Beruf Bäuerin. Susann Bosshard-Kälin

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Beruf Bäuerin - Susann Bosshard-Kälin

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die nicht im Internat der Klosterschule lebten. Mit dem Töffli fuhr ich jeden Morgen von daheim übers Feld hinüber ins Fahr. Von Haushalt und Kochen wusste ich recht wenig – das hatte ich immer Mutter überlassen. So profitierte ich sehr viel von den 20 Wochen Unterricht – vor allem im Garten und in der Küche. Schwester Petra, die Kochlehrerin, ist mir noch in lebhafter Erinnerung. Ihre Tipps und Tricks für die schnelle und praktische Küche habe ich nicht vergessen. Ich bin beim Kochen keine Pröblerin, meist muss es speditiv gehen. Heute etwa gab es Speck und Sauerkraut, etwas Währschaftes. Ich brauche tagtäglich, was ich dort im Fahr lernte. Bei den Freizeitarbeiten an der Schule, beim Stricken und Nähen, musste ich allerdings passen. Diese Fächer waren abends angesagt, und da war ich dann entweder zu Hause oder im Turnverein aktiv. Auch für meine Aussteuer habe ich im Fahr nichts gemacht, habe keine Leintücher gewoben! Die meisten meiner Schulkameradinnen kamen aus der Innerschweiz und waren katholisch. Dass ich reformiert war und Zürcherin, gab nie Anlass zu Diskussionen. Ganz selbstverständlich nahm ich an den Gebetsstunden und Gottesdiensten im Kloster teil, wie die anderen Schülerinnen auch. Ich finde, die Christen sollten zusammenhalten, Reformierte und Katholiken sich nicht gegenseitig ausgrenzen.

      Leider sind meine Freundschaften von damals etwas im Sand verlaufen. Weshalb, weiss ich eigentlich nicht. Mit den Frauen, die acht Jahre später mit mir zusammen das Eidgenössische Bäuerinnendiplom absolvierten, bin ich stärker verbunden; der Austausch mit den Kursteilnehmerinnen von unterschiedlichen Betrieben hat mir viel gebracht. Mit dem Zertifikat hätte ich Lehrtöchter im Haushalt haben können. Aber wir bildeten Landwirtschaftslehrlinge auf dem Betrieb aus, und damit war das Gastzimmer belegt.

      Rückblickend finde ich: Die Umstellung vom Bürofräulein zur Bäuerin ist mir recht gut gelungen. Dank der Ausbildung im Fahr und vor allem dank meiner Schulfreundin. Bei ihr hatte ich während vieler Jahre erfahren, wie es auf einem Bauernhof zu und her geht und wie Alt und Jung einträchtig miteinander leben und auskommen können. Sicher war es gut, dass wir zwei Generationen im «Wiesentäli» von Anfang an in getrennten Wohnungen lebten. Wir arbeiteten Seite an Seite, assen aber selten gemeinsam. Das schenkte tagsüber immer wieder etwas Abstand und gab Luft.

      Auf dem ehemaligen Hof der Haugs im Dorf hätte es kaum Platz gehabt für zwei Generationen. So haben meine Schwiegereltern in kluger Voraussicht im Jahr vor unserer Hochzeit ausgesiedelt. Durch einen Landabtausch konnten sie im Grünen einen neuen Hof bauen. Das Limmattal entwickelte sich immer mehr zur boomenden Gegend am Stadtrand von Zürich. Ein Bauernbetrieb nach dem anderen verschwand. Heute kann man die Bauernhöfe in den umliegenden Gemeinden bald an einer Hand abzählen. Der Trend ist unaufhaltsam. Das Kulturland wird durch die vielen Wohn- und Industriebauten immer knapper. Einschneidend im wahrsten Sinn des Wortes war der Bau der Nationalstrasse: 40 Hektaren wertvolles Kulturland ging dadurch verloren. Wenigstens heisst der grosse Verkehrsknotenpunkt Limmattaler und nicht Weininger Kreuz. Sonst wären wir jeden Morgen schon in aller Frühe negativ in den Nachrichten!

      Bei uns am Tisch wird rege politisiert. Mir gefällt das. Zurzeit ist der Ausbau einer dritten Röhre am Gubrist, dem verkehrstechnischen Nadelöhr Nummer eins in der Schweiz, das grosse Thema. Mein Mann kämpft politisch an vorderster Front gegen das Bundesamt für Strassen, damit unser Dorf statt mit den vorgesehenen 100 Metern mit 270 Metern Lärmschutzmassnahmen geschützt wird. Aber lassen wir die Politik …

      Viele Leute erstaunt es, aber wir trinken nicht jeden Tag Wein. Zum Mittagessen schon gar nicht. Wir arbeiten ja mit Maschinen auf dem Hof, da kann man sich nichts erlauben. Oft werde ich gefragt, welches mein Lieblingswein sei. «Jeder», sage ich dann diplomatisch. Immer wieder bauen wir neue Sorten an. Die Planung und alle Details dazu besprechen mein Mann und ich zusammen. Wenn ich mit der Züglete hier in der Wohnung fertig bin, helfe ich ihm nächste Woche auch beim Schneiden der Rebstöcke.

      Wir sind hier im Wiesentäli auch Gastgeber. Unsere Gäste kommen gerne zu uns aufs Land raus und schätzen es, den Wein zu trinken, der hier wächst und vor Ort verarbeitet wird. Jeweils am Muttertag sind bis zu 700 Personen bei «Jazz, Brot und Wein» am Hoffest. Im Sommer sind wir am Rebblütenfest im Dorf mit engagiert, und in unserer Remise bewirten wir die Gäste auf Bestellung in der «Wirtschaft zur Goldigä Trubä». Eine Besenbeiz haben wir jedoch nicht. Die müsste regelmässig zu bestimmten Zeiten offen sein, und das könnte ich nicht gewährleisten. Wenn eine Menge Anlässe gleichzeitig stattfinden, komme ich schon ab und zu an meine Grenzen. Letztes Jahr habe ich ein neues Kniegelenk bekommen und war eine Zeitlang ausser Gefecht gesetzt. In solchen Situationen lernt man automatisch, etwas loszulassen und auch einmal Hilfe anzunehmen!

      Ich bin mit Herzblut Bäuerin. Aber schon als unsere Kinder klein waren, war es für mich wichtig, eine Aufgabe ausser Haus zu haben, etwa in der Oberstufenschulpflege, als Kassierin der Damenriege oder als Kommissionspräsidentin fürs Jugendturnen. Während Jahren war ich zudem als Vertreterin der Landfrauen im Konsumentinnen-Forum – eine interessante Tätigkeit, die neue Kontakte brachte. Die Ortsvertretung der Zürcher Landfrauen in Weiningen ist meine jetzige Aufgabe. Wir haben noch 50 Mitglieder, darunter viele, die nicht Bäuerinnen sind, sich aber für die Kurse und Angebote der Landfrauen interessieren. Ja, die Zukunft von uns Bäuerinnen ist schwierig vorauszusehen. Eines der Probleme ist, dass Frauen mit guter Ausbildung, die später einen Bauern heiraten, oft in ihrem angestammten Beruf weiterarbeiten möchten. Dadurch haben sie aber weniger Zeit, auf dem Hof mitzuarbeiten. Oft fällt der ausserhäuslichen Tätigkeit der Garten für die Selbstversorgung zum Opfer.

      Im letzten Jahr bin ich 60 geworden. Ich hoffe, über das AHV-Alter hinaus auf dem Betrieb weiter tätig sein zu dürfen. Ich bin zufrieden und fühle mich gesund. Vielleicht gibt es für Hanspeter und mich in absehbarer Zeit wieder einmal ein Reisli – es muss ja nicht gleich Amerika oder Australien sein.

      Marie-Theres

      Marie-Theres Waser-Küttel ist 1956 geboren und lebt in Stans NW.

      «Mich bringt fast nichts aus der Ruhe. Das Wetter schon gar nicht – höchstens wenn ich frühmorgens die Schneeketten montieren muss, wirds heikel.»

      Ob sie die Umgebung für ihr Porträt selbst bestimmen könne? Am liebsten wäre ihr das St.-Rochus- Chappäli in Oberdorf. In diese historische Kapelle sei sie oft z’Chilä. Auch mit ihren Kindern. Der Ort sei ihr viele Jahre lang eine wichtige Kraftquelle gewesen. Kaum 100 Meter vom Kirchlein weg steht der Bauernhof ihres Ex-Mannes. Der müsse nicht aufs Bild, lieber noch etwas Natur. Nach dem Fotoshooting fährt Marie-Theres Waser-Küttel uns mit dem kleinen, blauen Wagen in ihr neues Zuhause – zufälligerweise wieder bei einer Kapelle, diesmal St. Josef gewidmet. Hier wohnt sie erst seit wenigen Monaten. Ihre geräumige Wohnung hat in alle vier Himmelsrichtungen Fenster. Und die begeisterte Berggängerin sieht den Pilatus, das Stanser- und Buochserhorn, den Bürgenstock, ja sogar Vitznau – ihre alte Heimat.

      Letzten September wusste ich: Jetzt brauche ich etwas Eigenes. Zuerst fühlte ich mich etwas zwischen Stuhl und Bank. Die Wohnung in Dallenwil, in der ich mit meinen Söhnen gelebt hatte, kündigte ich. Ohne etwas Neues auf sicher zu haben. Aber ich sprach mir Mut zu: «Du bekommst, was du brauchst!» Im «Nidwaldner-Blitz» stiess ich auf die Annonce für diese Wohnung und erhielt mit Glück den Zuschlag. Jetzt kann ich in meinen ersten eigenen vier Wänden zur Ruhe kommen. Die letzten Jahre waren ein dauerndes Loslassen. Aber ich weiss, wenn ich loslasse, kommt Neues.

      Meine fünf Kinder gaben mir immer Halt und die Kraft, nicht aufzugeben, weiterzukämpfen. Jetzt muss ich sie aber loslassen und nicht als mein Eigentum betrachten. Ich sagte ihnen: «Denkt nicht, ich käme nicht z’Schlag. Ich komme z’Schlag!»

      Ich glaube, ich habe die Kurve gekriegt. Vor vier Jahren fand ich sogar meinen Traumjob bei der Spitex. Ich fahre als Pflegehelferin zu den Leuten in alle Chrachen hinauf. Auf den abgelegenen Höfen sind sie auf uns Spitexleute angewiesen. Ich bin zu 80 Prozent fix angestellt. Das ist wunderbar. Ich glaube, meine grosse Lebenserfahrung wird nun geschätzt. Ich bin geduldig und nehme die Leute, wie

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