Wassergeflüster. Группа авторов

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Wassergeflüster - Группа авторов

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Mein Vater thronte, von drei halb ausgetrunkenen Bierflaschen und erkalteter Pizza beraten, gleich einem veralteten Prinzen auf der linken Seite eines gebrechlichen Plastiktisches. Ich weckte ihn auf, aber er schien mich nicht sofort zu erkennen. Endlich begann sich ein Lächeln in seine Gesichtszüge zu mogeln.

      „Ich habe dir Pizza mitgebracht!“

      Ich nickte stumm und half ihm hoch. Seine Beine gaben leicht nach und er musste sich an meiner Schulter stützen, bis wir den Gang erreichten.

      „Hol noch dein Werkzeug. Ich fahr schon mal den Wagen vor.“

      Die Straße lag verlassen vor mir. In keinem der gegenüberliegenden Häuser des Straßenzuges konnte ich Licht erkennen. Nein, noch war dieser Ort nur tagsüber lebenswert. Gedankenverloren prallte ich mit der Kniescheibe gegen die Stoßstange des VWs und fluchte laut. Immer noch mein Bein reibend, ließ ich den Motor an und parkte vor unserem Haus. Mein Vater wartete bereits ungeduldig auf mich und fing die Schlüssel behände auf, als ich sie ihm über das Dach hinweg zuwarf. Ohne weiteren Kommentar stiegen wir ein und fuhren los. Nach einer Weile schaute mein Vater herausfordernd zu mir herüber.

      „Willst du mal was sehen?“

      Ich nickte und er bremste scharf. Nachdem er einen Blick in den Rückspiegel geworfen hatte, hielt er an und stieg aus. Er winkte mir, ebenfalls auszusteigen. Als ich mich weigerte, kehrte er mir den Rücken zu und verschwand in der Nacht. Ich stöhnte laut, machte die Scheinwerfer an, um den Wagen in der Dunkelheit erkennbarer zu machen, öffnete die Tür und folgte ihm auf eine schmale Fußgängerbrücke.

      Ich fand ihn an einen der schrägen Brückenpfeiler gelehnt. Seine Augen funkelten verschlagen.

      „Wo sind wir hier?“

      „Auf der alten Eisenbahnbrücke. Wurde nun zu einem Übergang. Denke, du hast noch etwas Kraft übrig?“

      „Wozu?“

      Er begann zu grinsen, und seine Hand fuhr langsam nach oben. Dann ging er auf den Pfeiler zu, schlang seine Arme und Beine um ihn und begann, sich die Schräge entlang langsam nach oben zu ziehen. Ich lachte genervt auf:

      „Komm runter! Los, lass uns weiterfahren.“

      Er reagierte nicht. Ich konnte sein regelmäßiges Schnaufen hören und wie seine Beine gegen das Metall schabten. Ich fluchte leise, klammerte mich ebenfalls an den Pfeiler und folgte ihm. Es war unmöglich einzuschätzen, wie weit der Pfeiler nach oben reichen würde, also konzentrierte ich mich auf das kühlende Metall vor mir und orientierte mich an meinen Atemzügen. Nach einer Weile baumelte die Hand meines Vaters vor meinem rechten Auge.

      „Du hast es gleich geschafft. Nimm meine Hand, ich zieh dich hoch.“

      Kurz darauf lag ich prustend und schnaufend vor ihm auf den futuristischen Metallstreben der Brücke. Er lächelte noch immer, dann streckte er seine Arme aus und balancierte langsam das glatte Metall entlang. Ich folgte ihm mit kleineren, unsicheren Schritten. Als er den nächsten Pfeiler erreicht hatte, hielt er an und setzte sich. Als ich zu ihm stieß, klopfte er nur dreimal anerkennend auf den dumpf klirrenden Stahl und starrte weiter auf die unter uns glucksende Donau. Ich setzte mich, immer noch heftig schnaufend, neben ihn.

      „Schön hier, oder?“

      Ich nickte, denn er hatte Recht. Selbst jetzt in der Dunkelheit war der Ausblick unglaublich. Die Schatten vereinzelter Bäume drängten sich gegen das milde Schwarz der Nacht, unter uns das gleichmäßige Rauschen des Flusses und ein warmer Ostwind, der den Schweiß von unserer Stirn fegte. In der Entfernung warfen Autofahrer vereinzelt skeptische Blicke auf unseren VW, der immer noch mit eingeschalteter Beleuchtung wie ein langsam verlöschendes Glühwürmchen am Straßenrand stand. Die Worte meines Vaters sirrten durch die Frühlingsluft, schienen mehr an ihn selbst als an mich gerichtet:

      „Weißt du, was das Trügerische an einem Bild oder einem Film ist? … sie zeigen uns nur, was wir sehen wollen und nicht das, was wir sehen sollten. Jedes Meer, jeder See und jeder Fluss, die in einem Film friedlich ihre Wellen schlagen oder vor sich hinfließen, könnten in Wirklichkeit gerade ein Schiff zum Kentern bringen, einen Schwimmer verschlingen, der sich zu weit vom Ufer entfernt hat, oder dein Haus zusammen mit deinem ganzen Hab und Gut verschlucken. Natürlich gilt dies auch andersrum. Allerdings habe ich das noch nicht erlebt …“

      Er seufzte lange und ließ sich dann nach hinten gleiten, sodass seine Beine von einem Ende des Brückenbogens baumelten und sein Kopf von dem anderen. „... dennoch, die Sterne sind heute wirklich schön.“ Dann schwieg er.

      Wenig später beschlossen wir zurückzukehren. Unser Auto stand noch an der gleichen Stelle, die Beleuchtung war allerdings ausgefallen. Der Versuch, den Wagen zu starten, scheiterte dementsprechend kläglich. Nach einem weiteren vergeblichen Versuch warf mir mein Vater einen kurzen Seitenblick zu: „Hast du Empfang?“

      Ich verneinte, und er nickte kurz ab.

      „Dann werden wir wohl auf die ersten Passanten oder Vorbeifahrenden warten müssen.“

      Wir beschlossen, uns für die Passanten zu entscheiden und kehrten auf den Übergang zurück.

      „Diesmal aber unten, oder?“, fragte ich ihn wie beiläufig auf unserem Weg dorthin. Die Frage war dennoch ernst gemeint, er lachte aber nur laut auf und zog mich an seine Schulter.

      „Wenn es dir so lieber ist. Zigarette?“

      Ich nahm dankend an, und so standen wir rücklings zum Übergang rauchend in der aufgehenden Sonne und starrten auf das Vorbeitreibende unter uns. Am Horizont sahen wir die stählerne Silhouette eines Schiffes, das wie eine Illusion aus dem Dunkelbraun herauszusteigen schien, auf uns zuhalten. Mein Vater drehte sich mit einem verschmitzten Lächeln zu mir um:

      „Habe ich dir eigentlich schon mal erzählt, wie Herzog die Affen für die letzte Szene bekommen hat? …“

       Näheres zum Autor erfahren Sie unter folgendem Link:

       http://www.wassergefluester.com/autoren/schreibwerkstatt-regensburg/florian-weigl

      SIMONE BAUER

      Rama dama!

      0991/3615777. Eine Nummer, die ich vermutlich nie im Leben wieder vergessen werde. Sie hat sich eingebrannt, ebenso wie der Klingelton der Telefone. Nie stehen sie still. Zuerst war es nur ein Anschluss gewesen, doch inzwischen haben wir zehn dauerschrillende Geräte und über die Hotline sind wir an der Technischen Hochschule Deggendorf ständig erreichbar. Für viele ist es ein Fluch, rund um die Uhr erreichbar zu sein, sei es auf dem Handy oder in den sozialen Netzwerken, doch in Situationen wie der momentanen ist die moderne Technik ein wahrer Segen. Wie haben die Menschen zu Notzeiten das wohl früher geschafft?

      Während ich mir selbst diese Frage stelle, kratze ich mich kurz am Kopf. Vermutlich hätte die Feuerwehr massive Probleme gehabt, war sie doch eh schon rund um die Uhr im Einsatz. Sie wäre auf sich alleine gestellt gewesen, denn auch ihre Notrufleitung wäre vielleicht einfach verstummt. Doch zum Glück haben wir diese Mittel und ich konnte die Feuerwehr einfach darauf ansprechen, wie ich mich denn an den Rettungseinsätzen beteiligen könne.

      Ich musste mich nicht in Sicherheit bringen, nur ein paar Sachen in der Werkstatt meines studentischen Vereins in Fischerdorf hochstellen.

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