Heilen ohne Medikamente. Andreas Winter
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Nun wissen Sie, dass Sie im Umgang mit lernfähigen Kindern sehr behutsam sein müssen, da diese nach kurzer Zeit automatisch davon ausgehen, dass A und B zusammengehören. Die Konditionierung ist leider ein unglaublich mächtiger Faktor beim Erlernen von Verhaltensweisen – sie begleiten einen Menschen oft ein Leben lang. Daraus resultierende Verhaltensmuster nehmen ihren Ursprung in der Kindheit und werden durch Wiederholung, Bestätigung und tiefe emotionale
Eindrücke verstärkt und unterbewusst auf weitere Reize generalisiert. In Zusammenhang mit Stress lassen sich Konditionierungen übrigens wesentlich effektiver, nachhaltiger und schneller schaffen als mit Glücksgefühlen – das korrespondiert mit dem, was ich weiter oben bereits erwähnte: Stress hat eine höhere Relevanz für uns (→ Seite 30). Solche unterbewussten Verknüpfungen lassen sich jedoch dank der hier beschriebenen Coachingtechniken gut und schnell wieder auflösen.
Beispiele: Erlernte Reiz-Reaktions-Paare
Orale Stimulation und Mutterliebe werden so lang verknüpft, bis das Kind tatsächlich glaubt, ein Schnuller im Mund würde beruhigen, und womöglich bis zum Lebensende das Gefühl hat, bei Stress durch Einsamkeit oder Hilflosigkeit etwas essen zu müssen – selbst wenn der Körper bereits übergewichtig ist. Eine Wespe oder Biene braucht uns nur einmal zu stechen oder überbesorgte Eltern wedeln aufgeregt rufend mit einer Zeitung herum und warnen das nichtsahnende Kind – schon werden wir bereits beim Anblick einer völlig harmlosen gelb-schwarzen Schwebfliege oder Hummel ängstlich. Das sogenannte Fremdeln bei Babys, die beim Anblick eines bärtigen Mannes anfangen zu weinen, lässt sich oft darauf zurückführen, dass der Mundschutz der Geburtshelfer, die vom Kind als stressauslösend empfunden werden, an einen Bart erinnert. Wenn dann also Wochen später ein bärtiges Gesicht auftaucht, befürchtet das Baby erneut nachgeburtliche Untersuchungen mit schmerzhaften Blutentnahmen und unkomfortablen Prozeduren.
Erforscht wurde die immense Verknüpfungsfähigkeit des Gehirns übrigens bereits Anfang des letzten Jahrhunderts vom russischen Naturforscher und Nobelpreisträger Iwan Pawlow (1849 – 1936). Dieser stellte fest, dass immer dann, wenn er seine Laborhunde füttern wollte, die Tiere in freudiger Erwartung aufsprangen, noch bevor er die Näpfe gefüllt hatte. Er untersuchte diese Beobachtung wissenschaftlich. Dazu schlug er ein kleines Glöckchen an, kurz bevor er den Tieren etwas zu fressen gab. Dies setzte er drei Wochen lang täglich fort und kontrollierte dabei, wie die körperliche Reaktion der Hunde auf das Glöckchen ausfiel. Dazu maß er in einem kleinen Röhrchen den Speichelfluss des Tieres, eine Reaktion auf das zu erwartende Futter. Anfangs reagierten die Hunde auf den Ton noch nicht mit Speichelfluss. Mit dem Glockenton wurde noch nichts Weiteres verknüpft. Doch bereits nach drei Wochen konnte er beobachten, dass die Hunde schon allein auf den Glockenton mit Speichelfluss reagierten. Der Körper des Hundes zeigte eine Reaktion. Pawlow hatte nur das Glöckchen angeschlagen und gar kein Futter ausgeteilt, trotzdem bekamen die Hunde Speichelfluss – eine Verknüpfung zwischen Glöckchen und Futter hatte stattgefunden. Den Tieren lief das Wasser im Mund zusammen, weil sie erwarteten, es gäbe gleich etwas zu fressen.
Die Wissenschaft nennt dies eine bedingte (konditionierte) Reaktion. Mit anderen Worten: Ein Verhalten wurde durch den zweiten Reiz einer nicht kausal begründeten Wenn-dann-Beziehung ausgelöst. Für die Hunde wurde durch das stetige Zusammentreffen zweier Reize (Futter und Glockenton) ein Symbol erzeugt. Nicht wegen des Tons, sondern aufgrund der damit verknüpften Erwartung des Futters reagierten sie mit Speichelfluss.
Ist es nicht schon fast eine Frechheit? Das Wissen über Konditionierungen ist bereits seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts bekannt und wurde sogar mit einem Nobelpreis bedacht. Und trotzdem werden klassische Reiz-Reaktions-Muster wie Rauchen, Allergien und Naschzwang von der WHO als Krankheiten oder Süchte bezeichnet – mit der Konsequenz, dass sie eine langwierige medikamentöse Behandlung erfordern. Das ist meines Erachtens vorsätzliche Volksverdummung unter Inkaufnahme von Todesfällen. Die Praxis zeigt ganz eindeutig: Konditionierungen spielen eine zentrale Rolle bei der Psychosomatik. Allerdings muss man in der Patientenbiografie sehr weit zurückgehen, wenn man den Ursprung aufdecken will.
Depressionen und Introvertiertheit nehmen ihren Ursprung bereits vor der Geburt, bedingt durch die sich zunehmend ausbildende Verschaltungsfähigkeit, Intelligenz genannt. Wenn Sie also ein Kind empfangen haben, dann seien Sie als Mutter vorsichtig mit dem, was Sie dem Kind gegenüber empfinden, und dem, was Sie generell empfinden. Das Beste wäre, Sie vermeiden während der gesamten Schwangerschaft Angst machende Situationen. Allein die Besorgnis eines unerfahrenen Arztes kann eine junge Mutter derart unter Stress setzen, dass das Kind vorzeitig die Wehen auslöst. In den Kriegsjahren 1944/1945 sind oft nach Fliegeralarmen Kinder frühzeitig zur Welt gekommen. Zur Erklärung sollte man wissen, dass die Geburt tatsächlich mittels eines chemischen Signals vom Embryo veranlasst wird und nicht vom mütterlichen Organismus. Das Baby registriert, wann seine Entwicklungsmöglichkeiten in seiner bisherigen Umgebung erschöpft sind. Stellen Sie sich vor, es wird immer enger, das Baby braucht Bewegung und Sauerstoff. Irgendwann nimmt der Stress im Mutterleib enorm zu, und das Kind entscheidet, sein Dasein an einem anderen Ort fortzusetzen. Ich begreife das embryonale Auslösen der Geburt als eine Art Selbstmord. Der Embryo hat selbstverständlich keine Todesabsicht, aber die hat ein Suizidaler auch nicht. Er will lediglich die Bedingungen des Jetzt verändern und nimmt dafür alles in Kauf. Die Geburt ist damit, so zeigt sich in der täglichen Praxis durch Befragung in Hypnose, ein notwendiges Übel, das man nicht noch verschlimmern sollte. Doch genau das geschieht zumeist in den zivilisierten Ländern. Hier wird oft bereits den Neuankömmlingen in unserer Gesellschaft ein Trauma bereitet, welches man mit psychologischen Analyseverfahren noch bis ins hohe Alter nachweisen kann. Der Charakter mit all seinem Konfliktpotenzial entstammt gleichsam unserer frühesten Kindheit. Die meisten unserer Verhaltensmuster werden in dieser Zeit unterbewusst entworfen – und damit auch unsere potenziellen Symptome.
Viele Menschen sind überrascht, wenn ich ihnen erkläre, dass sie als Kind in den ersten drei Jahren des Lebens ab Zeugung Erlebtes rein emotional erfahren haben und sie daher keinerlei zeitliches Einordungsvermögen hatten. Die Konsequenz, dass Bedrohliches als Situation von ewiger Dauer abgespeichert wird und somit ein Angstmuster erzeugen kann, verblüfft viele, wenngleich dies den meisten Klienten einleuchtet. Da dieses Ur-Trauma vom Kind als existenzbedrohlich empfunden und völlig unterbewusst verschaltet wird, kann es ein Leben lang durch entsprechende Trigger, also Erinnerungen, die die gleiche körperliche Stresssituation auslösen wie während des Ursprungserlebnisses, aufgerufen werden. „Genau das ist ja der Grund, warum Angehörige immer so ratlos sind, wenn sie sehen, wie bei einem erwachsenen Menschen durch einen harmlosen Fahrstuhl, eine bevorstehende Flugreise oder einen Zahnarzttermin eine überschießende Panikreaktion ausgelöst wird“, erkläre ich dann. Ein Erwachsener empfindet Situationen mit einem ganz anderen kontextuellen Verständnis als ein Kleinkind – er weiß, dass Dinge einfach wieder vorbeigehen und man sie auch aushalten kann. Ein Kind weiß das nicht. Dinge, bei denen ein Erwachsener nur gelassen mit den Achseln zuckt, erscheinen einem Kind wie eine lebensbedrohliche Katastrophe – und umgekehrt: Dinge, bei denen ein Kind glaubt, sein Leben wäre nun zu Ende, empfindet ein Erwachsener als überschaubare Lappalie.
Da die Logik der Symptome aber auf der Reife und der Macht eines Säuglings oder Kleinkindes basiert, welches sich vor der Wiederholung einer Traumatisierung schützen will und dieses Schutzmuster folglich im Unterbewussten konzipiert, wird ein Symptom immer deutlicher und stärker, je öfter die zu vermeidende Befürchtung eintritt. Je öfter ein Mensch re-traumatisiert wird, desto schlimmer wird seine Krankheit. Wenn Sie einfach nur Symptome bekämpfen, fürchtet der Mensch unterbewusst den Verlust seines Schutzkonzeptes – und das Symptom verschlimmert sich.
Unser Denken beginnt also bereits weit vor der Geburt (was in unserer Gesellschaft noch völlig unterschätzt wird). Darüber hinaus kann unser Gehirn nichts vergessen und jederzeit alles Datenmaterial abrufen (erinnern), vorausgesetzt, wir nutzen es erlebend (passiv). Und was diese Fähigkeit unseres eigenen