Keiner ist besser als der andere. Лев Толстой

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Keiner ist besser als der andere - Лев Толстой marixklassiker

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das gerade Gegenteil davon. Die Menschen pflegen, vom Schicksal und durch ihre eigenen Sünden und Fehler in eine gewisse Lage gebracht, sei dieselbe auch noch so schief, sich immer eine Lebensanschauung zu bilden, die es ihnen ermöglicht, ihre Position für gut und achtungswert zu halten. Um aber eine solche Anschauung aufrecht erhalten zu können, halten sich die Leute instinktiv zu dem Kreise der Gesellschaft, in dem diese Auffassung des Lebens eine allgemeine Anerkennung genießt. Wir wundern uns darüber, wenn es sich um Diebe handelt, die mit ihrer Geschicklichkeit, um Prostituierte, die mit ihrer Lasterhaftigkeit, oder um Mörder, die mit ihrer Grausamkeit prahlen. Aber es wundert uns nur darum, weil der Kreis dieser Leute ein beschränkter ist und, was die Hauptsache ist, weil wir selbst uns außerhalb dieses Kreises befinden.

      Aber findet nicht dieselbe Erscheinung bei den Reichen statt, die mit ihrem Reichtum, das heißt Raub, prahlen, bei den Kriegsführern, die mit ihren Siegen, das heißt Mordtaten, bei den Machthabern, die mit ihrer Macht, das heißt Gewalttätigkeit, prahlen? Wir sehen bei diesen Leuten die zum Zwecke einer Entschuldigung ihrer Position vorgenommene Entstellung der Anschauung vom Leben, vom Guten und vom Bösen, wir sehen diese Entstellung nur darum nicht, weil der Kreis von Leuten mit solchen entarteten Anschauungen ein größerer ist, und weil wir selbst zu diesem Kreise gehören.

       (Auferstehung)

      Ein guter Mensch, der seine Fehler nicht eingesteht und sich stets rechtfertigen will, kann ein Ungeheuer werden.

       (Tagebücher)

      Nichts erweicht das Herz so sehr wie das Bewusstsein der eigenen Schuld, und nichts verhärtet es so sehr, wie der Unfehlbarkeitsdünkel.

       (Tagebücher)

      Je schuldiger man vor seinem eigenen, wiewohl verborgenen Gewissen ist, desto lieber und ganz unwillkürlich sucht man die Schuld bei anderen, und besonders bei denen, gegen die man sich vergangen hat.

       (Tagebücher)

      Eines der dringendsten Bedürfnisse des Menschen, das so dringlich wie Essen, Trinken, Wollust, ja noch dringlicher als diese ist, ein Bedürfnis, dessen Existenz wir häufig vergessen, ist das Bedürfnis, seine Person hervorzutun, zu wissen, das habe ich getan. Sehr viele Handlungen, die an sich unerklärlich wären, sind durch dieses Bedürfnis verständlich. Man darf es bei der Erziehung und beim Verkehr mit Menschen nicht vergessen. Vor allem muß man sich bemühen, daß dieses Bedürfnis Tätigkeit erzeugt und nicht Prahlerei.

       (Tagebücher)

      Man muß sehr auf der Hut sein, um die Eitelkeit und die Liebe zum Lob in sich nicht großwerden zu lassen. Wenn der Feind einen Menschen verderben wollte, gelänge es ihm fast leichter durch Lobeserhebungen als durch Verleitung zum Trunke. Es entwickelt sich beim Lob eine krankhafte Empfindlichkeit, die zu haltloser Schwäche führt und die beim Tadel in Erbitterung und Mutlosigkeit ausartet. Hauptsächlich vermehrt sich die Kränklichkeit und Verwundbarkeit.

       (Tagebücher)

      Der Franzose hat Selbstvertrauen, weil er sich persönlich als Geist und Körper für unwiderstehlich bezaubernd hält, sowohl für Männer als für Damen. Der Engländer hat Stolz und Selbstvertrauen darum, weil er ein Bürger des besteingerichteten Reichs der Welt ist und darum als Engländer immer weiß, was er zu tun hat und überzeugt ist, daß alles, was er als Engländer tut, unzweifelhaft gut sei. Der Italiener hat Selbstvertrauen, weil er von lebhaftem Temperament ist und leicht sich und andere vergißt. Der Russe hat Selbstvertrauen eben deshalb, weil er nichts weiß und nichts wissen will, weil er nicht glaubt, daß man irgend etwas sicher wissen könne. Der Deutsche besitzt ein stärkeres und widerlicheres Selbstvertrauen als alle anderen, weil er sich einbildet, er wisse die Wahrheit, hält die Wissenschaft, die er sich selbst erdacht hat, aber für absolute Wahrheit.

       (Krieg und Frieden)

      Wenn ich an mein Knabenalter zurückdenke (…), verstehe ich vollkommen die Möglichkeit des schrecklichsten Verbrechens ohne einen Zweck, ohne den Wunsch zu schaden, nur so aus Neugier, aus dem unbewußten Verlangen, etwas zu tun. Es gibt Augenblicke, in welchen die Zukunft dem Menschen in so düsterem Lichte erscheint, daß er sich fürchtet, seinen geistigen Blick auf sie zu richten, daß er die Tätigkeit des Verstandes in sich anhält und sich selbst zu überzeugen sucht, daß das Zukünftige nicht sein wird und das Vergangene nicht war. Zu solchen Augenblicken, wenn der Gedanke die willenlose Stimmung nicht im voraus beurteilt, und wenn als einzige Triebfeder des Lebens die Sinneninstinkte übrig bleiben, begreife ich, daß ein unerfahrenes Kind, das besonders zu diesem Gemütszustände veranlagt ist, ohne Zögern und ohne Furcht mit einem Lächeln der Neugier an das eigene Haus Feuer legt und einen Brand anfacht, an das Haus, in dem seine Brüder, sein Vater, seine Mutter, die es alle zärtlich liebt, schlafen. Unter dem Einfluß einer ebensolchen, zeitweiligen Geistesabwesenheit – man möchte sagen Zerstreutheit – schwingt der siebzehnjährige Bauernbursche beim Anblick der Schneide des eben geschliffenen Beiles neben der Bank, auf welcher mit dem Gesicht nach unten sein alter Vater schläft, plötzlich das Beil und sieht mit stumpfer Neugier zu, wie das Blut aus dem zerschnittenen Hals unter die Bank rinnt; unter dem Einfluß dieser selben Gedankenlosigkeit und instinktiven Neugier empfindet der Mensch eine Art von Genuß darin, sich an den äußersten Rand eines Abhanges zu stellen und zu denken: wie, wenn ich mich da hinunterstürze? Oder eine geladene Pistole an seine Stirn zu halten und zu denken: wie, wenn ich den Hahn losdrücke? Oder eine angesehene Persönlichkeit, für welche die ganze Gesellschaft kriechende Verehrung hegt, anzusehen und dabei zu denken: wie, wenn ich jetzt hingehe, ihn an der Nase fasse und sage: ›Nun mein Lieber, komm einmal mit‹?

       (Knabenalter)

      Es ist oft zu beobachten, daß in bezug auf Schlauheit ein dummer Mensch klügere leitet.

       (Krieg und Frieden)

      Für die besten, freundschaftlichsten und einfachsten Beziehungen sind Lob und Schmeichelei ebenso unentbehrlich wie die Schmiere für das Wagenrad.

       (Krieg und Frieden)

      Er war einer jener Theoretiker, welche ihre Theorie so sehr lieben, daß sie das Ziel derselben darüber vergessen – ihre Anwendung auf die Praxis. Aus Liebe zur Theorie verabscheute er auch jede Praxis und wollte nichts davon wissen.

       (Krieg und Frieden)

      Über Recht und Unrecht zu entscheiden, ist dem Menschen nicht gegeben. Der Mensch hat immer geirrt und wird immer irren und in keiner Beziehung mehr als in der Beziehung auf das, was er für Recht und Unrecht hält.

       (Krieg und Frieden)

      »Ein Merkmal der Entartung unserer Welt«

      Er fragte eine sehr einfach Sache; er fragte: warum und mit welchem Recht die einen Menschen die anderen einsperren, quälen, verschicken, peitschen und töten? Obgleich sie selber genau eben solche Leute sind, wie diejenigen, die sie quälen, peitschen und töten.

       (Auferstehung)

      Warum fehlt all diesen hochentwickelten humanen Menschen, die in ihrer Gesamtheit zu jedem ehrenvollen humanen Werk fähig sind, das gewöhnliche menschliche Gefühl für ein persönliches gutes Werk? Warum finden alle diese Menschen, die in ihren Parlamenten, Meetings und Vereinen mit solchem Eifer für die Lager der ehelosen Chinesen in Indien, für die Verbreitung des Christentums und der Zivilisation in Afrika und für die Gründung von Vereinen zur Besserung der gesamten Menschheit sorgen, in

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