Von Casanova bis Churchill. Barbara Piatti
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Von Casanova bis Churchill - Barbara Piatti страница 16
Der Schweiz und ihren Landschaften hat Mary unsterbliche literarische Denkmäler gesetzt. Nicht nur in Frankenstein spielt die Bergwelt, vor allem der Genfersee in einem Gewitter, eine grosse Rolle, sondern auch in ihrem apokalyptischen Science-Fiction-Roman The Last Man (1826), der am Ende des 21. Jahrhunderts spielt, in einer Welt, die von der Pest entvölkert und von einer schwarzen Sonne beschienen wird. Darin verarbeitet sie nochmals die Erinnerungen an die Reisen von 1814 und 1816 (siehe das Kapitel über Lord Byron, Seite 75–79) und verknüpft sie mit Hommagen an Shelley und Byron, die zwar unter anderem Namen, aber deutlich erkennbar auftauchen. Die Pest wütet in ganz Europa, als ein paar Überlebende aus England beschliessen, ein besseres, kälteres Klima aufzusuchen – ihr Ziel sind die Schweizer Berge: «[…] to reach Switzerland, to plunge into rivers of snow, and to dwell in caves of ice, became the mad desire of all», die Schweiz zu erreichen, in Ströme aus Schnee einzutauchen und in Höhlen aus Eis zu hausen, das wurde zum wahnwitzigen Wunsch von allen.
Auszüge aus Mary Shelleys «Six Weeks’ Tour», 1817
Beim Überqueren der französischen Grenze kann man einen überraschenden Unterschied zwischen den beiden Völkern feststellen, die auf den gegenüberliegenden Seiten hausen. Die schweizerischen Bauernhäuser sind viel sauberer und hübscher, und ihre Bewohner weisen denselben Unterschied auf. Die Schweizerinnen tragen sehr viel weisses Leinen, und ihre ganze Kleidung ist immer völlig sauber. Diese grössere Sauberkeit kommt hauptsächlich von den unterschiedlichen Religionen: Deutschlandreisende weisen auf denselben Kontrast zwischen protestantischen und katholischen Städten hin, obwohl sie nur einige Meilen voneinander entfernt sind.
Die Landschaft während dieser Tagesreise war göttlich, mit ihren bewaldeten Bergen, kahlen Felsen und grünen Flecken übertraf sie jede Vorstellungskraft. Nachdem wir beinahe eine Meile zwischen hoch aufragenden Felsen hinabgestiegen waren, die mit Kiefernwäldern bedeckt sind, durchsetzt von grünen Lichtungen, wo das Gras kurz und weich und wundervoll grün ist, kamen wir in das Dorf St. Sulpice.
Das Maultier hatte vor kurzem zu lahmen begonnen, und der Mann war dermassen ungehorsam, dass wir uns entschlossen, für den Rest des Weges ein Pferd zu mieten. Unser voiturier war uns vorausgeeilt, ohne uns im mindesten seine Absichten mitzuteilen: Er hatte beschlossen, uns in diesem Dorf zu verlassen und zu diesem Zweck Vorbereitungen getroffen. Der Mann, den wir nun anheuerten, war ein Schweizer, ein Bauer der höheren Klasse, der auf seine Berge und sein Land stolz war. Auf die Lichtungen zeigend, von denen die Wälder durchsetzt waren, informierte er uns darüber, dass sie sehr schön und ausgezeichnetes Weideland wären; dass die Kühe dort gediehen und entsprechend vorzügliche Milch geben würden, aus der man den besten Käse und die beste Butter der Welt mache.
Nach St. Sulpice wurden die Berge noch höher und schöner. Wir kamen durch ein schmales Tal zwischen zwei von Wäldern bedeckten Bergketten, an deren Fuss sich ein Fluss entlangzog, aus dessen schmalem Bett sich jäh die Grenzen des Tales erhoben. Die Strasse lag etwa in der Mitte des Berghanges, der eine der Seiten bildete, und wir sahen die vorspringenden Felsen über und unter uns, enorme Fichten und den Fluss, den man nur durch die Reflexion des Himmelslichts weit unten wahrnehmen konnte. Die Berge dieser wunderschönen Schlucht liegen so eng beieinander, dass man während des Krieges mit Frankreich eine eiserne Kette von einem zum anderen geworfen hat. Zwei Meilen von Neuchâtel sahen wir die Alpen: Eine schwarze Bergkette nach der anderen erstreckt sich weiter und weiter, und weit hinter allem überragen die schneebedeckten Alpen jedes andere Landschaftsmerkmal. Sie waren hundert Meilen entfernt, aber ragten so hoch in den Himmel auf, dass sie wie jene blendendweissen Wolkenformationen aussahen, welche sich während des Sommers am Horizont sammeln. Ihre ungeheure Grösse überwältigt die Vorstellungskraft, und sie übersteigen jedes Fassungsvermögen so weit, dass es einiger Anstrengung des Verstandes bedarf, um glauben zu können, dass sie wirklich Teil dieser Welt sind.
Von diesem Punkt stiegen wir nach Neuchâtel hinab, das in einer schmalen Ebene zwischen den Bergen und seinem riesigen See liegt und keine sonstigen Merkmale von besonderem Interesse aufweist.
Wir blieben den folgenden Tag in dieser Stadt, mit der Überlegung beschäftigt, welcher nächste Schritt wohl am ratsamsten wäre. Das Geld, das wir aus Paris mitgebracht hatten, war beinahe aufgebraucht, doch wir erhielten für einen Wechsel ungefähr £ 38 Sterling von einem der Bankiers in der Stadt, und damit setzten wir unsere Reise in Richtung Uri See fort, um in diesem romantischen und reizvollen Land ein Häuschen zu finden, wo wir einsam und in Frieden verweilen könnten. Dies waren unsere Träume, welche wir wahrscheinlich wahr gemacht hätten, wäre da nicht der Mangel an jener unverzichtbaren Sache namens Geld, der uns dazu zwang, nach England zurückzukehren.
Ein Schweizer, den Shelley am Postamt getroffen hatte, zeigte freundschaftliches Interesse für unsere Probleme und half uns, eine voiture zu mieten, die uns nach Luzern bringen sollte, der grossen Stadt am Vierwaldstädter See, der mit dem Uri See verbunden ist.
Dieser Mann war vom Geist wahrer Höflichkeit erfüllt und bemühte sich wirklich darum, dienstbar zu sein, und er schien die reinen Förmlichkeiten der Angelegenheit als sehr geringwertig einzuschätzen. Für die Reise nach Luzern brauchten wir mehr als zwei Tage.
Das Land war flach und langweilig, und ausser der Erwartung, ab und zu einen Anblick der göttlichen Alpen zu erhaschen, gab es nichts, das uns interessierte. Luzern war vielversprechender, und sobald wir ankamen (23. August), mieteten wir ein Boot, mit dem wir das Seeufer entlangfahren wollten, bis wir eine passende Ansiedlung erreichen würden, oder wir würden vielleicht sogar nach Altdorf reisen, den Sankt Gotthard überqueren, um im warmen Klima der Länder südlich der Alpen eine heilsamere Luft zu finden und eine Temperatur, die dem prekären Zustand der Gesundheit Shelleys zuträglicher wäre als die düsteren Gefilde des Nordens.
Der Vierwaldstädter See ist in allen vier Himmelsrichtungen von hohen Bergen umgeben, die steil aus dem Wasser emporragen; manchmal fallen ihre kahlen Felsen lotrecht ab und werfen einen schwarzen Schatten auf die Wellen; manchmal sind sie dicht mit Wäldern bedeckt, deren dunkles Laub von den kahlen braunen Felsspitzen durchsetzt ist, auf denen die Bäume Wurzeln geschlagen haben. Überall, wo sich im Wald eine Lichtung zeigt, erweist sie sich als bepflanzt, und Landhäuser lugen aus den Wäldern hervor. Die üppigsten, felsigen, von Moos und krummen Bäumen bedeckten Inseln sind über den ganzen See verstreut. Die meisten von ihnen werden von einer jämmerlichen Wachsfigur