Weltdistanz und Menschennähe. Michael Lohausen
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Das vierte Kapitel plädiert, nicht als ob damit schon alles gesagt wäre, sondern ganz im Gegenteil, als Werbung für mehr Forschungsengagement in diesem Bereich, für ein verstärktes Wahrnehmen der Verbindungslinien zwischen abstrakt-verallgemeinernder Theoriebildung und konkret-vielgestaltiger Seelsorge- bzw. Kirchenpraxis in fachgeschichtlichen Zusammenhängen. Es ruft mit dem österreichischen Pastoraltheologen Anton Kerschbaumer (1823—1909) einen Fachvertreter ins Gedächtnis, der eine solche Vermittlung von Lehre und Leben auf eigene Art praktiziert hat und von daher ein Beispiel abgibt, dass eine ‚Charakterzeichnung‘ des Fachs in diesem Zeitraum, die darin nur Regelwerksversessenheit und seelsorglichen Uniformierungswillen sehen lassen würde, sehr viel Karikaturenhaftes an sich hätte.
Die vorliegende Arbeit stellt die Ergebnisse eines Forschungsprozesses im Bewusstsein des eigenen begrenzten Horizonts vor. Sie ist pastoraltheologisch und hat deshalb nicht die Zielsetzung, einen Diskussionsbeitrag zur (Kirchen-)Geschichtswissenschaft zu liefern, sondern umgekehrt: Sie ‚bedient sich‘ bei Analysen und Interpretationen zu historischen Quellen bzw. Entwicklungen, bündelt sie in der Fluchtlinie der verfolgten Fragestellungen und bereitet sie für die Rezeption durch die Pastoraltheologie auf.
1 Vgl., um sich eine Vorstellung über die Komplexität zu machen, die schon etwas länger zurückliegenden, aber als Problemanzeige immer noch aktuellen Wegmarken Herbert Haslinger (Hg.), Handbuch Praktische Theologie, 2 Bd., Mainz 1999–2000 und in diesem Standardkompendium bes. Ders./Christiane Bundschuh-Schramm/Ottmar Fuchs [u. a.], Ouvertüre: Zu Selbstverständnis und Konzept dieser Praktischen Theologie, in: Bd. 1: Grundlegungen (1999), 19–36; außerdem die Zeitschriftenausgabe Beirat der Konferenz der deutschsprachigen Pastoraltheologinnen und Pastoraltheologen e. V. (Hg.), Pluralität im eigenen Haus. Selbstverständnisse praktischer Theologie = PthI 20 (2000) 2.
2 Vgl. Haslinger/Bundschuh-Schramm/Fuchs [u. a.], Ouvertüre, 20—22.
3 Vgl. ebd., 22—25.
4 Vgl. Matthias Sellmann, Pastoraltheologie als ‚Angewandte Pastoralforschung‘. Thesen zur Wissenschaftstheorie der Praktischen Theologie, in: PthI 35 (2015) 2, 105—116.
5 Rolf Zerfaß, Praktische Theologie als Handlungswissenschaft, in: Ferdinand Klostermann/ Ders., Praktische Theologie heute, München 1974, 164—177, hier: 167.
6 Ebd.
7 Vgl. Reinhard Feiter, Einführung in die Pastoraltheologie, in: Clauß Peter Sajak (Hg.), Praktische Theologie. Modul 4 (UTB; Bd. 3472), Paderborn 2012, 15—63, bes. 18–21. Der gegenwartsbetonende Aspekt im Wissenschaftsverständnis spiegelt sich prägnant in einem Lehrbuchtitel vom Anfang des 19. Jahrhunderts; vgl. Andre(as) Reichenberger, Pastoral-Anweisung nach den Bedürfnissen unsers Zeitalters, 5 Bd., Wien 1805—1808.
8 Vgl. Haslinger/Bundschuh-Schramm/Fuchs [u. a.], Ouvertüre. Eine entscheidende Ausnahme ist Anton Grafs 1841 publizierter wissenschaftstheoretischer Aufriss. Die später vor allen Dingen bei Karl Rahner wieder aufgegriffenen Überlegungen nehmen unter der Formel ‚Praktische Theologie als Wissenschaft von der Selbsterbauung der Kirche‘ wichtige Elemente der nachkonziliaren Fachbestimmung vorweg, vgl. Anton Graf, Kritische Darstellung des gegenwärtigen Zustandes der Praktischen Theologie, Tübingen 1841 und die Analysen in Kap. 1.
9 Vgl. Paul M. Zulehner, Pastoraltheologie, 4 Bd., Düsseldorf 1989—1990 und in diesem umfassenden Entwurf Bd. 1: Fundamentalpastoral: Kirche zwischen Auftrag und Erwartung, 40—45; Anton Zottl, Pastorales Handeln als Dienst der Kirche unterwegs, in: Konferenz der Bayerischen Pastoraltheologen (Hg.), Das Handeln der Kirche in der Welt von heute. Ein pastoraltheologischer Grundriss, München 1994, 191–227, bes. 215—222; Stefan Knobloch, Was ist Praktische Theologie? (Praktische Theologie im Dialog; Bd. 11), Freiburg, Schweiz 1995, 63—82; Norbert Greinacher, Der geschichtliche Weg zur Praktischen Theologie, in: Haslinger (Hg.), Handbuch, Bd. 1, 46—52; Martina Blasberg-Kuhnke, Das Theorie-Praxis-Problem als theoriegeschichtlicher Leitfaden, in: Haslinger (Hg.), Handbuch, Bd. 1, 53—59; Martin Lechner, Pastoraltheologie als Wissenschaft, in: Konferenz der Bayerischen Pastoraltheologen (Hg.), Christliches Handeln. Kirche sein in der Welt von heute, Pastoraltheologisches Lehrbuch, München 2004, 233—252, bes. 234—241; Feiter, Einführung; Johannes Först, Wirklichkeitsrezeption als eine Bedingung pastoraler Praxis und Gottesrede, in: Ders./Heinz-Günther Schöttler (Hg.), Einführung in die Theologie der Pastoral. Ein Lehrbuch für Studierende, Lehrer und kirchliche Mitarbeiter (Lehr- und Studienbücher zur Theologie; Bd. 7), Berlin 2012, 67—79, bes. 70—73; Herbert Haslinger, Pastoraltheologie (UTB; Bd. 8519), Paderborn 2015, 451—454.515—519; August Laumer, Pastoraltheologie. Eine Einführung in ihre Grundlagen, Regensburg 2015, 16—92.
10 Das behält auch mit Blick auf das ausführliche Kapitel bei August Laumer und die Themenaufbereitung bei Norbert Hark seine Gültigkeit. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Kompilationen aus anderen Geschichtsrekonstruktionen und Anreicherungen aus den entsprechenden Originalquellen; vgl. Laumer, Pastoraltheologie und Norbert Hark, Auf das Wort hören und danach handeln. Hermeneutische Maßstäbe für eine exegetisch verantwortete Pastoraltheologie (Glaubenskommunikation, Reihe zeitzeichen; Bd. 32), Ostfildern 2013, 41—63.115—117. Sachlich weiterführende, aber nirgendwo sichtbar rezipierte chronologische Übersichten liegen unter caritaswissenschaftlicher Perspektive bei Markus Lehner, Caritas – Die soziale Arbeit der Kirche. Eine Theoriegeschichte, Freiburg i. Br. 1997, bes. 24—64 und missionstheologisch grundiert bei Franz Weber, Mission – Gegenstand der praktischen Theologie? Die Missionstätigkeit der Kirche in den pastoraltheologischen Lehrbüchern von der Aufklärung bis zum Zweiten Vatikanum (Bamberger theologische Studien; Bd. 9), Frankfurt-Berlin-Bern [u. a.] 1999 vor. Sehr wertvolle Stichbohrungen in zum Teil überhaupt noch nicht zur Kenntnis genommene Bereiche der Fachgeschichte – beispielsweise Analysen zu Themensetzung und Sprache bei Juan Bernardo Díaz de Luco (1495 — 1556) im Kontext der Hirtenspiegeltradition – sind inzwischen bei Michael Hoelzl, Theorie vom guten Hirten. Eine kurze Geschichte pastoralen Herrschaftswissens (Theologie. Forschung und Wissenschaft; Bd. 59), Wien-Zürich 2017 vorhanden.
11 Paul M. Zulehner, Pastoraltheologie, Bd. 1, 40.
12 Es kommen hauptsächlich die bei Franz Dorfmann vorgenommenen Klassifizierungen für das 19. Jahrhundert in Betracht; vgl. Kap. 1.1.
13 Die Phasenbezeichnungen sind ein Vorschlag des Verfassers, um damit dem Umstand gerecht zu werden, dass die bei Zulehner gebrauchten Positionsbegriffe (‚pragmatischer Ansatz‘, ‚bibeltheologischer Ansatz‘ u. ä.) einer Kritik aus der aktuellen Forschungssituation heraus nicht mehr standhalten und deshalb auch überwiegend abgelegt worden sind.
14 Vgl. zur Datierung der Anfangsmarke Josef Müller, Beginnt die Pastoraltheologie als Universitätsdisziplin 1777 oder 1778?, in: Ferdinand Klostermann/Ders. (Hg.), Pastoraltheologie. Ein entscheidender Teil der josephinischen Studienreform. Ein Beitrag zur Geschichte der Praktischen Theologie, Wien 1979, 13—15.
15 Vgl. Haslinger, Pastoraltheologie, 451 —454.
16 Knobloch, Praktische Theologie, 64.
17 Vgl. Zulehner, Pastoraltheologie, Bd. 1, 41; Zottl, Handeln, 221f.; Blasberg-Kuhnke, Theorie-Praxis-Problem, 54; Lechner, Pastoraltheologie, 237.
18 Vgl. Feiter, Einführung, 20f.; Laumer, Pastoraltheologie, 56f.