Aktive Gewaltfreiheit. Группа авторов

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vorantreiben oder die sich bestimmten politischen und militärischen Vorgehensweisen der Regierung widersetzen, wie etwa Soldaten, die sich weigern, ihrer Beurteilung nach gegen die Menschenrechte verstoßenden Befehlen zu gehorchen?23 Zwar werden diese Friedens- und Rechtsinitiativen von der herrschenden Politik als Störenfriede diffamiert und marginalisiert; sie reden ihr dennoch ins Gewissen, indem sie auf aus leidvollen Erfahrungen gewonnene Einsichten insistieren, vor allem dass Sicherheit nur gemeinsam mit allen Betroffenen auf Dauer zu gewährleisten ist und dass Bemühungen, Frieden zu stiften, Hand in Hand gehen müssen mit dem Einsatz, Gerechtigkeit für alle herzustellen.

      Friedensressourcen im Islam

      „Der Prophet Mohammed sagte: ‚Der Glaube beinhaltet die Zurückweisung jeglicher Gewalt, kein Muslim [Gläubiger] darf Gewalt begehen‘. (…) Dieser Aussage des Propheten zum Trotz sind an den meisten der gegenwärtigen Konflikte Muslime beteiligt. Menschenrechtsverletzungen, autoritäre Staatsführung, gemeinschaftliche Gewalt und Korruption sind in vielen muslimischen Ländern an der Tagesordnung. Die monströsen Attentate (…), Entführungen und Hinrichtungen von Ausländern (…) oder Anschläge auf Touristen, stärken das Bild von Muslimen als Gewalttäter oder Barbaren. All dies hat dazu geführt, dass der Islam, eigentlich etymologisch abgeleitet von dem Wort salam (Frieden), mit Gewalt und Terrorismus assoziiert wird und Muslime als rückständig, barbarisch und gewalttätig stereotypisiert werden (…).“24

      So führt die in den USA tätige Friedens- und Konfliktforscherin Ayse S. Kadayifici-Orellana, selbst Muslimin, in ihren Beitrag zu Frieden und Gewalt im Islam ein. Da in diesem Beitrag das Friedenspotential des Islam unter Einbeziehung der Auseinandersetzungen, die es in der eigenen Glaubensgemeinschaft dazu gibt, und auf der Grundlage einer hermeneutisch differenziert vorgehenden Interpretation der islamischen Quellen (Koran, Hadith und Sunna) für mich sehr einleuchtend und nachvollziehbar herausgearbeitet ist, folge ich ihm in meinen Ausführungen zu diesem Abschnitt.25

      Zunächst einmal: Wenn man sich vergegenwärtigt, dass es bis heute weder im Judentum noch im Christentum einen Konsens darüber gibt, was Frieden ausmacht und wie auf ihn hinzuarbeiten ist, so kann es nicht verwundern, dass es im Islam nicht anders ist. Gegenwärtig lassen sich nach Frau Kadayifici-Orellana drei gegensätzliche und gegeneinander ringende Interpretationsweisen von Gewalt und Frieden in der muslimischen Welt ausmachen. Sie charakterisiert sie als

      – offensiv: Allahs Herrschaft auf der Erde und über sie als Garant für Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden muss mit allen Mitteln gegen die vorherrschenden Systeme der Unterdrückung und Ausbeutung durchgesetzt werden, wenn es nicht anders möglich ist, mit Gewalt und Terror;

      – defensiv: Im Falle der Bedrohung des Glaubens und des Lebens inklusive des Landes und Besitzes ist eine kriegerische Abwehr erlaubt; sie muss sich allerdings an die Kriterien gemäß der Lehre vom gerechten Krieg halten;

      – gewaltlos: Gemäß den heiligen Texten des Islam ist der Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden verpflichtend, hat allerdings mit gewaltfreien Maßnahmen zu erfolgen.

      Nach Überzeugung von Frau Kadayifici-Orellana wird die letzte, die gewaltlose Interpretationsweise am besten dem Geist der zentralen islamischen Quellen gerecht. Diesen zufolge, so führt sie dazu aus, „beginnt der Frieden mit Gott, denn as-Salam (Frieden) ist einer der schönsten der 99 Namen Gottes (Q 59:23). Dieser Frieden ist ein positiver Zustand von Geborgenheit oder Sicherheit, der den Frieden mit sich selbst einschließt sowie den Frieden mit seinen Mitmenschen, mit der Natur und mit Gott (…). Frieden ist jedoch nicht nur ein ‚rein passiver Zustand‘, sondern bedeutet ‚ganz aktiv gegen die Bedrohungen des Bösen, der Zerstörung und des Aufruhrs einzutreten, die von innen oder von außen herrühren können‘ (…). So fordert Gott die Gläubigen stets auf, ihr Streben auf die Wiederherstellung von Harmonie, Gerechtigkeit und Frieden auf Erden zu richten, um den ‚dauerhaften Zustand des Friedens‘ (Q 10:25) zu erreichen.“26

      Aus dem Koran lassen sich nach Frau Kadayifici-Orellana mit Blick auf eine dauerhafte Friedensstiftung sechs Säulen ableiten27:

      – Tauhid, das Prinzip der Einheit Gottes und allen Seins als die Quelle von Harmonie, Ordnung und Frieden. Es hält die Gläubigen dazu an, „aktiv nach Einheit und Harmonie zu streben, denn die Menschen sind aufgrund ihrer bindenden Verpflichtung gegenüber Gott für den Schutz und die Sorge um Gottes Schöpfung verantwortlich“28. Konflikte und Kriege machen das zunichte.

      – Fitrah, das ursprüngliche Wesen des Menschen, nämlich dass er von Gott als sein Ebenbild gut und frei ist, verpflichtet zu unbedingtem gegenseitigen Respekt und zu friedlichen, konstruktiven und harmonischen Beziehungen untereinander.

      – Al-Adl, Gerechtigkeit, ein weiterer der schönsten Namen Gottes, woraus sich die untrennbare Zusammengehörigkeit von Frieden und Gerechtigkeit ergibt. Die Gläubigen „sind aufgefordert, sich den ungerechten Bedingungen, die als Ursprung von Konflikten und Chaos in der Welt gelten, zu widersetzen und diese zu korrigieren (Q 27:52)“29. Dabei ist Gerechtigkeit umfassend gemeint, erstreckt sich also auch auf die soziale und ökonomische Dimension, und universal, bezieht also alle Menschen ein.

      – Afu, der Vorrang von Vergebung vor Vergeltung, wodurch Gewaltlosigkeit ermöglicht wird.

      – Rahmah und Rahim, das Werte-Paar Mitgefühl und Erbarmen, das ebenfalls eine der Eigenschaften Gottes ausmacht. „Daher muss ein wahrer Muslim Erbarmen und Mitgefühl allen Menschen erweisen, ungeachtet ihrer ethnischen oder religiösen Herkunft und ihres Geschlechts. Die Werte Mitgefühl und Erbarmen bedeuten auch, dass das Leid anderer, sei es physischer, wirtschaftlicher oder emotionaler Art, einen wahren Muslim nicht unberührt lassen kann und er sich nicht in grausamer Weise irgendeinem Geschöpf gegenüber verhalten darf.“30

      – Sahr, Geduld, die zu beherzigen es möglich macht, sich stellende Probleme unermüdlich, aber ohne Gewalt einer erfolgreichen Lösung zuzuführen.

      Nicht gemeint ist mit „sahr“, so fügt Frau Kadayifici-Orellana hinzu, dass Muslime Unterdrückung und Ungerechtigkeit passiv erdulden müssten. Vielmehr hält der Koran sie dazu an, sich aktiv am Kampf um die Schaffung von Gerechtigkeit und Frieden zu beteiligen. Sich dazu zu verpflichten und nicht ständig um sich selbst zu kreisen, nur auf die eigenen Interessen bedacht zu sein, dieses innere Streben macht die eigentliche Bedeutung von „jihad“ aus. Der Einsatz von gewaltsamen, kriegerischen Mitteln ist dann erlaubt, wenn es gilt, gegen Angriffe den Glauben zu schützen und die Gemeinschaft zu verteidigen. Unter welchen Voraussetzungen ein solcher Verteidigungskrieg erlaubt ist und welche Grenzen er nicht überschreiten darf, ist in einem im Laufe der Zeit entwickelten Regelwerk unter dem Titel Siyar festgelegt.31 Insgesamt gilt nach Frau Kadayifici-Orellana die Devise: „Da ein Konflikt als schädigend sowohl für die göttliche als auch die gemeinschaftliche Harmonie gilt, weist der Islam die Muslime an, engagiert für die Lösung von Konflikten einzutreten und die Harmonie friedlich und gewaltlos wiederherzustellen (Q 49:9).“32

      Angesichts der höchst divergierenden Auffassungen über Frieden und Gewalt in der muslimischen Gemeinschaft hält sie es für dringend erforderlich, innerhalb der eigenen Reihen eine Bewusstseinsbildung in dem von ihr dargelegten, den Weg der Gewaltlosigkeit bevorzugenden Geist der islamischen Quellen voranzutreiben und so vor allem die Islamisten zu delegitimieren.

      Zum Schluss – zwei Zitate ohne Kommentar

      „Wenn es nämlich stimmt, dass es in jeder solchen Zelle einen Kern von einigen Personen gibt, die bereit sind, sich zusammenzutun, um so eine größere Öffnung zum und eine größere Hingabe an den Nächsten zu erreichen, dann können diese Minderheiten im Bund mit anderen Minderheiten eine unwiderstehliche Kraft bilden.“33

      „Die Grundfrage bleibt: Sollen wir den Realismus der Bibel

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