Gesammelte Werke von Xenophon. Xenophon
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Auf dem fünften Marsche erblickten sie ein königliches Schloß, umgeben von vielen Dörfern; der Weg dahin führte über hohe Hügel, die von einem Berge ausliefen, an dessen Fuße ein Dorf lag. Da diese Anhöhen nur mit feindlicher Reiterei besetzt waren, so war das für die Griechen natürlich ein angenehmer Anblick. Indessen, als sie von der Ebene aus den ersten Hügel erstiegen hatten und nun herabgingen, um den zweiten zu ersteigen, da griffen die Feinde, durch die Geißel getrieben,39 an und warfen, schleuderten und schossen von oben herab. Sie verwundeten Viele und nöthigten die leichten Truppen, sich durch die Hopliten und den innern Raum der Phalanx zum Troß zurückzuziehen, sodaß also Schleuderer und Bogenschützen für diesen Tag zum Gefecht völlig unbrauchbar waren. Die Griechen, vom Feinde im Rücken gedrängt, unternahmen nun einen Angriff auf ihn. Das abgeschickte Corps, schwerbewaffnet wie es war, erstieg mit Mühe den Hügel; die Feinde aber zogen sich schnell zurück. Da es nun, um zur Hauptarmee zu stoßen, wieder herabstieg, wurde es ebenfalls im Rücken angegriffen. Eben so ging es bei den andern Hügeln. Nun wurde beschlossen, auf der dritten Anhöhe die Truppen unterdessen stehen zu lassen und von dem rechten Flügel des Vierecks die Peltasten auf den Berg zu führen. Als nun diese ihren Standpunkt über dem Feinde erreicht hatten, wagte es dieser nicht mehr, die Griechen, die sich jetzt herunterzogen, anzufallen, aus Furcht, abgeschnitten und von zwei Seiten angegriffen zu werden. Die Griechen setzten nun, so lange der Tag noch währte, theils über die Hügel, theils über den Berg ihren Marsch fort und erreichten die Dörfer, wo sie wegen der vielen Verwundeten acht Wundärzte bestellten.
Hier blieben sie drei Tage, theils aus Sorgfalt für die Verwundeten, theils deshalb, weil sie hier eine Menge von Lebensmitteln, die der Satrap dieser Landschaft zusammengebracht hatte, wie Mehl, Wein und Gerste, die für die Cavalleriepferde aufgeschüttet war, vorfanden. Am vierten Tage zogen sie in die Ebene hinab. Als Tissaphernes sie mit seiner Macht wieder eingeholt hatte, lernten sie, von ihm selbst dazu veranlaßt, die Vorsichtsmaßregel, während eines Gefechts nicht weiter zu marschiren, sondern bei dem ersten Dorfe, das sie erreichten, sich zu lagern, denn eine große Anzahl Soldaten, die Verwundeten, ihre Träger und diejenigen, denen letztere ihre Waffen ausgepackt hatten, konnten bei dem Gefechte nicht gebraucht werden. Sie lagerten sich also, der Feind rückte gegen das Dorf und unternahm einen Angriff, wurde aber ohne Mühe zurückgeschlagen, denn es war ungleich leichter, durch einen Ausfall aus dem Lager den Feind zurückzutreiben, als auf dem Marsche sich gegen ihn zu vertheidigen. Es fing nun schon an Abend zu werden, und das war für die Feinde der Zeitpunkt zum Rückzuge; denn nie lagerten sie sich näher als sechzig Stadien von dem griechischen Heere, aus Furcht vor einem nächtlichen Ueberfalle. Für die Nachtzeit nämlich hat das persische Lager eine üble Einrichtung: die Pferde werden angebunden und größtentheils noch mit Fußschlingen versehen, damit sie nicht fortlaufen. Wenn nun ein Lärm entsteht, so muß der Perser sein Pferd satteln und zäumen, sich den Harnisch anlegen und dann erst kann er aufsitzen. Dies Alles macht bei Nacht, zumal im kriegerischen Getümmel, nicht geringe Schwierigkeit, und deshalb lagerten sie sich so weit von den Griechen.
Diese merkten jetzt an den Rufen der Feinde, daß sie sich zum Abzuge anschickten, und nun gaben auch sie, im Angesicht der Perser, das Zeichen zum Aufbruch. Die Letzteren verzögerten hierauf noch eine Weile ihren Marsch, endlich aber, als es schon spät wurde, zogen sie ab: denn sie hielten es ihrem Vortheile nicht angemessen, in der Nacht zu marschiren und ein Lager aufzuschlagen. Als nun die Griechen ihren wirklichen Abmarsch sahen, brachen auch sie auf und legten ungefähr sechzig Stadien zurück. Dadurch gewannen sie einen solchen Vorsprung, daß am zweiten und dritten Tage kein Feind zu sehen war. Am vierten Tage aber nahmen die Perser, nachdem sie in der Nacht den Griechen einen Marsch abgewonnen hatten, ihre Stellung sehr vortheilhaft auf der Höhe eines Berges, den die Griechen passiren mußten, und über den der Weg in die Ebene führte. Sobald Chirisophus dies bemerkte, ließ er den Xenophon vom Nachzuge herbeirufen, mit dem Befehl, die Peltasten zugleich hervorzuführen. Xenophon, ohne die Peltasten mitzubringen, denn er hatte den Tissaphernes schon mit seiner ganzen Macht erblickt, kam hervorgeritten und fragte nach der Ursache des Abrufs. »Die kannst du sehen,« sagte Chirisophus, »die Anhöhe, die unsern Marsch in die Ebene beherrscht, ist vom Feinde weggenommen, und wir können nicht weiter, ohne ihn zuvor hinunterzutreiben; aber warum bringst du nicht die Peltasten mit?« »Ich hielt es nicht für gut,« erwiederte Xenophon, »den Nachzug zu entblößen, wenn der Feind sich sehen läßt. Doch es ist Zeit, zu berathschlagen, wie man den Feind von der Anhöhe vertreibt.« Da Xenophon jetzt bemerkte, daß gerade über der griechischen Armee der Berg am höchsten emporragte, und daß von dem Gipfel aus ein Weg auf die vom Feinde besetzte Anhöhe führte, so sagte er: »Das beste Mittel, Chirisophus, ist hier, so schnell als möglich die Bergspitze zu ersteigen, denn haben wir diese, so können sie ihre Stellung auf jener Anhöhe nicht behaupten. Bestimme nun selbst, wer von uns Beiden die Ausführung übernehmen und wer bei der Armee bleiben soll.« – »Ich überlasse dir die Wahl,« sagte Chirisophus. »Nun, da ich jünger bin,« erwiederte Xenophon, »so will ich marschiren,« und zugleich verlangte er Mannschaft aus dem Vordertreffen, weil der Weg vom