Beruf Bäuerin. Susann Bosshard-Kälin

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Beruf Bäuerin - Susann Bosshard-Kälin

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ich lernte, aus dem Kochbuch zu kochen.

      Aber ich wollte weiter. Ich war an der Bäuerinnenschule angemeldet und kündigte die Stelle. Kaum daheim, rief der Hausherr aus Sempach an, ob ich nicht doch wieder zu ihnen zurückkehren könnte. Ich weiss, wenn ich nicht schon daheim gewesen wäre, hätte ich mich nicht getraut, Nein zu sagen. Unter ihren Augen wäre ich weich geworden. Damals habe ich mich das erste Mal in meinem Leben für mich entschieden. Und danach lange Zeit nicht mehr!

      Das Kloster Fahr hat mich sehr beeindruckt, ich fühlte mich von der ersten Stunde an wohl. Die Atmosphäre, die Schwestern, einfach alles erlebte ich als Geborgenheit, als Zu-Hause-Sein. Heim ging ich höchstens drei, vier Mal während der ganzen 20 Wochen. Gestresst haben mich nur die Handarbeitsnoten. Ich wollte gut sein, ja bei den Besten. Vater hatte uns Mädchen immer eingebläut, dass Handarbeit wichtig sei. Ich nähte im Fahr Hosen und eine Bluse und rote Sennenchutäli für meine Brüder.

      Mein Lieblingsplatz aber war in der Küche. Beim Kochen war ich in meiner Welt und durfte noch Unerwartetes dazulernen. Die Buffets waren grossartig. Und so liess ich es mir an Weihnachten nicht nehmen, die Familie daheim mit einem grossen Fahrer Buffet zu überraschen: Es gab einen bunt gespickten Kohlkopf voller Würstchen und Käsestückchen, dazu Suppe, Salate und selbstgemachte Brote. Unvergesslich sind auch die Dampfnudeln – die Fahrer Dampfnudeln ziehen sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Meine Kinder lieben sie heute noch. Und das Hühnerrupfen gehörte ganz selbstverständlich zum Alltag in der Bäuerinnenschule. Beim Kopfabschlagen mussten wir nicht zuschauen, wenn wir nicht wollten. Aber ums Rupfen der toten Tiere kam keine herum.

      Aus unserer Klasse hatten nur zwei, drei schon Bekanntschaft. Für mich war das absolut kein Thema. Ich fühlte mich nicht besonders selbstsicher, war eher rundlich. Ich fand, ich sei nicht attraktiv für einen Mann. Ich war auch zurückhaltend und etwas scheu. Ich weiss, dass die Fahrer Schwestern sogar hofften, ich würde vielleicht Kandidatin fürs Kloster werden. Zumal ich einige Jahre nach Abschluss meiner Ausbildung an der Bäuerinnenschule immer wieder als Haushälterin Ferienablösung in der klösterlichen Propstei machte. Aber mein Leben sollte eine andere Wendung nehmen. Heute denke ich oft, vielleicht wäre es gar nicht so schlecht gewesen, ins Kloster einzutreten …

      In den Jahren nach dem Fahr arbeitete ich als Familienhelferin und da und dort in Haushaltungen und absolvierte daneben die Eidgenössische Bäuerinnenprüfung. Nun war ich diplomierte Bäuerin, was mir viel Selbstvertrauen und Sicherheit schenkte. Meine Schwester Hildi hatte inzwischen einen Freund, der mir eigentlich auch gefiel. Er war ein feinfühliger, herzlicher Mensch. Es tat weh, als er sich für sie und nicht für mich entschied. Ob mir dieser Mann helfen wollte, als er eines Tages fragte, ob ich zu einem interessanten Vortrag über Mineralien eines Nidwaldner Betriebshelfers mitkommen würde?

      Ich war mittlerweile 28 Jahre alt und arbeitete als Hausbeamtin in der Bäuerinnenschule in Pfäffikon, Schwyz. Ich sagte zwar zuerst ab, liess mich dann aber überreden und ging an diesen Vortrag nach Stans. Ohne zu ahnen, dass dieser Abend mein Leben verändern sollte. Als der gewiefte Redner sich nach dem Vortrag zu uns an den Tisch setzte, wusste ich instinktiv, dass er mich anderntags anrufen würde. Und so war es. Er lud mich bald zu einem Treffen nach Luzern ein und erzählte mir, seine Mutter habe ihm aufgetragen, eine Frau zu suchen, die mit ihm zusammen den Hof schmeissen würde. Sie könne den Haushalt aus gesundheitlichen und Altersgründen nicht mehr machen. Der Nidwaldner imponierte mir irgendwie. Er war Meisterlandwirt und Betriebshelfer, im Winter Skilehrer und vor allem – Sepp fand ihn gut.

      Bei meinem ersten Besuch auf dem Hof in Oberdorf bei Stans gefiel es mir dort nicht schlecht. Seine Eltern hatten sich mittlerweile im Dachstock des Bauernhauses eine Wohnung ausgebaut – die untere war frei! Als ich kam, wurde ich als künftige Schwiegertochter gemustert. Ich fühlte mich irgendwie gefangen und hatte das Gefühl: Das ist es jetzt. Ich weiss nicht, wieso. Es kamen vermutlich viele Faktoren zusammen. Meine beiden Brüder hatten unterdessen Bekanntschaft, meine Schwestern auch. Ich war als Einzige noch ledig. Ich suchte die Schuld klar bei mir, vielleicht war ich eben doch zu wählerisch! Ich konnte die Situation nicht durchschauen.

      Mein Bräutigam und ich sahen uns nur an den Sonntagnachmittagen kurz. Wenn ich länger mit ihm reden wollte, winkte er ab, wich aus. Das hätte mir auffallen sollen. Mir war klar, er brauchte jemanden im Haus und im Bett! Ich sagte ihm: «Wenn du nicht Bauer wärst, würde ich Nein sagen. Aber ich weiss, ein Bauer braucht eine gute Frau.» Ich kam als tüchtige Haushälterin auf den Hof, und ich wollte ihn nicht enttäuschen. Ich dachte, vielleicht kann sich im Verlaufe der Jahre noch vieles zum Bessern verändern. Von meiner religiösen Haltung her wäre es für mich nie in Frage gekommen, vor der Heirat sexuellen Kontakt zu haben. Heute weiss ich, wir hätten länger miteinander leben müssen, um uns näher kennenzulernen. Am 28. April 1984 haben wir geheiratet. Und schon in der Hochzeitsnacht wusste ich … er ist es nicht!

      Nach neun Monaten kam das erste Kind. In fünf Jahren habe ich fünf Kinder geboren: die erste Tochter 1985, der erste Sohn 1986, im Dezember 1988 die Zwillinge und 1990 noch ein Sohn. Unsere Sexualität lief nach Fahrplan. Das musste einfach sein. Ab und zu hatte ich Kopfweh oder die Periode. Mein Mann war wie ein Dampfkochtopf – und immer nach dem Sex war die Stimmung wieder etwas besser.

      Das Haushaltungsgeld war stets knapp bemessen; dank Sparsamkeit und Selbstversorgung wusste ich mir zu helfen – aber Sonderwünsche gab es keine. Und so begann ich mit der Zeit, auswärts zu putzen, um eigenes Geld zu haben, und schaute immer, dass es irgendwie ging. Einer meiner Söhne spürte gut, wie ich mich fühlte, und sagte ab und zu: «Gäll, Mueti, hast wieder geweint.»

      Mein Schwiegervater kam mit seinem Sohn nicht eben gut aus, und so arbeiteten meine Schwiegereltern für einige Jahre auf dem Gutsbetrieb des Klosters Disentis. Mit meiner Schwiegermutter verstand ich mich sehr gut – sie mochte unsere Kinder und auch mich.

      Von Anfang an hatte ich kein gutes Gefühl. Aber ich konnte ihn erst verlassen, als ich schliesslich krank wurde. Im Jahr 2009 hatte ich eines Tages die Wahnidee, mein Vater sei gestorben, was überhaupt nicht zutraf. Ich war völlig überdreht, hatte einen Nervenzusammenbruch. Mein Sohn brachte mich in die Klinik nach Sarnen. Als ich dort vor den Ärzten stand und meine Situation schilderte, wusste ich, ich gehe niemals mehr heim. In diesem Moment ist mir ein schwerer Rucksack vom Rücken gefallen. Die erste Woche in der Klinik war schlimm, es hat mich durchgeschüttelt. Mein ganzes Leben kam an die Oberfläche. Nur einmal kam mein Mann mich besuchen und sagte: «Jetzt bist du endlich da, wo du hingehörst!»

      Nach dem erholsamen Monat in der Klinik suchte ich mir eine Wohnung und Arbeit. Der Kurs als Pflegehelferin beim Schweizerischen Roten Kreuz war meine Rettung. Und bald schon bekam ich die Stelle bei der Spitex Nidwalden. Mein Glück. Und ich wollte die Scheidung. Finanziell ich stand vor einem Scherbenhaufen. AHV hatte ich während all der vielen Jahre als Bäuerin auf dem Hof nicht einbezahlt, denn Lohn hatte ich ja nie erhalten. «Vorsorge» oder «Pensionskasse»waren Fremdwörter für mich. Mein Mann hatte nicht in den Hof, sondern im Ausland investiert. Nur dank seinem Treuhänder, mit dem ich in meiner Not Kontakt aufnahm, kam es nicht zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Ich wusste, die Hälfte der Errungenschaft gehört mir. Ich drückte schliesslich beide Augen zu, habe dem Frieden zuliebe weniger gefordert, als mir zugestanden hätte … aber ich habe es geschafft, ohne Anwalt das Finanzielle zu regeln. Ich wollte es vermeiden, unnötig Geld für Anwälte hinauszuwerfen.

      Jetzt bin ich finanziell einigermassen abgesichert. Ich muss wenigstens nicht Angst haben, nach der Pensionierung auf dem Sozialamt um Geld betteln zu müssen. Ich verdiene, und für mich selber brauche ich nicht viel. Aber um mein Auskommen im Alter mache ich mir schon Gedanken.

      Was ich in meinem Arbeitsalltag erlebe, ist oft erschütternd. Ich sehe viele alte Menschen, die niemanden mehr haben. Sie sitzen nur noch da und warten. Das ist doch kein Leben mehr. Ich war mit Leib und Seele Bäuerin. Und ich hätte nie gedacht, dass ich es aus der Not heraus einmal aufgeben müsste. Den Traum, irgendwo auf der Welt noch einen liebenswürdigen Mann

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