Danke Lena. Patrick Reichelt

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Danke Lena - Patrick Reichelt

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sich zurückziehen konnte auf ihr Zimmer. Dann hörte sie am liebsten Kassetten. Benjamin Blümchen, Bibi Blocksberg. Und natürlich den Meister Eder und seinen Pumuckl. Fernsehen war bei Neuners eine ganz große Ausnahme, da musste schon etwas Besonderes kommen, einfach mal die Glotze anwerfen und sich von beliebigem, stumpfsinnigem TV-Programm berieseln zu lassen, so etwas gab es nicht.

      »Warum auch«, sagt Albert Neuner, »so etwas ist doch nur verlorene Zeit.« Lieber seien sie, die Buben und die Lena, mit dem Radl durch die Gegend geheizt, hätten im Wald Verstecken gespielt und sich Hütten gebaut. Und sind gemeinsam mit den Eltern auf die Berge gegangen.

      Wanderungen auf die Berge ringsherum, in Wallgau an den Wochenenden ein familiäres Standardprogramm. Die Schöttelkarspitze, die Soiernspitze, der Wank, der Krottenkopf, der Simetsberg, dazu eine ordentliche Brotzeit für die Rast am Gipfelkreuz, »da haben wir als Kinder schon ganz schön zu tun gehabt«, sagt Albert Neuner, »aber aktiv sein, verbunden mit der Natur, oben am Berg, das hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, damit wirst du einfach groß hier.« Genau wie mit dem Glauben.

      Wallgau ist sehr gläubig, Magdalena Neuner und ihre Familie sind es auch. Bei den Neuners gibt es wie in so vielen Häusern und Bauernhöfen in der holzvertäfelten Stube neben dem Esstisch einen Herrgottswinkel. Ein Eck, in dem ein Holzkruzifix hängt, Heiligenbilder und Figuren stehen. Maria, Josef, daneben eine Kerze.

      Christen gibt es in Wallgau seit der Spätantike, Ende des 13. Jahrhunderts bauten sie hier die erste Kirche, rund um 1680 bekam der Turm dann seine Zwiebelhaube. Die Pfarrei heißt St. Jakob, wie so viele Kirchen entlang des Pilgerwegs, der hier seit dem Mittelalter durch den Ort ging, Richtung Rom, nach Jerusalem und natürlich zum Grab des Apostels Jakob in Santiago de Compostela. St. Jakob ist keine große Kirche, wenn man zum Altar blickt, hat es rechts 17 Sitzreihen und links 15. Die Heilige Messe ist am Sonntag um 9 Uhr, und wenn man es am Sonntag nicht schafft, dann kann man auch am Samstag um 19.15 Uhr gehen.

      An einem von beiden Terminen war die kleine Magdalena fast immer in der Kirche zu sehen zusammen mit den Eltern als aktive Gemeindemitglieder, und als Albert und Magdalena Neuner vor Erstkommunion und Firmung standen, da wurden diese Vorbereitungsgruppen von Margit Neuner geleitet, Lenas Mama. Die Familie ging nicht der lästigen Pflichterfüllung wegen in die Kirche und auch nicht wegen religionspolitischer Dogmen, sondern aus tiefster grundfester Überzeugung für ein christliches Miteinander, im Wissen um die Grundwerte des Lebens.

      Als Magdalena Neuner schon viel Geld eingenommen hatte durch Preisgelder und Sponsoren, als sie sich schon viel hätte leisten können, da sagte sie: »Wenn ich jetzt daherkäme und mir einen Porsche kaufen würde, würde mir mein Vater doch den Vogel zeigen. Geld kann man doch viel sinnvoller anlegen, zum Beispiel für das künftige Studium seiner Kinder.«

      Das Leben mit dem behinderten Onkel

      Worauf es im Leben ankommt, erkannte Magdalena Neuner schon sehr früh, wie sie Anfang 2007, noch vor ihren drei WM-Titeln in Antholz, in einem sehr persönlichen und intensiven Gespräch mit dem Autor sagte. Es ging damals um ihre Beweggründe, zwei Jahre zuvor bei den nationalen Meisterschaften der geistig Behinderten in Garmisch, den Special Olympics National Games, bei der Eröffnungsfeier den Eid zu schwören. »Ich wusste schon immer, dass es Dinge gibt, die wichtiger sind als der Sport«, meinte sie damals. »Auch weil ich, seit ich ein Kind war, meinen behinderten Onkel miterlebe, der bei uns in der Familie lebt. Er hat Muskelschwund und kann sich kaum bewegen. Wenn man das wie ich von klein auf mitbekommt, dann hat man auch keine Berührungsängste mit behinderten Menschen, und man weiß es auch zu schätzen, wenn es einem gut geht – und wenn man normal laufen kann.« Die Erkenntnis, dass die Gesundheit das höchste Gut ist im Leben.

      Auch Anneliese Holzer, von der als Magdalenas erster Trainerin später noch die Rede sein wird, sagt: »Die Sache mit ihrem Onkel hat ihr schon immer gezeigt, was alles sein kann, und dass nicht immer alles heile Welt sein muss.« Selbst nicht in so einem Idyll wie Wallgau, wo aber nicht nur der Glaube eine große Bedeutung hat, sondern auch die Musik. Die Volksmusik.

      Bei den Neuners beherrschen sie alle ein Instrument. Paul, der Vater etwa, lernte Flügelhorn, genau wie Christoph, der jüngste Sohn. Dazu ist der Papa Dirigent der Musikkapelle Wallgau, und auch Paul, der Bruder, hat inzwischen seine eigene Band, eine Volksmusik-Band mit Namen »Die 3-einigen«, da spielt Paul, den sie »Bauli« nennen, Tuba und E-Bass.

      Magdalena spielte anfangs Blockflöte, später kam die Harfe dazu. Die Harfe, das erzählte sie Ende 2007, würde sie auch immer an Weihnachten im Kreis der Familie spielen. »Das sind dann immer glückliche Tage für mich«: Heiligabend, wenn es bei den Eltern Weißwürste und Brezn gibt und sie später alle in die Christmette gehen, wo Neuner nach eigenen Worten »beim Erklingen der Weihnachtslieder immer Gänsehaut« bekommt. Und am 1. Feiertag, wenn sie sich alle bei Oma Dora treffen, auch da wird die Harfe ausgepackt.Von der Harfe sollte in späteren Jahren noch oft berichtet werden, gerade in den allerersten Porträts bis hin zu den WM-Triumphen von Antholz, war die Harfe bald schon ein Markenzeichen, auch wenn das Klischee vom Harfe spielenden Mädl aus dem Oberbayerischen teilweise etwas überstrapaziert wurde.

      Keine halben Sachen – auch nicht beim Schuhplattler

      Die Hausmusik gehörte daheim zum festen Bestandteil, so wie auch das Tanzen. Tanzen machte Magdalena viel Spaß, im Trachtenverein, der sich auf die Fahne geschrieben hat, sich stark zu machen »für die Erhaltung unserer kulturellen Eigenheit, Sitt’ und Tracht«. Darum tanzt man dort natürlich auch den bayerischsten aller Volkstänze, den Schuhplattler. Auch hier war Albert Neuner zusammen mit seiner Cousine als Kind in einer Gruppe, man probte einmal die Woche, und wenn Heimatabende oder Dorffeste anstanden, oder auch Hochzeiten, dann durften sie den Tanz auch aufführen.

      Albert Neuner sagt, dass es kein Mädchen gab, das so gut geplattlt hätte wie die Lena. »Die hat einfach in allem gut sein wollen«, sagt er, »und das war eben auch schon als Kind so. Einfach so nebenher mitmachen, das war nicht das ihre, wenn die sich was in den Kopf gesetzt hat, dann hat sie das auch durchgezogen, und wenn es das Schuhplattln war.« Im Frühling 2006, als sie 19 war und sich eine große Sport-Karriere bereits andeutete, verabschiedete sich Magdalena Neuner ganz bewusst aus dem Kreis der aktiven Trachtentänzer. Zum Abschied, als sie einen schönen Blumenstrauß bekam, sagte sie, ihr fehle jetzt einfach die Zeit, weil das Training immer intensiver würde, und meinte zum Schluss noch: »Ich mache keine halben Sachen.« Ganz oder gar nicht, ganz konsequent.

      »Und wenn sie was gemacht hat«, sagt Albert Neuner, »gab es genau wegen dieser Einstellung nichts, wo sie gescheitert wäre.« Auch in der Schule nicht, wie ihre alten Lehrerinnen erzählen.

      In den ersten beiden Klassen in der Grundschule hatte Magdalena Neuner Karin Stichaner als Lehrerin, und die Frau Stichaner kann sich noch gut an diese brave, höfliche und zuvorkommende Schülerin erinnern. »Bei der Magdalena hat es nie etwas Negatives gegeben«, sagt sie, »sie war stets gut aufgelegt, hat im Unterricht immer gut mitgemacht, einfach ganz ein liebes Mädl,« Renate Gerblinger sagt das auch, sie hatte die Lena dann als Lehrerin in der dritten und vierten Klasse, sie erinnert sich an die Liebe zur Handarbeit und eben auch zur Musik. »Ich weiß noch, wie viel Freude es ihr gemacht hat, etwas auf der Harfe vorzuspielen«, sagt die Lehrerin, »die Mutter kam dann immer mit dem Auto vorgefahren und hat das Instrument gebracht.« Weil es doch etwas umständlicher zu transportieren war als die Blockflöte.

      Leistungssport statt Abitur

      Magdalena sei eine sehr gute Schülerin gewesen, sagt Frau Gerblinger. »Immer bei der Sache, fleißig und pflichtbewusst.« Als die vierte Klasse dann 1997 geschafft war, war es mit der

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