MordsSchweiz. Christof Gasser

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MordsSchweiz - Christof Gasser

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Person im Subaru?« Barbara hatte sich etwas beruhigt. »Anna stand heute am Fenster wie jeden Tag. Was machen wir jetzt?«

      »Wir rufen die Polizei.« Cornelia zeigte sich von der pragmatischen Seite.

      »Was willst du zu deiner Verteidigung sagen?«

      »Das lass mal meine Sorge sein.« Sie sah Barbara stirnrunzelnd an. »Geh du nach oben. Die haben bestimmt ein Telefon.«

      »Ich gehe da auf keinen Fall hoch.«

      »Tu nicht so geziert.« Cornelia prüfte den Verschluss an der Hartbox. »Okay, der kann nicht raus.«

      Im Treppenhaus hinter der Tür roch es nach Moder. Barbara suchte nach einem Schalter, kippte ihn nach unten. Mattes Licht warf Schatten an die Wände, zeichnete unheimliche Figuren darauf. Cornelia ging weiter ins nächste Geschoss. Barbara folgte ihr angewidert. Der Geruch erinnerte sie an Verwesung, an tote Vögel auf dem Fenstersims, die sie regelmäßig von dort beseitigen musste. Sie prallten gegen die Scheiben, blieben liegen, bis sie sich zersetzten. Bereits der Herbst hatte viele Tote angekündigt. Oben stieß Cornelia die Tür auf, die ins Wohnzimmer führte. Hier musste das Fenster sein, an dem Anna täglich stand.

      Barbara schrak zurück. Auch Cornelia blieb wie angewurzelt stehen. Der Lichtkegel reichte gerade so weit, um die Gestalt am Fenster zu entdecken.

      »Anna!«

      »A… aber …« Barbara vermochte bloß zu stottern. »W… Wer war der Chauffeur im Auto?«

      »Alfred?«

      »Der fährt keinen Subaru. Zudem hat er geschworen, sich niemals ins Auto seines Vaters zu setzen.«

      Anna wandte sich nicht um. Sie war beim Fenster erstarrt, eingekleidet in ein schwarzes schickes Kostüm, welches sie an Hans’ Beerdigung getragen hatte. Sie stand dort wie eine dunkle Figur auf dem Rechteck des Fensters. Einen Moment lang glaubte Barbara, eine Statue zu betrachten.

      Cornelia ging näher. Sie, die zeitlebens die Mutigste unter den Schwestern gewesen war. »Anna?«

      Die Frau antwortete nicht.

      Cornelia stieß sie in die Seite. »Hey … Schwesterherz. Was ist los mit dir? Hast du Heiri gekillt? Er liegt in der Hartbox. Musste mal so kommen. Aber keine Angst, wir stehen auf deiner Seite.«

      Anna kippte um. Starr wie eine Säule. Es entstand ein schepperndes Geräusch.

      Cornelia fuhr heftig herum. »Das ist eine Schaufensterpuppe, vermaledeit.«

      »Ob sie schon lange hier gestanden hat?«, fragte sich Barbara und suchte nach einem Telefon. »Dann hat Anna Heiri umgebracht, wer weiß, wann.«

      »Hat er deshalb die Hartbox gekauft?«

      Barbara griff nach dem Telefonhörer auf der Festnetzstation und wählte die Nummer der Polizei. Ihre Stimme zitterte, während sie von den Ereignissen am hinteren Dorfende erzählte. »Ich wohne im letzten Haus, im ältesten, das mit den beiden Veranden, neben den zwei Tunnels, die durch den Lopper führen. Und der Tote liegt im Sarg, ehm … in der Hartbox im Haus gleich links gegenüber.« Als sie aufgelegt hatte, sagte sie: »Sie schicken jemanden vorbei.«

      »Und, wie fühlst du dich?« Cornelia streifte ihren Arm.

      »Ehrlich gesagt bin ich froh, so hat sich das Problem von selbst gelöst. Ich habe mir andauernd die Frage gestellt, wie wir Heiri in die Kiste bringen.«

      »Alfred wird bald schon in dieses Haus einziehen und uns in unserem Alltag behilflich sein.«

      »Anna, die Nervensäge, sind wir jetzt auch los. Immer hat sie uns wie ein Kleinkind behandelt. Sie wird im Knast schmoren.«

      »Ja, ja, und Alfred …« Barbara fühlte sich gut. »Im Keller hat es genügend Rattengift für den schlimmsten Fall.«

      Cornelia verzog ihren Mund zu einer Schnute. »Und Salat mit blauen Blumen mag er, glaube ich, auch sehr.« Ein Lächeln umspielte ihr Gesicht. »Irgendwann werden wir zwei alle drei Häuser besitzen.«

      »Freut euch nicht zu früh.« Die Stimme kam von der Tür her.

      Barbara und Cornelia wandten sich beide gleichzeitig um. »Anna!«

      »Warst du das im Auto?« Barbara wünschte, der Boden unter ihren Füßen würde sich öffnen und sie verschlingen. Und wie sie dastand, ihre älteste Schwester, der sie zu jeder Weihnacht einen Pullover strickte. Wie sie sie ansah, wie bösartig sie war, durchtriebener als Cornelia, hinterhältiger als sie selbst.

      »Wer denn sonst?«

      »Alfred sagte uns, sein Vater habe die Hartbox gekauft.«

      »Nein, das war ich.«

      »Hast du Heiri umgebracht?«

      »Ich mache mir doch die Hände nicht schmutzig.« Annas Augen funkelten.

      »Wer war es dann?« Cornelias Stimme tönte wie ein heiseres Krächzen, als ahnte sie, ihr Neffe könnte der Täter gewesen sein.

      »Die Polizei ist auf dem Weg.« Seelenruhig war Anna. »Sie wird auf der Hartbox eure Fingerabdrücke finden. Ihr werdet verurteilt und ins Gefängnis kommen. Dort kommt ihr nicht mehr raus, so lange werdet ihr nicht mehr leben. Pech gehabt.« Anna lächelte vor sich hin. »Aber wir können darüber diskutieren. Kommt, folgt mir.« Sie ging voraus in die Küche, die ein Stockwerk tiefer lag.

      Auf dem Küchentisch stand ein aufgeschnittener Kuchen, hübsch dekoriert mit blauen Blüten.

      »Ich weiß um eure kriminelle Ader. Ihr könnt wählen zwischen Knast oder einer Henkersmahlzeit. Die Zutaten sind nicht unbekannt. Ich kenne meine Schwestern, war ihnen jahrelang eine Ersatzmutter.«

      Cornelia griff nach einem Kuchendreieck. Die blauen Blüten ließ sie auf dem Stück liegen. Sie schob es sich in den Mund, mutig, wie sie war. Die Furchtloseste unter allen. Es vergingen keine drei Minuten, bis sie das Bewusstsein verlor.

      In Barbaras Kopf brauste es. Nein, kampflos würde sie nicht aufgeben. Sie langte nach Cornelias Hammer, erhob sich und schwang diesen über Annas Kopf. Sie zählte auf drei und ließ ihn niedersausen. Es gab ein schmatzendes Geräusch. Draußen klang das Martinshorn durch die Nacht. Und im toten Winkel unter der Treppe stand Alfred und lachte sich ins Fäustchen.

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