Aktive Gewaltfreiheit. Группа авторов

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zu machen, ist ein Aufgabe, an der sich alles entscheidet, eine Aufgabe, die alle neu und tiefer verbinden kann.

      Wer über Gewaltfreiheit nachdenkt, wird schnell zu ihren „theologischen“ Grundlagen geführt und erkennt die pastoralen und pädagogischen Herausforderungen. So liegt es nahe, diese Beiträge der Osnabrücker Pastoraltheologin und Religionspädagogin Professorin Dr. theol. Martina Blasberg-Kuhnke zum 60. Geburtstag zu widmen; in ihrer theologischen Arbeit und als Koordinatorin der Osnabrücker Friedensgespräche war und ist sie dem Thema auf vielerlei Weise verpflichtet.

      Der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Elisabeth Uebber danken wir für die umsichtige und sorgfältige Gestaltung der Druckvorlage, dem Echter Verlag für die gute Zusammenarbeit.

       Osnabrück, im Frühjahr 2018

       Margit EckholtGeorg Steins

      Norbert Mette

      Friedensfördernde Ressourcen in den monotheistischen Religionen

      Vorbemerkungen

      „Es ist unbestreitbar, dass alle monotheistischen Religionen das Potential in sich tragen, sowohl Frieden als auch Gewalt, Exklusion oder Integration zu fördern.“1 Das muss in Erinnerung behalten werden, um nicht allzu voreilig Religionen als Friedensfaktoren zu preisen. Gleichwohl soll es in den folgenden Überlegungen darum gehen, den möglichen friedensstiftenden und -fördernden Beitrag der Religionen, speziell der monotheistischen Religionen, zu erkunden, also gewissermaßen die zu ihrer gewaltsamen Seite umgekehrte Seite.

      Meine Ausführungen beginne ich mit dem Christentum bzw. genauer mit dem Beitrag der einzelnen Christ/innen sowie christlicher Initiativen, Gruppen, Bewegungen in den Kirchen zum Frieden – zum einen weil ich selbst darin meine religiöse Heimat habe und mich hier einigermaßen auskenne, zum anderen aber auch weil ich meine, dass hier die konzeptionellen Vorstellungen am weitesten gediehen sind. Es folgt das Judentum, mit dem das Christentum zentrale Prinzipien teilt, um schließlich auf den Islam zu sprechen zu kommen.

      Friedensressourcen im Christentum

      „In Leben und Lehre Jesu Christi, in seinem Tod und seiner Auferstehung erkennen wir, dass Friede sowohl Verheißung als auch Gegenwart ist – eine Hoffnung für die Zukunft und ein Geschenk hier und jetzt. Jesus lehrte uns, unsere Feinde zu lieben, für unsere Verfolger zu beten und keine tödlichen Waffen zu benutzen. Der Friede, den er uns bringt, kommt im Geist der Seligpreisungen zum Ausdruck (Mt 5,3-11). Obwohl Jesus verfolgt wird, bleibt er standhaft in seiner aktiven Gewaltlosigkeit, sogar bis in den Tod. Sein Leben für die Gerechtigkeit endet am Kreuz, einem Werkzeug der Folter und Hinrichtung. Mit Jesu Auferstehung bekräftigt Gott, dass eine solch unerschütterliche Liebe, ein solcher Gehorsam und ein solches Vertrauen zu Leben führen. Das gilt auch für uns.“2

      Komprimiert findet sich in diesen Sätzen aus dem ökumenischen Aufruf zum Gerechten Frieden aus dem Jahr 2011 die Friedensbotschaft des Neuen Testaments zusammengefasst. Eine doppelte Überzeugung kommt darin zum Ausdruck: Friede ist ein Geschenk, eine Gabe Gottes an die Menschheit. Aus diesem Geschenk erfolgt für die Gläubigen die Verpflichtung, diesen Frieden Gottes, soweit sie es vermögen, praktisch umzusetzen. Jesus Christus ist in seiner konsequenten Gewaltlosigkeit für sie die Verkörperung dieses Friedens und somit maßgebliches Vorbild – wobei die Haltung Jesu vor dem Hintergrund der Entwicklung des Friedensdenkens in seiner eigenen Religion, dem Judentum, zu sehen ist. Darauf wird noch zurückzukommen sein.

      Frieden im Sinne des Neuen Testaments ist nicht bloß etwas, das als tröstlicher Ausgleich zu den im Diesseits zugestoßenen gewaltsamen Widerfahrnissen im Jenseits zu erwarten ist. Und er besteht auch nicht in einer quietistischen Einstellung, sondern verlangt konkretes Tun, das durchaus Konflikte provoziert. Der Epheserbrief spricht in diesem Zusammenhang durchaus kämpferisch von der „Waffenrüstung Gottes“, die es anzuziehen gilt (vgl. Eph 6,10-17). Wenn man sich diese Waffenrüstung jedoch genauer anschaut, wird einem das Antibild eines römischen Soldaten vor Augen gestellt: der Hüftgurt ist die Wahrheit, der Panzer die Gerechtigkeit, der Schild der Glaube, der Helm das Heil, das Schwert das Wort Gottes und das Schuhwerk die Bereitschaft für das Evangelium des Friedens – nach normalem menschlichen Ermessen die Wehrlosigkeit in Person schlechthin.

      Wie kann das Evangelium des Friedens in einer Welt befolgt werden, die weiterhin von den Mächten des Bösen in Form von Gewalt, Krieg u.ä. beherrscht wird? Das war und ist die entscheidende Frage, vor die die Christenheit sich seit ihren Anfängen gestellt sieht. Die Antworten darauf sind im Laufe der Zeit höchst unterschiedlich ausgefallen und haben zu einem Nebeneinander teilweise konträr zueinander stehender Einstellungen geführt, die sich teilweise noch gegenseitig verurteilt haben. Sie reichen vom Widerspruch und Widerstand gegen die bestehenden Gewaltsysteme – in letzter Konsequenz bis zum Martyrium – bis hin zu einem loyalen Arrangement mit der staatlichen Ordnung; und, wenn es möglich war, wurde daraus deren aktive Mitgestaltung aus christlichem Geist heraus. Die sog. „Friedenskirchen“ (Böhmische Brüder, Herrnhuter Brüdergemeine, Mennoniten, Hutterer, Quäker u.a.) stehen für einen entschiedenen Pazifismus, wie er ihrer Meinung nach in der vorkonstantinischen Christenheit maßgebliche Haltung war und der sich u.a. in der Ablehnung des Militärs zeigt, weiterhin in einer Distanz zum Staat und dem Einsatz von Friedensdiensten in Krisengebieten (Christian Peacemaker Teams). In Absetzung davon lassen sich die behelfsweise hier so genannten „Großkirchen“ von der Überzeugung leiten, dass angesichts der Tatsache, dass wir weiterhin in einer friedlosen Welt leben, es nicht nur erlaubt, sondern um des Dienstes an den von Gewalt und Krieg Betroffenen willen als „ultima ratio“ notwendig ist, „den Schutz von Recht und Leben durch den Gebrauch von Gegengewalt zu gewährleisten (vgl. Röm 13,1-7)“3. Im Zuge des Aufkommens der allgemeinen Friedensbewegung vor mehr als 100 Jahren haben sich auch innerhalb dieser Kirchen Gruppen und Vereinigungen gebildet, die einen kompromissloseren Friedenskurs seitens ihrer Kirchen einfordern und auf eine striktere Friedenspolitik drängen. U.a. ist es ihrem beharrlichen Einsatz zu verdanken, dass die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen in den Großkirchen Anerkennung fand.

      Ohne damit die Verfehlungen und die Schuld mindern zu wollen, die die Kirchen sich mit der Anwendung von Zwang und grausamster Gewalt bei der Verbreitung des Evangeliums oder auch mit dem Schweigen zu Verbrechen gegen die Menschheit auf sich geladen haben, können auch beeindruckende Beispiele dafür gebracht werden, wie sie zur Eindämmung von Gewalt beigetragen haben.4 Erwähnt sei etwa die mittelalterliche Institution der „treuga Dei“ (Waffenruhe Gottes) als zeitweilige Unterbrechung der herrschenden Gewalt oder die Handhabung von Streitschlichtungsverfahren durch die geistliche oder politische Obrigkeit („Gottesfrieden“). Mit der Schaffung eines völkerrechtlichen Bewusstseins in der beginnenden Neuzeit wurde den ungebändigten Eroberungsfeldzügen in den von den Europäern neu entdeckten Kontinenten zu begegnen versucht. Nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang die Übernahme und Weiterentwicklung der in der antiken Ethik grundgelegten Lehre vom „gerechten Krieg“ zu erwähnen, die nicht – wie sie häufig missverstanden wird – der Legitimation von Frieden diente, sondern in einer Umwelt, in der Kriege gang und gäbe waren, Bedingungen angab, die einzuhalten sind, soll ein Krieg ethisch und rechtlich legitim sein: die Kriegserklärung durch eine legitime Autorität, das Vorliegen eines zulässigen Kriegsgrunds, die gerechte Absicht der Kriegsführenden, letztes Mittel zur Wiederherstellung der Rechtsordnung, Verhältnismäßigkeit der Reaktion und Aussicht auf einen Friedensschluss als Bedingungen des Rechts zum Krieg, ergänzt durch Verhältnismäßigkeit der angewandten militärischen Mittel sowie Schutz der Zivilisten als Recht im Krieg.5 Die Rolle, die solche rechtlichen Regulierungen zur Gewalteindämmung gespielt haben, ist nicht zu unterschätzen. Ebenso gilt es realistisch zu sehen, dass sie gegen Missbrauch nicht genügend gefeit waren.

      Die Erfahrungen mit den beiden Weltkriegen im vergangenen Jahrhundert und das Aufkommen von technisch immer wirksameren Waffen bis hin zu Massenvernichtungsmitteln haben innerhalb der christlichen Kirchen

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