Danke Lena. Patrick Reichelt

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Danke Lena - Patrick Reichelt

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Als die tollen Tage von Ruhpolding ein Ende gefunden hatten, da trug Magdalena Neuner neben ihren Skiern auch einen dicken Strauß roter Rosen auf dem Arm. Und dann war in der trüb verregneten Chiemgau Arena die Zeit gekommen, Danke zu sagen. Ein Sponsor hatte dafür weithin sichtbar ein gewaltiges Transparent über den Aufsprunghügel der Schanze der mondänen Anlage im Miesenbacher Tal spannen lassen. »Danke Magdalena« stand darauf über Magdalena Neuners lächelndes Konterfei geschrieben. Claus Pichler, Ruhpoldings Bürgermeister und Chef des Organisationskomitees der Biathlon-Weltmeisterschaft drückte Neuner eine Akkreditierung auf Lebenszeit für die kommenden Wettbewerbe in seiner Gemeinde in die Hand. Verbunden mit dem Dank für all die schönen Stunden, die die wohl beste Biathletin aller Zeiten den vielen Fans im Chiemgau beschert hatte. Die Türen im erklärten Mekka der Skizweikämpfer würden ihr und »den hoffentlich vielen Neuners« immer offen stehen. Da wollte sich auch Magdalena Neuner selbst nicht lumpen lassen. Natürlich griff auch die Wallgauerin zum Mikrophon. Um den Unentwegten zu danken, die trotz der unwirtlichen Bedingungen auf der Tribüne geblieben waren. Stellvertretend für die vielen Menschen, die ihr bei dieser Weltmeisterschaft, wie in all den Weltcupjahren in Ruhpolding so viel Zuneigung gegeben hatten. »Ich kann mich nur bedanken, dass ihr mich immer so unterstützt habt«, sagte Neuner mit merklich feuchten Augen, »auch wenn ich euch nicht immer jeden Wunsch erfüllen konnte.«

      Da trat plötzlich auch in den Hintergrund, dass diese letzte große Bühne ihrer kurzen aber umso heftigeren Karriere sportlich nicht ganz den rauschenden Ausklang mit sich gebracht hatte, den viele – natürlich auch Neuner selbst – gerne erlebt hätten. Im abschließenden Massenstart schlitterte die 25-Jährige irgendwo mit dem Feld über die Ziellinie. Als Zehnte des Tages, fernab von der norwegischen Weltmeisterin Tora Berger, die sich auf der Schlussrunde gegen ihre hartnäckigsten Verfolgerinnen Marie-Laure Brunet (Frankreich) und Kaisa Mäkäräinen (Finnland) durchgesetzt hatte. Es blieb verhaltener Applaus statt der Ovationen, die die Rekordweltmeisterin so oft hatte genießen dürfen. Und am Ende war Neuner einfach nur erleichtert, dass diese Tage auch für sie Vergangenheit waren. »Es war eine tolle WM«, betonte sie, »aber ich bin froh, dass es jetzt vorbei ist«. Die knapp zwei Wochen in Ruhpolding hatten auch an ihren Nerven kräftig gezehrt. Und das lag weniger an dem Mammutprogramm von sechs Rennen, das der Liebling der deutschen Wintersportfans unter dem Zirmberg zu absolvieren hatte. Der gewaltige WM-Trubel hatte Neuner schwer zugesetzt. Natürlich hatte der Deutsche Skiverband (DSV) einiges dafür getan, um seine Athleten vor dem schlimmsten Wirbel zu schützen. Ganz für sich im abgelegenen Landhotel Maiergschwendt durften sich Neuner und Co. auf ihre Einsätze vorbereiten. Sponsortermine, auch Fotoshootings wie das für ein großes Sportmagazin und auch die Pflichtbesuche nach Medaillengewinnen im deutschen Haus wurden auf ein erträgliches Minimum beschränkt. Und doch war Neuner letztlich am Ende ihrer Kräfte. »Bei mir ist die Luft raus«, sagte sie, »das kann sich keiner vorstellen, wie brutal der Druck ist – vor allem wenn man Magdalena Neuner heißt.«

      Neuner-Festspiele unter dem Zirmberg

      In der Tat waren diese größten Welttitelkämpfe der Biathlon-Geschichte vor allem Neuner-Festspiele gewesen. Kaum ein Fan, der nicht mit Neuner-Fähnchen oder -Schal ausgerüstet gewesen wäre. Kaum ein Transparent, das nicht von einer Grußbotschaft an die scheidende Ausnahme-Athletin geziert gewesen wäre. So wie bei jenem jungen Mädchen, das sich ein Plakat mit der, von Herzen verzierten Aufschrift »Magdalena grüßt Magdalena – danke für alles« auf den Rücken gepinnt hatte. Und auf der Anlage selbst brachen jedes Mal Jubelstürme los, wenn die blonde Bayerin in Erscheinung trat. Zu Beginn der großen Tage in Ruhpolding hatte sie die große Last der öffentlichen Liebe noch schlicht weggelächelt. Während sich die Konkurrenz vor den Erwartungen wegduckte, bekräftigte Neuner noch einmal die hohen Ziele, die sie über die Saison hinweg immer wieder formuliert hatte. Optimale sechs Medaillen, da hatte sie sich festgelegt, wolle sie in den sechs Wettbewerben vor eigenem Publikum holen. Selbst Chefcoach Uwe Müssiggang wollte da nur den Hut ziehen: »Ich war schon immer fasziniert, wie klar Magdalena ihre Ziele formuliert hat. Andere würden sich das vielleicht nicht trauen, weil sie denken, dann würde der Druck zu groß und der Rucksack, den sie mitschleppen, zu schwer. Für Lena war das nie ein Rucksack, der sie belastet hat, sie ist da ganz unkompliziert.«

      Und das Unternehmen sechs Mal Edelmetall begann ja dann auch ganz verheißungsvoll. In der Mixed-Staffel leistete sich Magdalena Neuner zwar mit insgesamt drei Fehlern wie Startläuferin Andrea Henkel leichte Wackler am Schießstand. Doch in der tiefen, von der Märzsonne aufgeweichten Spur zeigte sie schon einmal ihre Klasse und lief als Dritte bis auf gut 18 Sekunden an das führende Quartett aus Norwegen heran. Keine überragende, aber doch eine gute Ausgangsposition für Andreas Birnbacher. Und der Lokalmatador legte einen entfesselten Auftritt auf seiner Heimanlage hin. Schockte die Konkurrenz mit makellosen Schießeinlagen und war auch auf der Strecke die Nummer eins seiner Runde. Als der Schlechinger ins Ziel zurückkam, da stand für Schlussläufer Arnd Peiffer ein unfassbares Polster von rund einer Minute auf der Uhr. Das sich allerdings als ein wenig trügerisch erweisen sollte. Denn die obligatorischen Kontrollen der Trefferbilder an der Schießanlage zeigten, dass Norwegens Altmeister Ole Einar Björndalen irrtümlich ein Fehler angelastet worden war – der erfolgreichste Biathlet der Geschichte hatte sogar eine Strafrunde absolvieren müssen. Die Jury entschied schnell, dass das Missgeschick mit einer Zeitgutschrift von knapp 30 Sekunden für die Extrameter und einen überflüssigen Nachlader auszugleichen war. Doch diese Erkenntnis war es nicht, die Peiffer und damit das deutsche Quartett aus der scheinbar sicheren Goldspur riss. Der junge Hoffnungsträger aus Clausthal-Zellerfeld hatte schlicht nicht mit der grellen Sonne gerechnet, die auf seiner Runde aus denkbar ungünstigem Winkel auf den Schießstand fiel. Im Gegensatz zu den schärfsten Rivalen hatte sich der 24-Jährige nicht mit einer Sichtblende ausgerüstet. Vor allem das Stehendschießen wurde für ihn zum kapitalen Blindflug. »Es war eigentlich reines Glück, dass ich überhaupt etwas getroffen habe«, befand er später schwer frustriert. Peiffer kam mit einer Strafrunde davon. Doch auch die war zu viel, um Norwegens Ausnahmekönner Emil Hegle Svendsen und den überraschend starken Slowenen Jakov Fak in die Schranken zu weisen.

      Immerhin: Es blieb die Bronzemedaille. Was unter anderen Umständen wohl als großer Erfolg bewertet worden wäre in einem Wettbewerb, in dem mindestens zehn bis zwölf Nationen als heiße Medaillenanwärter eingestuft worden waren. Beim Pechvogel selbst wollte ausgelassene Freude über das erste Edelmetall in Ruhpolding allerdings nicht aufkommen. Dass die BILD-Zeitung dann auch noch spottete »Panne-Mann verballert Lenas erstes Gold« dürfte Peiffers Laune nicht eben besser gemacht haben. Neuner selbst sprang dem unglücklichen Teamkollegen zur Seite und nutzte die erste Pressekonferenz zu einer Breitseite gegen den Berichterstatter. »Die Leute sollen sich wirklich überlegen, was sie schreiben«, wetterte sie, »der Arnd hat einen tollen Job gemacht und Bronze gerettet. Und außerdem ist es nicht mein Gold, sondern es geht einzig und alleine um die Mannschaft.« Die scheidende Biathlon-Königin trauerte dem entgangenen Gold keineswegs nach – im Gegenteil, sie hatte mit der ersten Plakette von Ruhpolding sogar eine Lücke in ihrer Trophäensammlung geschlossen. »Es ist meine erste Bronzemedaille bei einer WM, das ist doch toll.« Sprach’s und schickte eine Mahnung an die so erwartungsvolle deutsche Öffentlichkeit hinterher. »Bei der Siegerehrung habe ich gesehen, wie ausgelassen sich die Slowenen über Silber gefreut haben«, sagte Neuner, »daran sollte sich vielleicht manch einer mal ein Beispiel nehmen.«

      »… oder Du bist der Depp«

      Und Magdalena Neuner wusste ja nur zu gut, dass ihre wohl größte Chance auf einen Titel bei dieser Heim-WM unmittelbar bevorstand. Von den acht Sprintrennen des Winters hatte die Wallgauerin bis dahin atemberaubende sechs gewonnen. Selten hatte eine Athletin eine einzelne Disziplin derart deutlich dominiert. In Ruhpolding allerdings schwebte nun ein kleiner Unsicherheitsfaktor über Neuners Spezialdisziplin: Das milde Wetter. Nicht wenige hatten den späten WMZeitpunkt kritisiert. Stephane Bouthiaux, Frankreichs Männertrainer und damit Coach des neuen Überfliegers Martin Fourcade, reihte sich in den Kreis der Kritiker ein. »Ich habe absolut kein Verständnis für die

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