Anleitung für Simulanten. Gisbert Roloff

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Anleitung für Simulanten - Gisbert Roloff

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den beiden Katzen für vollkommen harmlose Zeitgenossen; Diddl-Maus wurde Beate Zschäpe geradezu liebevoll genannt.

      Und um die mächtigen religiösen Bewegungen nicht zu vergessen: Wer hat sich noch nie über die Undercover-Agenten Gottes geärgert, die Theologie in Psychodeutsch auflösen und in betont juvenilem Räuberzivil auftreten? Und über die christlichen Verführer, die sich im Schutz ihrer Soutanen an Kinder heranmachen? Von den als Studenten getarnten Killerkommandos islamischer Fundamentalisten, die die westliche Welt in Schrecken versetzen, gar nicht zu reden.

      Täuschen – und wer das alles kann

      Einige Tierarten verschaffen sich Vorteile mit angeborenen Verhaltensweisen, die zwar automatisch und stereotyp abgespult werden, also ohne bewusste Täuschungsabsicht, aber Feinde und Artgenossen erfolgreich austricksen können. Nur ein Beispiel, das Sie vielleicht noch nicht kennen: Glühwürmchen, die den angelockten Partner fressen. Paarungsbereite Glühwürmchen finden sich über die Leuchtsignale, die Männchen wie Weibchen aussenden. Das nutzen Weibchen einer nah verwandten Art zum Beutefang. Sie imitieren das Leuchtintervall der begehrten Verwandten, locken damit deren Männchen an und verspeisen die sexbereiten Tölpel unverzüglich, anstatt sich mit ihnen zu paaren.

      Und noch eine unglaubliche Geschichte: Wussten Sie, dass die Raupen mancher Schmetterlingsarten gnadenlose Untermieter in einem Ameisenbau werden können? Tja, diese Raupen ziehen als Nutznießer ein, obwohl die Bauten streng bewacht werden. Wie der Trick aussieht, den sie benutzen? Ziemlich raffiniert. Jede Raupe kann sich zu einem Ball rollen und den Duft von Ameisenlarven verströmen. Und die vom Duft betörten Ameisen tragen die simulierende Raupe in den Bau. Dort imitiert sie die Laute einer Ameisenkönigin, die um Futter bettelt. Sofort wird sie gefüttert, als sei sie die echte Königin. Sie wird auch bevorzugt fortgetragen, falls dem Bau die Zerstörung droht. Ganz schön bescheuert, diese Ameisen, oder nicht?

      Und der Homo sapiens? Hat nicht die Geschichte der falschen Zarentochter Anastasia, die 1920 in Berlin auftauchte und sich als die jüngste Tochter von Zar Nikolaus II. ausgab, der Boulevardpresse viele Jahrzehnte hinreichend Stoff geliefert? Und den Historikern, Schriftstellern, Drehbuchautoren ein fabelhaftes Thema? Allein acht Filme sind dazu entstanden.

      Und was war mit dem Schuster Voigt, der sich in Potsdam eine Uniform kaufte und als Hauptmann von Köpenick unsterblich wurde? Aus diesem Täuschungsmanöver sind hervorgegangen: ein Theaterstück von Carl Zuckmayer, zwei Verfilmungen, ein Museum und jeden Samstag in Köpenick noch einmal das ganze Spektakel für die Touristen.

      Es hat auch seine Gründe, dass ein Lieblingsspiel unserer Jüngsten „Komm, wir verkleiden uns“ heißt, dass an Regentagen von Berlin bis Einödhausen Prinzessinnen, Seeräuber und Indianer die Kinderzimmer bevölkern. Und was ist mit dem Rausch des Kostümierens, wenn für die Erwachsenen die „fünfte Jahreszeit“ anbricht? Das Spiel des Tarnens und Täuschens, das wir alle zu gern spielen, weil wir dann besser, schöner, bedeutender scheinen, als wir sind. „In jedem von uns steckt ein kleiner Hochstapler oder Blender“, schreibt Franziska Lamott in ihrem Aufsatz über „Hochstapler, Gauner und andere Ganoven“, und wir werden ihr nicht widersprechen.

      Und hätte der Homo sapiens nicht sein herausragendes Talent zu variabler Mimikry und zur Imitation von Verhalten, wo blieben all die Verkleidungsorgien, die Oper, Theater, Kabarett erst möglich machen? Von den Schauspielern und Spaßmachern ganz zu schweigen.

      Jammervoll wird es erst, wenn einsame Frauen von Heiratsschwindlern hereingelegt werden, wenn vertrauensselige Menschen an ihrem Lebensabend das Ersparte an Aktienbetrüger verlieren und so fort.

      Aber noch ein anderes Beispiel aus unserem Alltag: Schlagen Sie die Zeitung auf, lesen Sie von Steuersündern und Steuerparadiesen, als hätte Gott mit diesen Formen des Betrugs zu tun, ja, als wäre er es, der Orte einrichtet, die umfangreiche kriminelle Machenschaften erlauben. Semantische Mimikry nennen die Fachleute diese beschönigenden sprachlichen Formulierungen, und wenn Sie in Zukunft beim Zeitunglesen darauf achten, werden Sie merken: Es gibt sehr viele. Zum Beispiel geben wir zu, etwas geschummelt zu haben, wenn wir beim Lügen erwischt werden. Wir sagen einschlafen und meinen sterben, wir sprechen vom Lebensabend und meinen das Alter, wir sagen Seniorenresidenz und haben das Altersheim um die Ecke im Sinn. Totengräber gehören heute zu einem Grüfte-Team, das kräftige Wort Gottesacker haben wir erst in den Friedhof und jetzt in einen Ruhewald verwandelt; Urnen werden sogar in einem Rosen- oder Apfelhain vergraben. Und wie lauten die Sprachregelungen unserer Afghanistan-Kämpfer? „Wir haben sie gehört, aber wir konnten nicht auf sie einwirken..“ Ahnen Sie, was das heißt? Im Klartext: Wir konnten nicht auf sie schießen.

      Der Rabe, der mit der geklauten Beute abhaut. Klauen konnte er nur, weil er seinen rangtieferen Kumpanen getäuscht hat.

      Tricks als Werkzeug, um mehr vom Kuchen zu ergattern

      In der Hirnentwicklung höher stehende Tiere – und selbstverständlich auch wir Menschen – sind in der Lage, auf die jeweilige Situation mit Werkzeuggebrauch, mit Intelligenz und Lernen zu reagieren. Entsprechend vielfältig und ausgeklügelt sind dann die Täuschungsmanöver.

      Von diebischen Elstern weiß die deutsche Sprache, auch von klauenden Raben. Dass letztere sich untereinander Nistmaterial stehlen, ist schon länger bekannt. Aber sie bestehlen sich nicht nur, sie tricksen sich auch gegenseitig aus, um das Futterversteck des anderen zu plündern. Raben, die aus einem fremden Futtervorrat etwas stibitzen wollen, locken den Besitzer fort, indem sie irgendwo abseits auf dem Weg picken, so, als hätten sie selbst Futter gefunden. Der getäuschte Tor fliegt herbei, vertreibt den Trickser und untersucht die Stelle am Weg. Der Trickser wiederum fliegt schleunigst zum Platz des Ausgetricksten und frisst, was er dort findet. Nun gut, Mundraub, werden Sie sagen. Oder auch: Betrogene Betrüger.

      Aber wissen Sie, was unsere nächsten Verwandten, Schimpansen und Gorillas, alles treiben? Dass sie einander mit Wurfgeschossen traktieren, und zwar erst dann, wenn das auserkorene Opfer nichts Böses mehr vermutet? Solange der Artgenosse ihnen zuschaut, halten die Angreifer das Wurfgeschoss hinter dem Rücken; sie holen es blitzschnell hervor, wenn der andere sich abgewandt hat. Soll auch Zoobesuchern schon passiert sein. Also seien Sie bei Ihrem nächsten Gang in den Zoo vorsichtig!

      Mit einem anderen Trick locken Gorillas ihre Rivalen in einen Kampf. Sie werfen ein Fundstück so gegen einen Baum, dass der Rivale sich erschreckt und wie gewünscht in ihre Richtung und ihnen in die kampfbereiten Arme rennt. Und dann gibt es mächtig Prügel.

      Tja, und um Paarungsverhalten und Sex nicht zu vergessen: Manch Verführer unter den Schimpansen präsentiert seinen erigierten Penis, der sich schön rot vom dunklen Fell abhebt, so geschickt hinter vorgehaltener Hand, dass er zwar sehr wohl von einem Weibchen bemerkt wird, nicht aber vom Pascha der Gruppe. Entdeckt jedoch der Pascha, dass da ein Rangniederer eines von seinen Weibchen besteigt, erzeugt der Schlingel sofort Konfusion, indem er seinerseits einen im Rang noch tieferen angreift. Und da die Ejakulation bei Schimpansen in wenigen Sekunden erledigt ist – eine längere Zeitspanne wäre viel zu gefährlich –, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass unser tricksender junger Freund zum Zuge kam.

      Fazit: Schimpansen und Gorillas täuschen oft und intelligent.

      Erst Steine sammeln, dann werfen: Der Schimpanse Santino, ein Star der vergleichenden Intelligenzforschung, mitten in einer seiner Aktionen. Gleich wird er sich blitzschnell umdrehen und die Steine, die er sich vorher zurechtgelegt hat, auf die gaffenden Menschen schleudern. Kann man ein bisschen nachfühlen, oder nicht? Manchmal täuscht er besonders raffiniert, weil er an einem Apfel kauend

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