Intuitiv gesund. Werde dein eigener innerer Arzt!. Dr. med. Christina Barbara Petersen
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Die Kombination dieser Eigenschaften in Verbindung mit den immer höher werdenden Anforderungen der Arbeit führt dazu, dass Ärzte anfällig dafür sind, sich selbst nicht wahrzunehmen und sich für andere aufzuopfern. So sind sie wenig bei sich und ihren eigenen Bedürfnissen, dafür mehr im Außen und bei den Bedürfnissen der anderen. So verlieren sie das Gefühl zum eigenen Körper, d. h. sie akzeptieren die eigenen Bedürfnisse nicht, sondern kämpfen dagegen an. Sie haben nicht gelernt, die körpereigenen Signale wahrzunehmen, und sind viel zu sehr im Kopf. Das führt dementsprechend schneller zur Selbstaufgabe, einer Verausgabung der eigenen Kräfte und damit zum Burn-out.
Dieser Prozess wird durch die aktuelle Situation des Fachkräftemangels noch verstärkt.
Verstaubte Strukturen
Schwierigkeiten, vor denen wir Mediziner stehen, sind die alten Glaubenssätze, die als ungeschriebene Gesetze in den Kliniken von Generation zu Generation weitergegeben wurden: Der Mythos vom unverwundbaren Helfer ist so tief verankert, dass wir ungern Schwäche zeigen. Gerade die eigene Verwundbarkeit ist ein schambehaftetes Thema. Dazu kommt, dass in Zeiten des Fachkräftemangels nur ungern Kollegen »im Stich« gelassen werden. Daher gehen wir Ärzte lieber krank zur Arbeit, um die Versorgung aufrechtzuerhalten. Genau diese Verhaltensweise wurde uns bereits im Studium eingeimpft, denn wer Fehlzeiten durch Krankheiten hatte, musste das Semester wiederholen.
Wir wurden also so »erzogen«, in dem System wie »fleißige Ameisen« zu funktionieren. Es gab weder Kurse noch Vorgesetzte, die uns lehrten, auf uns selbst und unsere eigene Gesundheit zu achten. Im Gegenteil: Wir wurden konsequent geschult, die Bedürfnisse und Probleme der Patienten wahrzunehmen, um dann eine Hilfestellung anzubieten. Dieser einseitige Fokus führte dann weitergehend dazu, dass wir unsere eigenen Bedürfnisse vernachlässigten. Meines Erachtens fehlt im Studium die Basis: die Selbstfürsorge. Nur derjenige, der seine eigenen Bedürfnisse kennt, sie beachtet und sich versorgen kann, kann dann im nächsten Schritt anderen helfen.
Eine Herausforderung, vor der wir Mediziner stehen, ist die moralische Verpflichtung. Einem Hilfsbedürftigen steht aus moralischer Sicht Hilfe zu – das geht sozusagen vor. Da melden sich sonst ganz schnell das schlechte Gewissen und die Schuldgefühle. Und auch die eigene Verwundbarkeit spielt wieder eine Rolle: Ich möchte ja schließlich auch, dass mir geholfen wird, wenn ich in Not bin. So fällt es Medizinern oft leichter, andere Menschen zu versorgen, als die eigenen Bedürfnisse zu achten.
Eine weitere Schwierigkeit sind die psychischen Herausforderungen, die mit Krankheit und Tod verbunden sind. Diese Erlebnisse konfrontieren uns immer wieder mit dem menschlichen Verfall und der eigenen Vergänglichkeit.
Wenn diese Erlebnisse seelisch verarbeitet werden, sehe ich darin viel Potenzial zu persönlichem Wachstum. Oftmals ist für eine Reflexion weder Zeit noch ein Ansprechpartner da. Kein Wunder, dass sich bei diesen gefährdeten Helferpersönlichkeiten seelische Wunden psychisch oder körperlich bemerkbar machen.
Da viele Ärzte die Signale des Körpers überhören und nicht auf ihre eigenen Bedürfnisse achten, bedienen sie sich schnell mal der ihnen ständig verfügbaren Medikamente, um die Symptome zu bekämpfen – damit sie wieder funktionieren können. Sie diagnostizieren und behandeln sich selbst und gehen ungern zu Kollegen, weil sie auch hier die eigene Schwäche nicht zugeben möchten und nicht als Simulant wahrgenommen werden wollen.
Es gibt also niemanden, der sie krankschreibt oder nach Hause schickt. Denn als Kollege bist du heutzutage bei bestehender Arbeitsbelastung zum Schutz der eigenen Gesundheit darauf angewiesen, dass jede Arbeitskraft anwesend ist. Es gibt keine Definition von »unfit to work«. Leider gibt es auch kein positives Vorbild, denn alle Vorgesetzten tragen dieselben Glaubenssätze in sich. Vor lauter Schuldgefühlen wird also lieber Rücksicht auf Kollegen und Patienten genommen und die eigene Gesundheit missachtet. So ist es kein Wunder, dass Ärzte ungesund leben und aufgrund der Selbstaufopferung Süchte entwickeln. Bedürfnisse, die den ganzen Tag unterdrückt werden, fordert der Körper dann in Ruhephasen im extremen Maße ein. Arbeit wird mit Verzicht und Selbstaufgabe verknüpft, was dazu führt, dass der Körper sich in der freien Zeit das nimmt, was gefehlt hat. Wenn z. B. Entspannung mit Alkohol und Rauchen verknüpft ist, kommt es zu vermehrtem Alkoholkonsum und Rauchen. Ebenso häufige Themen sind Erschöpfung wie Burn-out. Das hängt mit der Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse zusammen, hat aber auch noch andere Komponenten, die in der heutigen Zeit zugenommen haben:
Lösungsansätze
Wir als Mediziner haben die Chance, diese Situation zu nutzen und unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Wir können über das Thema sprechen. Damit meine ich keinen Jammerklub, sondern konstruktive Diskussionen zu den Themen mit lösungsorientierten Vorschlägen zur Verbesserung. Wir können die Aufklärung selbst angehen, also mit offenen Karten spielen, offen kommunizieren und unseren Patienten mehr Eigenverantwortung zurückgeben. Wir können Hilfe zur Selbsthilfe lehren, anstatt die Patienten in einer Abhängigkeit zu halten.
Wir können reflektieren – also statt mitzumachen, was seit Jahren »eben so gemacht wird«, können wir hinterfragen und neue Ideen einbringen. Wir können nach vorn blicken und aus unseren Fehlern lernen. Wir können eine Kultur der Wertschätzung und gegenseitigen Fürsorge einführen: Wir dürfen uns wieder wertschätzen und anerkennen, dass wir selbst die wichtigsten Menschen in unserem Leben sind. Wir können uns vom Mythos abkehren und dürfen Schwäche zeigen. Wir können lernen, wieder auf unseren Körper zu hören und die Signale wahrzunehmen, statt sie zu