Agile Organisation – Methoden, Prozesse und Strukturen im digitalen VUCA-Zeitalter. Группа авторов

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      Abb. 10: Darstellung eines Prozesses (beispielhaft)

      Prozessarten

      In Unternehmen sind sehr unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen und damit auch sehr unterschiedliche Prozesse zu gestalten. Eine zentrale Unterscheidung ergibt sich aus der Häufigkeit mit der ein Prozess durchlaufen wird (vgl. Abildung 11). Auf der einen Seite gibt es Prozesse, die in großer Zahl und über einen längeren Zeitraum immer wieder gleichartig ablaufen (Massenprozesse). Auf der anderen Seite des Kontinuums stehen einmalige Aufgaben, bei denen die Aktivitäten jedes Mal unterschiedlich aussehen und immer wieder komplett anders ablaufen (Einzelbzw. Individualprozesse). Viele Prozesse in der unternehmerischen Realität bewegen sich zwischen diesen beiden Extremen (Hybridprozesse).

      Abb. 11: Prozesskontinuum

      Bei einem Automobilhersteller bspw. gehört der Produktionsprozess zur Kategorie der Massenprozesse. Auf Basis eines definierten Prozesses werden Tausende oder gar Millionen von Autos im immer gleichen Ablauf produziert. Die Aktivitätenfolge zum Umgang mit der Covid-19-Pandemie bewegt sich dagegen auf der anderen Seite des Kontinuums. Auf diese Herausforderung war keiner vorbereitet und es mussten ganz neue und unerwartete Aktivitäten in einer sinnvollen Reihenfolge durchgeführt werden (Einzelprozess). Der Prozess zur Entwicklung eines neuen Autos ist irgendwo in der Mitte des Kontinuums einzuordnen (Hybridprozess). Einerseits gehört eine solche Produktentwicklung zu den regelmäßigen Aufgaben eines Automobilherstellers und die etablierten Hersteller verfügen über große Erfahrungen. Andererseits läuft jeder Produktentwicklungsprozess immer wieder etwas anders ab. Letzteres gilt umso mehr, wenn sich bspw. die Antriebstechnologie tiefgreifend verändert. Dementsprechend bewegt sich die erstmalige Entwicklung eines Autos mit E-Motor weiter rechts im Prozesskontinuum als die Entwicklung der Neuauflage eines etablierten Benziner-Modells.

      Prozessgestaltung

      Basierend auf der Einordung in diesem Prozesskontinuum ergeben sich unterschiedliche Herausforderungen und Zielrichtungen für die optimale Prozessgestaltung.51

      Bei der Gestaltung von Massenprozessen, die (weitgehend) gleichartig und in großer Zahl ablaufen, stehen Effizienzziele im Vordergrund. Aufgrund der Häufigkeit ist es in solchen Fällen sinnvoll, die Aktivitätenfolge im Vorfeld möglichst perfekt zu planen bzw. zu definieren und dann standardisiert, automatisiert und fehlerfrei durchlaufen zu lassen. Wichtig ist typischerweise auch die Skalierbarkeit, d. h. die Möglichkeit der Anpassung an veränderte Mengen.

      Die Gestaltung von Massenprozessen hat sich in den letzten gut 100 Jahren stark gewandelt. Mit der Erfindung des Fließbandes wurden solche Prozesse in der Ära von HENRY FORD zunächst vermessen, dann optimiert und anschließend standardisiert. Auf Basis von standardisierten Prozessen und Massenproduktion nach dem Fließbandprinzip konnte die Effizienz massiv erhöht werden. Seit den 1970ern ist im Zuge der sich ausbreitenden und immer besser werdenden Informationstechnologie eine zunehmende Automatisierung der (standardisierten) Prozesse zu erkennen, was die Effizienz weiter erhöht hat. Seit ein paar Jahren zeichnet sich nun eine dritte Stufe der Optimierung von Massenprozessen ab. Denn vor dem Hintergrund der VUCA-Umwelt, neuen technologischen Möglichkeiten (z. B. Nutzung von Echtzeitdaten und künstlicher Intelligenz52) und unterschiedlichen Kundenbedürfnissen bzw. -wünschen streben immer mehr Unternehmen flexiblere Prozesse an, die sich automatisiert an wechselnde und spezifische Kundenbedürfnisse anpassen können (adaptive Prozesse) – ohne zum Prozessmodell der Manufaktur zu wechseln. In den Speed Factories von ADIDAS53 bspw. werden in einem hochgradig automatisierten Prozess unter Nutzung von 3D-Druckern und spezifischen Kundendaten individuelle Schuhmodelle produziert. Die Häufigkeit der Produktion eines blauen Sportschuhs vom Typ X mit einem individuellen Fußprofil ist zwar gering bzw. gar einmalig, aber der zugrunde liegende Prozess läuft trotzdem standardisiert und automatisiert ab. Die gleiche Grundlogik findet sich bei den Empfehlungen auf den Webseiten von AMAZON, die automatisiert erscheinen, aber für jeden Nutzer individuell („hyperpersonalisiert“) sind. Und intelligente Chatbots ermöglichen eine aus Sicht des Unternehmens automatisierte, aber für den einzelnen Kunden individuelle Kommunikation zwischen Kunde und Unternehmen. Somit führt die Digitalisierung in der Logik von Abbildung 11 zu einer Verschiebung nach rechts. Immer mehr (Hybrid-)Prozesse können wie Massenprozesse gestaltet werden.

      Bei einmaligen Aufgaben bzw. Aufgaben, die jedes Mal unterschiedlich ablaufen, spielen die Aspekte Standardisierung, Automatisierung, Fehlerfreiheit und Skalierbarkeit dagegen kaum eine Rolle. Es geht hier nicht darum, einen optimalen Prozess zu definieren, der mehrmals bzw. gar massenhaft durchlaufen wird, sondern darum, die Aufgabe unter Berücksichtigung von Zeit- und Finanzrestriktionen bestmöglich zu erfüllen. Hier wird zwar auch Effizienz angestrebt, aber es ist deutlich wichtiger, dass überhaupt „das richtige Prozessergebnis“ dabei herauskommt (Effektivität). Solche „echten“ Einzelprozesse werden auch gerne als Projekte bezeichnet.

      Ein Projekt ist ein einmaliges, zeitlich begrenztes, zielorientiertes Vorhaben. Oft geht es um komplizierte oder komplexe, neuartige und interdisziplinäre Aufgabenstellungen. In der Regel wird für ein Projekt eine eigene, zeitlich begrenzte Projektstruktur gebildet.54

      Während bei Massenprozessen die inhaltlichen Prozessschritte ganz konkret definiert werden, wird bei Einzelprozessen bzw. Projekten meist mit Metaprozessmodellen gearbeitet, die das grundsätzliche Vorgehen regeln, aber zu Beginn jedes neuen (Projekt-)Prozesses spezifisch inhaltlich auszugestalten sind. Ein klassisches Metaprozessmodell ist der Wasserfall-Ansatz in der Softwareentwicklung.55 In diesem werden die Projekte in mehrere Prozessphasen bzw. -stufen unterteilt, die aufeinander aufbauen und in einer vorher festgelegten Reihenfolge linear bzw. kaskadenartig durchgeführt werden. Typische Phasen sind dabei beispielsweise Planung/Konzeption, Design, technische Umsetzung, Roll-out und Support. Am Ende jeder Prozessphase steht ein vorher definierter Meilenstein, der bindende Vorgaben für die nächste Phase definiert. Eine Rückkopplung auf frühere Phasen ist nicht vorgesehen bzw. nur eingeschränkt möglich. Dementsprechend ist die Planungsphase am Anfang extrem wichtig und lang. Wenn es möglich ist und gelingt, vorab einen passenden Plan zu entwickeln, können die Umsetzungsphasen sehr geordnet und effizient ablaufen. Bestehen aber Unsicherheiten, ändern sich im Projektverlauf die Anforderungen und sind immer wieder Anpassungen nötig, ist ein solcher Wasserfall-Ansatz wenig sinnvoll. Daher wird in der Softwareentwicklung, bei der typischerweise große Unsicherheiten bestehen, bspw. seit einigen Jahren primär mit anderen, agileren Metaprozessmodellen gearbeitet, am häufigsten mit der in Kapitel 6.3 vorgestellten Scrum-Methode.

      In der traditionellen Organisationslehre wird streng unterschieden zwischen der Organisation von dauerhaften bzw. zumindest längerfristigen Aufgaben (Primärorganisation) und der Organisation von zeitlich begrenzten Aufgaben (Projektorganisation). In Organisationslehrbüchern wird dies typischerweise klar voneinander abgegrenzt und komplett separat betrachtet. Und auch in der Spezialliteratur gibt es meist eine klare Trennung von Prozessmanagement- und Projektmanagementbüchern bzw. -veröffentlichungen.Während im Projektmanagement mit Projektabläufen, Ganttdiagrammen und Netzplänen gearbeitet wird, findet man im Prozessmanagement Ansätze wie BPMN (Business Process Model and Notation), Prozessdiagramme und Folgepläne. Prozessmanager analysieren Durchlaufzeiten, Prozesskosten und First Pass Yield; Projektmanager den kritischen Pfad, Puffer oder den Burn-Down.56 Begrifflich andere Welten, in der dahinterliegenden Logik zeigen sich aber durchaus etliche Gemeinsamkeiten.

      Eine strikte Trennung der Disziplinen Prozess- und Projektmanagement ist deshalb häufig künstlich und sollte in den Unternehmen und in der Wissenschaft

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