Lebendige Seelsorge 3/2016. Группа авторов

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nehmen. Aber der Spieler steht wieder auf und spielt weiter, als wenn nichts gewesen wäre. Und Messi: „Wenn man ihn da so stehen sieht: Verschwitzt, dreckig, mit dem Ball unter dem Arm, dann meint man nur einen kleinen Jungen zu sehen, der gerade von seinem geliebten Fußballspiel kommt und nun seiner stolzen Mutter erzählt, wie glücklich er ist.“ Alle Leiden sind vergessen, als habe es sie nie gegeben. Und dies meint auch die impassibilitas im theologischen Sinne: Sie ist „bei dem glückseligen Zustand der Himmelsbewohner selbstverständlich“, sie verlangt „volle Beseligung an Leib und Seele als dauernde Zuständlichkeit“, sie besteht „in einer vollkommenen Herrschaft der Seele über den auferstandenen Leib, die durch nichts aufgehoben oder beeinträchtigt werden kann“, auch nicht durch die Leiden und Qualen eines aufreibenden Matchs.

      Ich halte diese Entsprechungen zwischen der Lehre von den Brautgaben und den Eigenschaften eines Weltklasse-Fußballers wie Lionel Messi nicht für zufällig, ich halte sie für höchst aufschlussreich. So fern sich die Texte der scholastischen Eschatologie und die Blogs der Fußballbegeisterten auch stehen, sie kommen doch beide aus derselben Sehnsucht: die nach der vollkommenen Harmonie von Leib und Seele, nach Charme und freudigem, ansteckenden Glanz, nach Leichtigkeit und Beschwingtheit, nach einem stabilen Glückszustand, der, wenn er auch oft mühsam erreicht werden muss, alle Leiden vergessen lässt.

      Sicher gibt es auch andere Erfahrungen im Leben, die an den Zustand der verklärten Leiber gemahnen: die Beschwingtheit durch Musik, beim Tanzen, beim ausgelassenen Feiern. Alle Gelegenheiten also, die den Charme, d.h. die Gnade eines Menschen erglänzen lassen – bei uns und bei anderen. Im Fußball aber, jedenfalls bei den großen Meisterschaften, hat diese Sehnsucht schon ihre Erfüllung gefunden. Sie hat einen Ort und eine Zeit gefunden. Man freut sich darauf, so wie sich die Seelen der Erdenpilger auf den Himmel freuen; aber die Frist ist beim Fußball viel kürzer. Fußballmeisterschaften sind Vorschein und Angeld der eschatologischen Vollendung. In ihnen lebt weiter, was im Glauben weitgehend schon verschüttet ist. Und da haben wir auch schon die theologische Bedeutung des Fußballs.

      Dass die Theologie in der Lehre von den Brautgaben nicht nur eine realitätsferne Utopie zeichnen wollte, das belegt übrigens nicht zuletzt mein Gewährsmann, der Fuldaer Theologe Constantin Gutberlet (1837-1928). Er verbindet die Ausführungen zu den dotes mit physikalischen Erwägungen zu deren Ermöglichung. Zum Lichtglanz der claritas führt er aus, es könne sich nicht um Licht handeln, das durch chemische Prozesse, Elektrizität oder Reibung hervorgerufen wird, denn dann wäre es mit viel zu viel Wärme verbunden. „Solche Hitze wäre aber dem Leibe der Seelen verderblich.“ Und er verweist auf die Leuchtkraft mancher Insekten bei Nachtzeit, deren Licht ohne eine Unmenge von Wärme erzeugt wird. Das Glühwürmchen als Vorbild der himmlischen Ökologie: „Das wunderbarste aber an diesem hellen und schönen Lichte ist, daß es bloß leuchtet und nicht erwärmt […] wie wunderbar herrlich mag ein Glanz sein, den die übernatürliche Gnade […] verleihen kann, ohne jene natürlichen Mittel anwenden zu brauchen, welche nur auf Kosten von 98% Verlust der thermischen und chemischen Strahlen […] Licht erzeugen können?“ (Gutberlet, 886; erwähnt werden sollte, dass Gutberlet einer der ganz wenigen Theologen ist, der die Auferstehung der Tiere lehrt, vgl. ebd. 945f.)

      In ähnlicher Weise äußert er sich auch zur schnellen Bewegungsart der agilitas und zur Durchdringung von Materie in der subtilitas. Solche Erwägungen zehren von dem eingangs dargestellten Grundsatz, dass Gott die Welt als Paradies eingerichtet haben wollte und nur durch die Sünde daran gehindert worden ist. Das Paradies, das wir für die Vollendung erwarten, ist kein anderes als das, was Gott von Anfang an begründet und vorgesehen hat. Anzeichen dafür müssen auch in der postlapsarischen Welt noch zu finden sein. Ist der Fußball vielleicht eines davon?

       DER FUSSBALL UND DER SÜNDENFALL

      Der postlapsarische Fußball, den wir heute haben, kann nur gebrochen ein Vorschein des Paradieses sein, denn in ihm besteht die Sünde. Kleinere Sünden, Fouls, Regelverletzungen werden gleich durch den Schiedsrichter geahndet und können zu Sperren und Verhandlungen vor dem Sportgericht führen. Auch die Ausschreitungen der Fans kann man der noch ungefestigten Gerechtigkeit zurechnen, die Thomas (s.o.) mit dem paradiesischen Zustand für vereinbar hielt. Aber dem Fußball fehlt offensichtlich die Urstandsgerechtigkeit (iustitia originalis), die Gott den Menschen im Paradies verlieh: die Fähigkeit, Gott, sich selbst und den Mitgeschöpfen gerecht zu werden. Stattdessen beherrscht ein Freund-Feind-Denken das Feld, das dem Spiel von seinen Ursprüngen her eingestiftet ist. Nicht selten führt die Rivalität zu Häme und Hass („Bei uns in Dortmund fliegen die Tauben zum Kacken nach Schalke“).

      Die Ur- oder Erbsünde des Fußballs haben wir im Kontext seiner Entstehung zu suchen. Das recht junge Spiel mit seinen heutigen Regeln entstand im 19. Jahrhundert in England und kam erst im 20. Jahrhundert in Mitteleuropa so richtig in Gang. Sein gesellschaftlicher Kontext ist deutlich: Industrialisierung – Nationalisierung – Militarisierung. Auf Letzteres verweisen nicht nur die Nutzung dieser Sportart für die militärische Körperertüchtigung (im deutschen Heer ab 1910, vgl. Eisenberg, 184ff.), sondern auch Begrifflichkeiten wie Angriff, Abwehr, Verteidigung, Deckung, Flanke usw. Ein erstes Länderspiel gab es 1872 zwischen England und Schottland. Weltmeisterschaften inszenieren den Weltkrieg neu, mit gebändigter Gewalt, aber es ist immer noch der Kampf zwischen den Nationen.

      Am meisten dürfte aber den Fußball seine Entstehung im Zeitalter der Industrialisierung geprägt haben. Seine Handlungsformen sind analog zur industriellen Arbeit: Es herrscht das Leistungsprinzip, das geprägt ist vom Konkurrenzkampf; die (Fußball-)Arbeit ist streng rationalisiert und muss durch Training bis in die einzelnen Schritte hinein (Standardsituationen) geplant, geordnet und geübt werden; es besteht Rollendifferenzierung bei grundsätzlicher Auswechselbarkeit der einzelnen Positionen; die Ergebnisse werden statistisch bilanziert und damit vergleichbar; mindestens im Profi-Fußball ist der Sport eine bezahlte Arbeit und zugleich eine Ware, für die andere bezahlen (vgl. Fatheuer). Der Fußball ist wie der Kapitalismus, nur noch einmal anders: als Spiel. Das aber ist die Maskerade des Kapitalismus, dass er sich als das freie Spiel der Kräfte inszeniert. Und alle, die mitspielen oder sich daran erfreuen, wirken daran mit. Der Fußball ist nicht nur Vorschein des Paradieses, er ist auch ein Fall für die Erlösung. Er ist von Gewalt und Rassismus, heute aber mehr denn je von der Herrschaft des Geldes bedroht. Von ihr gilt, ausweislich der Einnahmen aus der Champions-League, den TV-Einnahmen und dem Mäzenatentum der Großkapitalisten auf der einen Seite, des finanziellen Abstiegs der Zweit- und Drittligavereine auf der anderen Seite (welche Verarmung der Fußballlandschaft im Ruhrgebiet seit Mitte des letzten Jahrhunderts!) das bittere Wort Jesu: „Wer hat, dem wird gegeben werden, wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat“ (Lk 19,26). Christen als die Experten für die Erlösung sind gefragt. Sie müssten an der Spitze des Triumphzugs stehen, von dem es im Kolosserbrief heißt: „Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt“ (2,15).

      Gott will, so lässt sich noch einmal die alte Dogmatik vernehmen, dass die ganze Erde „mehr und mehr zum Paradiese werden sollte“ und berief dazu den Menschen zu seiner Hilfe. Denn „die ursprüngliche Pflanzung des Paradieses war ausschließlich Gottes Werk, die Erhaltung und Ausbreitung des Paradieses aber wollte Gott durch den Menschen bewirken“ (Heinrich, 598). Das Paradies wird auf dem grünen Rasen entschieden. ■

       LITERATUR

      Diekamp, Franz, Katholische Dogmatik nach den Grundsätzen des heiligen Thomas Bd. 3, Münster 1922.

      Eisenberg, Christiane, Fußball in Deutschland 1890–1914. Ein Gesellschaftsspiel für bürgerliche Mittelschichten, in: Geschichte und Gesellschaft 20, 1994.

      Fatheuer, Thomas, Eigentore. Soziologie und Fußball, Münster 1985.

      Gutberlet, Constantin, Dogmatische Theologie Bd. 10, Münster 1904.

      Heinrich,

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