Danke Lena. Patrick Reichelt
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Das Irmengard sind eigentlich zwei Schulen, neben der Realschule gibt es ein Gymnasium, es ist ein mächtiger Bau direkt an der Hauptstraße in Partenkirchen, zwei reine Mädchenschulen, und bei den Einheimischen heißt das Irmengard auch schon mal »Jungfernbunker«.
Träger der Irmengard-Schule ist die Erzdiözese München und Freising, der Glaube ist auch hier ein zentrales Thema. »Der Glaube«, sagt Angelika Dahner, »kann im Leben ein Fels sein und einem viel Kraft geben.«
Angelika Dahner ist die Rektorin der Irmengard-Realschule, sie kam im Jahr 2000 hierher, als Lena Neuner gerade in die achte Klasse vorrückte. Und Angelika Dahner sagt, dass ihr die Magdalena schon damals besonders aufgefallen sei, ganz abgesehen von ihren sportlichen Leistungen und ersten Erfolgen, auch wenn damals noch nicht jeder Lehrer von ihrer großen Zukunft überzeugt war. Als Magdalena 13 war, ging es im Englisch-Unterricht einmal um die Berufswünsche der Schülerinnen. Magdalena sagte, sie wolle im Biathlon Profi-Sportlerin werden, aber da, erzählte sie später, habe ihr Lehrer nur gelacht und gemeint, dass das viele wollen würden, Profi-Sportler oder Pop-Star. Die junge Magdalena sagte daraufhin nicht viel, sie machte sonst ja auch nie Wirbel um ihre Träume, gab nie an, blieb eher zurückhaltend, wie die Rektorin sagt.
»Mit ihrer Anmut und ihrer Bescheidenheit«, sagt Angelika Dahner, »mit ihrer Herzlichkeit und ihrer Liebenswürdigkeit, da hat sie uns alle platt gemacht.«
Zielstrebig, humorvoll, verschmitzt
Fast nur Zweier und Dreier hatte sie in ihren Arbeiten und Zeugnissen, in Sport natürlich nur Einser, aber viel mehr als die Noten sagen die Beurteilungen aus, die Frau Dahner damals schrieb, die Bemerkungen, an die sie sich auch heute noch erinnern kann. Denn in ihren Beurteilungen hat Angelika Dahner damals viele Attribute zu Magdalena gefunden. »Zielstrebig« etwa, »beispielhaft«, »beständig«, vor allem aber spricht Neuners Schulleiterin von der »sozialen Kompetenz und emotionalen Intelligenz« ihrer ehemaligen Schülerin. »Sie hatte schon immer ein enormes Einfühlungsvermögen, eine starke Empathie. Wie sie Dinge wahrgenommen hat und wie es ihr gelungen ist, in der Begegnung mit den Mitmenschen immer den richtigen Ton zu treffen, zeigte mir früher schon, dass das ein außergewöhnliches Mädchen ist aus einer ganz tollen Familie.« Die Familie, die das Fundament gelegt habe. »Die Eltern haben ihr das beispielhaft vorgelebt«, sagt Dahner, »geerdet zu sein und damit eine große Reife in Charakter und Persönlichkeit zu entwickeln.«
Humorvoll, verschmitzt, auch das, sagt Angelika Dahner, sei die Magdalena als Schülerin gewesen. »Ein Mensch, der auch sehr stark und deutlich nonverbal durch die Augen sprechen kann«, sagt sie, und dann meint die Schulleiterin noch: »Die Schönheit ihrer Seele ist auch in ihren Augen zu erkennen.« Manches, was Angelika Dahner sagt, klingt schon fast zu perfekt und zu makellos, wenn sie etwa davon spricht, wie sie die Magdalena bei einem Schulkonzert an der Harfe habe sitzen sehen, »einem Engel gleich« und wie sie, Dahner, »dahingeschmolzen« sei.
Nach 2003, als sie die Schule dann verließ, kam Magdalena noch manchmal zurück. Ja, natürlich ging es auch immer mehr um die Erfolge, aber genau deswegen wollte Lena Neuner auch immer weniger darüber sprechen, sie wollte einfach sie selbst sein, mehr die alte Schülerin als die erfolgreiche Sportlerin. Und wenn sie sich dann bei Schulfesten an den Tisch mit den alten Lehrern setzte, dann ging es um die alten Zeiten und um Anekdoten und das Ja-wissen-Sie-noch. Neuner siezte ihre Lehrer natürlich nach wie vor. Genauso natürlich war es für sie, dass sie umgekehrt weiterhin geduzt werden wollte.
Nach dem Dreifach-WM-Gold von Antholz schrieb sie Ihrer Rektorin einmal ein Autogramm mit Widmung. »Für meine Frau Dahner« steht darauf, das hat natürlich einen Ehrenplatz im Irmengard-Direktorat, ein ewiges Andenken an einen vorbildlichen Menschen. »An einen in sich ruhenden Menschen«, sagt Frau Dahner, »an einen mittigen Menschen.«
Ein Mensch, der sich schon immer darüber im Klaren war, was er will, und auch was er nicht will. Und wenn sie etwas nicht wollte, dann gab sie das auch immer deutlich zu verstehen. Wie damals. Beim Wallgauer Ortsprospekt.
»Langlaufen und Schießen irgendwie« – Lenas Anfänge im Biathlon
Schuld an allem war ja im Grunde genommen Anneliese Holzer. Ohne sie hätte Magdalena Neuner vielleicht eine Profi-Karriere im Tennis angestrebt, das hatte sie in jungen Jahren schließlich auch gespielt. Oder sie wäre zum FC Bayern gegangen, dann natürlich nicht wegen des Lockrufs von Uli Hoeneß, der sie nach ihren Olympiasiegen von Vancouver in die Marketing-Abteilung des Vereins holen wollte. Sondern deswegen, weil sie auch einmal den Traum hatte, ein Star im Frauenfußball zu werden, wie sie später einmal sagte.
Oder sie hätte vielleicht doch eine Veterinärspraxis eröffnet. Albert Neuner, ihr Cousin, weiß nämlich noch, dass sie ganz früh als Kind einmal sagte, sie wolle Tierärztin werden. Aber dann wurde sie doch ein Weltstar im Biathlon. Dank Anneliese Holzer.
Anneliese Holzer kommt aus Krün, im Süden von Wallgau, von ihrer Terrasse aus sieht man gut hinüber in Magdalena Neuners Heimatort. Anneliese Holzer war selbst einmal Biathletin, Anfang der Neunziger Jahre. Sie war sogar richtig gut, sie lief zusammen mit Uschi Disl und Martina Zellner, 1993 etwa wurde sie mit der Staffel »Bayern 1« Zweite bei den Deutschen Meisterschaften. So ganz nach oben in die Weltspitze reichte es aber dann doch nie, Lillehammer, Nagano, die Olympischen Spiele blieben ein ferner und unerfüllter Traum, und während Disl die große Karriere machte, ergriff Anneliese Holzer einen anderen Beruf, einen für Frauen eher ausgefallenen, sie wurde Croupier in der Spielbank Garmisch-Partenkirchen.
Aktiv im Biathlon aber ging nichts mehr. Rien ne va plus.
1996 kam dann eine Anfrage vom Skigau Werdenfels. Im Skigau sind insgesamt 58 Vereine aus der Region zusammengeschlossen, im Westen bis weit über Garmisch-Partenkirchen hinaus, bis hinüber nach Bad Kohlgrub, Bad Bayersoien, Peißenberg. Viele dieser Vereine haben vor allem Wintersport-Abteilungen, Alpin und Langlauf. Biathlon gab es nirgendwo, Biathlon schien aber eine große Zukunft zu haben, der Sport wurde immer beliebter in der Öffentlichkeit. Im Februar des Jahres hatte es in Ruhpolding die WM gegeben, eine gemeinsame WM von Männern und Frauen zusammen, das gab es auch erst seit 1989.
Der Urknall in Ruhpolding
Im Februar 1987 etwa, als Magdalena Neuner gerade auf der Welt war, mussten die Frauen noch getrennt von den Männern ihre eigenen Titelkämpfe austragen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Lahti. Die Siegerinnen hießen damals Grönlid, Björkbom, Elvebakk. Namen, die keiner kannte in Deutschland.
Neun Jahre später war das schon anders, die WM in Ruhpolding war der eigentliche Auftakt, der Urknall zu der großen Erfolgsgeschichte der Sportart Biathlon. 90.000 Zuschauer strömten in die neue Chiemgau-Arena, erstmals schrieben die Zeitungen von einem »Biathlon-Boom«, die Sportler sorgten für Schlagzeilen. Das Staffel-Gold der Frauen am Tag nach Magdalena Neuners neuntem Geburtstag, der überlegene Sieg des DSV-Quartetts um Uschi Disl, Simone Greiner-Petter-Memm, die Frau mit dem Dreifach-Namen, um Katrin Apel und Petra Behle mit 2:45 Minuten Vorsprung auf