Erinnerungen an die "68er": Damals in Dahlem. Jürgen Dittberner

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Erinnerungen an die "68er": Damals in Dahlem - Jürgen Dittberner страница 8

Erinnerungen an die

Скачать книгу

und stets lebte sie fort. Ihr Vorgänger Gerhard Schröder fing damit an, indem er weissagte, sie werde es nicht schaffen. Die Herren vom „JU – Andenpakt“ warteten auf den richtigen Moment, um „Mutti“ – wie sie ihre Vorsitzende tauften – aus dem Amt zu putschen. Selbst der loyale Sozialdemokrat Peter Struck bekannte einst: „Die kann mich mal.“

      Heute sind sie alle in Pension oder weggelobt: der Altkanzler Schröder, die einst so stolzen CDU-Ministerpräsidenten und auch der einstige SPD-Fraktionsvorsitzende. Dessen Nachfolgerin Andrea Nahles hat ebenfalls resigniert, Friedrich Merz verlor mehrere Abstimmungen beim CDU-Bundesparteitag, und Peter Struck und Guido Westerwelle sind nicht mehr auf dieser Welt. Angela Merkel hingegen ist weiterhin Bundeskanzlerin.

      Was hält diese Frau?

      Sie zögert und zaudert, aber sie tut es am Ende doch. Horst Seehofer, der Freund/Feind aus dem eigenen Lager, beschwört: „Wer sie unterschätzt, hat schon verloren.“

      Im Binnenclinch scheint sie stark zu sein. Franz Müntefering, ihr erster Vizekanzler und Sozialdemokrat soll gesagt haben, bei ihr als Pilotin lande man immer, man wisse nur nicht, wo.

      Am wichtigsten ist es ihr offensichtlich, oben zu bleiben.

      Charismatisch tritt sie nicht auf, eher gibt sie sich pragmatisch und formuliert meist ungenau. So kann sie jederzeit die Position wechseln, ohne von gestern Gesagtem allzu sehr aufgehalten zu werden.

      Sie entscheidet und erweckt den Eindruck, sie durchschaue die jeweiligen Materien jederzeit. Ihre Minister lässt sie dabei oft wie Assistenten aussehen, lässt sie ansonsten gewähren. Sigmar Gabriel konnte als SPD-Vorsitzender über sie herziehen, Guido Westerwelle lavierte im UN-Sicherheitsrat.

      Irgendwann verhedderten sie sich alle, und dann war sie – die Kanzlerin – es, die die Sache regelte. Sie hat eben einen langen Atem.

      Dass der einst zapplige Sarkozy ihr in der EU den Rang abzunehmen schien, störte sie offenbar nicht. Sie machte derweil Geschäfte mit der Weltmacht China und holte sich im Weißen Haus in Washington einen hohen Orden ab. Als Sarkozys Nachfolger Emmanuel Macron dann als glühender Europäer antrat, strebte er zweifellos die Führung in Europa an, lehnte sich aber zugleich bei Merkel an. Dass Deutschland das größte EU-Mitglied ist, weiß mittlerweile jeder, und dass Frau Merkel und nicht ihr Außenminister die Außenpolitik bestimmt, ist klar. Als der einstige US-Präsident Donald Trump sie öffentlich verachtete, prallte das an ihr ab.

      Diese Angela Merkel hat die politische Kultur Deutschlands Schritt für Schritt verändert:

       Die „alten Herren“, die früher mächtig waren, sind abserviert.

       Das Klima und der Klimawandel wurden wichtiger Teil ihrer Politik.

       2005 schon machte Angela Merkel Deutschland zum Einwanderungsland.

       Die Industrienation Deutschland akzeptiert und erstrebt vor allem erneuerbare Energien.

       Zur Bewältigung der Corona-Pandemien greift die Regierung in liebgewordene Rechte der Bürger ein, und der Opposition im Bundestag bleibt müder Protest.

       Nach dem Austritt Groß Britanniens erfuhr die Europäische Union eine Grunderneuerung, angetrieben durch die Ratspräsidentin Angela Merkel und ihre europäische Gehilfin Ursula von der Leyen.

      Gegen Ende der Ära Merkel fragt sich: Was steckt da von 68 drin?

      Damals in Dahlem schwärmten viele von einer neuen Kultur in Deutschland. Ahnte jemand, wohin das führen könnte und wie die Bundesrepublik 50 Jahre später aussehen würde?

      Wäre Angela Merkel nicht auch ohne die 68er möglich gewesen?

Скачать книгу