Zuversicht hätte, als ich sie habe, dass sich das Leib-Seele-Problem tatsächlich einer Lösung zuführen lässt. Der schon erwähnte Harvarder Philosoph Hilary Putnam hat im Jahre 2000 ein berühmtes Buch geschrieben, ‚The Threefold Cord: Mind, Body and World’. Putnam, Sie erinnern sich, hatte 1960 den Funktionalismus in die Debatte eingeführt. Derselbe Hilary Putnam ist es nun, der sich von der ganzen Diskussion des Leib-Seele-Problems verabschiedet, mit Hinweis auf den späten Ludwig Wittgestein. Putnam vertritt in diesem Buch die Auffassung, dass das ganze Leib-Seele-Problem auf einer Sprachverwirrung beruht, auf Kategorienfehlern, wie wir Philosophen sagen. Der Fehler bestehe erstens darin, dass Begriffe verallgemeinert werden. Man spreche vom Bewusstsein oder vom Geist, aber lege sich überhaupt keine Rechenschaft mehr darüber ab, was eigentlich mit diesen Begriffen genau gemeint sei, ob es überhaupt so etwas wie den Geist, wie das Bewusstsein gebe. Zweitens reiße man diese Begriffe aus dem Kontext, in dem sie eigentlich guten Sinn ergeben, heraus, abstrahiere sie woraufhin diese ein Eigenleben in Theorien führten, ohne dass man sich frage, ob dieses