Operation Werwolf - Fememord. Uwe Klausner

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Operation Werwolf - Fememord - Uwe Klausner

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unterirdisches Verlies anmutete. Wären die Turbinen, deren Surren ihr wie von fern in den Ohren klang, nicht gewesen.

      Und wären da nicht die Fahrgeräusche der S-Bahn, so laut, dass sie dachte, die Decke stürze ein.

      Denk nach, Elsa, raunte ihr eine imaginäre Stimme zu, bald näher, bald weiter von der Stelle entfernt, wo sie in Kreuzform an die feuchte Wand gekettet worden war.

      Denk nach, irgendeine Lösung muss es geben.

      Fragte sich nur, welche.

      Kaum fähig, sich auf den Beinen zu halten, schrie sie ihre Angst heraus. Rüttelte an den Ketten, bis ihre Haut in Fetzen hing, wie taub gegenüber den Schmerzen, die den gebrochenen Arm durchzuckten. Und ohne Rücksicht auf die Blessuren an ihrem Körper, die sie ein Lebtag lang begleiten würden, von den Schreckensvisionen, die ihr das Leben zur Hölle machten, nicht zu reden.

      Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte. Wenn ihr nicht bald jemand zu Hilfe kam, würde der Werwolf Ernst machen.

      Und würde zur Tat schreiten, um sie zu töten.

      Genau wie die anderen fünf Frauen auch.

      Auf welche Weise, darüber wollte sie jetzt, da ihre Hilferufe ungehört verhallt und in ein klägliches Wimmern übergegangen waren, lieber nicht spekulieren. Egal was im Gehirn dieses Scheusals herumspukte, sie würde es bald zu spüren bekommen. Die Drohung, der Werwolf würde demnächst Ernst machen, war unmissverständlich gewesen. So absurd es klang, der Mann wollte sich an ihr rächen. Aus welchem Grund und mit welchen Mitteln, das war und blieb ein Mysterium für sie. In ein paar Stunden, so die unverhüllte Drohung, würde es ihr an den Kragen gehen. Je eher sie bereit war, die Tatsache als gegeben hinzunehmen, desto besser für ihre Konstitution. Und umso besser für ihre geschundene Seele. Denn wenn sie schon dazu bestimmt war zu sterben, dann aber bitte schnell – und hocherhobenen Hauptes.

      Mit einem Lächeln auf den Lippen, ihr größter – wenngleich einziger – Trumpf.

      Es sei denn, ihr fiele noch etwas ein.

      Denk nach, Elsa, die Zeit drängt.

      Denk nach – so schwer kann das doch nicht sein.

      Nicht lange, und der Werwolf würde wiederkommen. Um sie nach allen Regeln der Kunst zu töten.

      Die Hölle auf Erden, sie existierte wirklich.

      Und ihr nach Blut lechzender Herrscher auch.

      Der Schlüssel, der von außen ins Schloss gesteckt wurde, war Beweis genug.

      Gleich würde die Stahltür aufgehen.

      Und der Leibhaftige würde ihr seine Aufwartung machen.

      Reiß dich gefälligst zusmmen, Elsa.

      Du hast nichts mehr zu verlieren.

      LACRIMOSA

      Lacrimosa dies illa

      Tränenreich ist jener Tag,

      Qua resurget ex favilla

      an welchem auferstehen wird aus dem Staube

      Judicandus homo reus.

      Zum Gericht der Mensch als Schuldiger.

      (Wolfgang Amadeus Mozart, Requiem)

FREITAG, 4. JULI 1941

      2

      Berlin-Karlshorst, Dorotheastraße

      14:15 Uhr

      »Na schön, Herr Kommissar, weil Sie es sind«, willigte die spindeldürre, spitzgesichtige und zu Sydows Leidwesen auch spitzzüngige Hausverwalterin ein, öffnete die Tür und forderte ihn auf, einen Blick ins Innere der Etagenwohnung zu werfen. »Mir ist zwar nicht ganz wohl dabei, aber wenn es nicht anders geht, will ich mal nicht so sein.«

      »Das ist aber nett von Ihnen, Frau Mentzel«, gab Sydow knapp, aber bestimmt zurück, ließ der mit Lockenwickeln bekränzten Xanthippe den Vortritt und wartete ab, bis die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war. »Sie wissen ja, ich tue nur meine Pflicht, insofern machen Sie sich bloß keine Gedanken. Ich bin mir sicher, der Bewohner hat nichts dagegen, wenn ich mich hier ein wenig umschaue, und wenn doch, verweisen Sie den Herrn an mich. Wie war doch gleich sein Name?«

      »Justizoberrat Henschel.«

      »Alleinstehend?«

      »Soweit ich weiß, ja«, versetzte die mit einer Kittelschürze bekleidete Concierge, die der Versuchung, einen Blick ins angrenzende Wohnzimmer zu werfen, nicht widerstehen konnte. »Aber wer weiß das heutzutage schon genau.«

      »Eben«, gab Sydow lapidar zurück, deutete ein Nicken an und nahm die Wohnung, unter 250 RM Miete pro Monat mit Sicherheit nicht zu haben, genauer unter die Lupe. Chaiselongue aus gestreiftem Plüsch, Mobiliar aus der Kaiserzeit, Standuhr aus gebeizter Eiche, Stillleben mit Goldrahmen, für Durchschnittsverdiener unerschwinglich. Bis das Wohnzimmer komplett war, kam ordentlich was zusammen. Da lobte er sich doch seine Junggesellenbude, für die er nur knapp die Hälfte bezahlte. Auf eine gutbürgerliche Wohngegend wie in Lichterfelde legte er ohnehin keinen gesteigerten Wert, im Gegensatz zu Kalinke, für den nichts schlimmer gewesen wäre, als in einem Altbau zu logieren. »Wer weiß denn schon, was seine Mitmenschen den Tag über so treiben.«

      »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Herr Kommissar, würde ich jetzt lieber …«

      »Einen Moment noch, Frau Mentzel – ich bin gleich so weit«, gab Sydow wie selbstverständlich zurück, zückte sein Notizbuch und dachte offenbar nicht daran, der Aufforderung zum Rückzug Folge zu leisten. »Wenn Sie erlauben, ich hätte da noch ein paar Fragen.«

      »Aber das können wir doch genauso gut unten im Flur …«

      »Können wir nicht, so leid es mir tut«, fiel Sydow der Mittsechzigerin höflich, aber bestimmt ins Wort, kratzte sich hinterm Ohr und sagte: »Dieser Jakubeit, wie war er denn eigentlich so?«

      »Er hat was ausgefressen, stimmt’s?«

      »Kann man wohl sagen, gnädige Frau«, fuhr Sydow in geschäftsmäßigem Tonfall fort, durchquerte die Diele, um den bohrenden Blicken der Hausverwalterin zu entgehen, und tat so, als sei er in Gedanken woanders. Das heißt, er tat nicht nur so, sondern rief die Unterredung mit Mira in sich wach. Ohne sie, die seinetwegen Kopf und Kragen riskiert hatte, wäre er dem Werwolf wohl nie auf die Spur gekommen, und wenn doch, hätte er Tage, wenn nicht gar Wochen dafür gebraucht. »Bei dem Herrn kommt Einiges zusammen.«

      Der Blick der Matrone weitete sich, zwischen Neugierde und Furcht hin- und hergerissen. Am Ende trug die Sensationsgier den Sieg davon, für Sydow, der sie wie zufällig aus dem Augenwinkel musterte, alles andere als eine Überraschung. »Und was genau?«

      »So leid es mir tut«, fügte der Kommissar mit dem Ausdruck tiefsten Bedauerns hinzu, eine seiner Glanznummern, mit der er sich schon oft aus der Affäre gezogen hatte. »Aber ich bin nicht befugt, Dritten gegenüber Auskünfte zu erteilen. Und schon gar nicht über laufende Ermittlungen, das sehen Sie hoffentlich ein. Nichtsdestotrotz wäre ich Ihnen für jeden Hinweis dankbar.

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