Danke Lena. Patrick Reichelt
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Dort war das Telefon nach den Erfolgen in Frankreich nicht mehr stillgestanden und Vater Paul sagte: »Das nimmt ja gar kein Ende mehr.« Nein, warum auch, jetzt sollte es erst richtig los gehen.
Zurück in der Heimat gab es einen großen Empfang, und auch das war nicht der letzte. Hunderte Wallgauer kamen, es gab Ansprachen von Georg Jennewein, dem Bürgermeister, und von Sepp Feuerecker, dem Skiclub-Vorstand und es gab einen Eintrag ins Goldene Buch des Orts.
Crossfire – schon damals auf die falschen Scheiben
Vieles war damals schon so wie später auch. Wie in Haute Morienne holte Neuner auch sechs Jahre später bei Olympia in Vancouver zwei Gold und ein Silber. Und wie zum Ende der Karriere, im Januar 2012 in Nove Mesto, schoss Neuner auch im März 2004 schon einmal auf die falschen Scheiben. In Clausthal-Zellerfeld.
Dort fanden zum Abschluss der Saison 2003/2004 die deutschen Jugendmeisterschaften statt, im Sprint der Klasse »J17/18 weiblich« kam sie überlegen zum zweiten Schießen im Stehen, doch dann nahm sie die falschen Scheiben ins Visier. Zwar gingen alle fünf Schuss ins Schwarze, aber dummerweise eben auf der Nebenbahn, ein sogenanntes »Crossfire«. Neuner drehte fünf Strafrunden und holte Silber.
Und wie über die ganze Karriere verteilt begannen nun die Ehrungen. Im Juli 2004 durfte sie darum sogar zu Edmund Stoiber. Der war damals noch Bayerischer Ministerpräsident und hatte damit begonnen, jedes Jahr die verdientesten und erfolgreichsten Athleten des Freistaats mit einem eigenen Sportpreis zu ehren – in verschiedenen Kategorien, und in der Kategorie »herausragende Nachwuchssportlerin« siegte damals eben Magdalena Neuner. Neuner war gefragt, in der Heimat sowieso, bei verschiedenen Anlässen wurde sie als Ehrengast dazu gebeten, und sei es nur, um in Mittenwald den Startschuss zum 4. Karwendel-Berglauf zu geben. Dabei musste sie nur einmal schießen, nicht fünfmal, und gar nicht schießen musste sie bei einer Veranstaltung im Februar 2005. Beim traditionellen Wallgauer Schlittenhunderennen.
Dort trat sie spaßeshalber und zur Freude der 4000 Zuschauer gegen ein Schlittengespann mit zwei Hunden an. Am Ende gewann natürlich Magdalena Neuner, sie sagte, das sei eine Mordsgaudi gewesen. Die Huskies sagten nichts mehr, ihnen hing erschöpft die Zunge heraus.
So lustig war es freilich in dieser Saison nicht immer, gleich am Anfang, im Herbst 2004 musste Neuner zweimal zum Zahnarzt, die Weisheitszähne mussten raus. Und auch ihre zweite Junioren-WM im finnischen Kontiolahti im März 2005 begann entsetzlich. Beim Zwischenstopp am Flughafen von Kopenhagen ging das halbe Gepäck verloren, und als sie endlich am Ziel angekommen waren, entpuppte sich das Quartier als eine schlimme Absteige. Später sagte Neuner: »Das Hotel sah aus wie ein Bordell.« Verschmuddelte Zimmer mit roten Lampen an der Wand, überall der Geruch von altem Zigarettenrauch, dazu eine Disco im Erdgeschoss, die die ganze Nacht hindurch aufdrehte bis ultimo.
Am nächsten Tag zogen sie dann um in ein anderes Hotel, Neuner konnte wieder Kraft tanken und holte sich nach Platz vier im Einzelrennen mit dem Sieg im Sprint ihren insgesamt dritten WM-Titel, dazu kam noch Silber in der Verfolgung und mit der Staffel, es folgte das gleiche Prozedere, die Ehrung in Wallgau, noch gewaltiger aber war der Rummel dann im Februar 2006.
Da hatte sie bereits, wie später noch zu lesen sein wird, ihr Welt-cup-Debüt gefeiert, und bei der Junioren-WM in Presque Isle wieder zwei Titel und einen zweiten Platz geholt, und daheim in Wallgau brodelte es. Der Marktplatz war überfüllt, längst war Magdalena Neuner ihre Heldin. Weniger, weil sie ein Edelmetall nach dem anderen heimbrachte, vielmehr, weil sie noch eine der ihren war, weil sie zum Ort stand, zur Heimat, zur Herkunft.
Weil sie kurz vor der Junioren-WM noch bei der Vereinsmeisterschaft des SC Wallgau mitgelaufen war.
Es war Februar 2006, bei der Veranstaltung gab es einen Moderator, der stellte viele Fragen, etwa, wie es denn so gewesen sei in Amerika. Dann fragte er auch noch, ob es nicht denkbar gewesen wäre, auch nach Italien zu fahren, zu den Olympischen Winterspielen in Turin. Schließlich hatte Neuner mit einem 11. Platz beim Weltcup in Antholz ja schon die halbe Qualifikationsnorm geschafft gehabt, mit den nacholympischen Ergebnissen in Skandinavien und den Plätzen 4, 9 und 13 hätte sie leicht nominiert werden können. Aber auch da bremste Neuner ein, als sie sagte: »Das wäre überhaupt nicht in Frage gekommen für mich, dafür gibt es bei uns viel zu viele gute Läuferinnen in der Mannschaft. Und die nächsten Spiele sind ja schon in vier Jahren, Vancouver 2010, das ist mein Ziel.« Und das erreichte sie dann ja auch.
Turin, nein, das wäre wahrscheinlich nichts gewesen, das empfanden auch ihre Mitbürger so. Hier in Wallgau lassen sich die Menschen lieber Zeit. Lieber langsamer an etwas herangehen als etwas hektisch überstürzen. Vancouver später reichte ja immer noch. Turin wäre zu früh gewesen. Das hätte sie vermutlich nur verhunzt.
»Irgendwann verlierst du die Nerven«
Sie war die große Wegbereiterin des Booms. Wurde sie zu Beginn ihrer Karriere wie die übrigen Biathlon-Frauen noch abfällig als »Flintenweib« bezeichnet, sorgte Uschi Disl mit ihren Erfolgen und ihrer Ausstrahlung dafür, dass ihre Sportart ungeahnte Popularität erlangte. Nach acht WM-Titeln, sechs davon mit Staffel und Mannschaft, und zwei Olympiasiegen 1998 und 2002 mit der Staffel beendete Disl 2006 ihre Karriere. Hier erzählt sie über die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten zwischen sich und Magdalena Neuner.
Frau Disl, als Sie von der Biathlon-Bühne abtraten, waren Sie 35 und damit zehn Jahre älter als Magdalena Neuner bei ihrem Rücktritt. Hat Sie Neuners frühes Karriereende überrascht?
USCHI DISL: Ja, durchaus. Aber ich denke, man muss das akzeptieren. Dennoch ist es schade, denn sie hätte das Zeug dazu gehabt, eine Legende zu werden, ein weiblicher Ole Einar Björndalen. Aber nur fünf Jahre im Weltcup, das ist für eine Legende meines Erachtens doch zu kurz. Magdalena hat eben andere Prioritäten, sie möchte Familie haben, bei mir kam das erst viel später.
Das war aber auch eine andere Zeit. Als Sie 25 waren, war Biathlon noch ein kaum beachteter Spartensport.
Das ist richtig. Wir waren auch erfolgreich, aber zu der Zeit hat uns kaum einer zugeschaut. Den Männern vielleicht, aber wenn die Männer fertig waren und wir Frauen an der Reihe waren, sind die Zuschauer heimgegangen. Viel Geld hast du mit unserem Sport am Anfang nicht verdient. Das ist bei der Magdalena natürlich anders, als sie 2007 ihren Durchbruch hatte, boomte Biathlon schon längst.
Neuner hatte schnell Sponsoren, aber auch bald keine Ruhe mehr. Vor Medienterminen, Werbeauftritten und vor allem nicht mehr vor zudringlichen Fans. Das haben Sie aber auch noch erlebt.
Ja, das ging 1998 los, nach Olympia in Nagano. Da explodierte plötzlich alles, das Interesse nahm zu. Es standen auch Leute bei mir daheim und klingelten an der Tür oder drückten sich die Nase am Küchenfenster platt. Damals hatte ich in Ruhpolding gewohnt, weil es einfach günstig war und ich nicht weit zum Training hatte. Aber das habe ich schnell geändert, ich bin dann umgezogen nach Kössen in Tirol. Da hatte ich meine Ruhe, da haben sie meine Haustür nicht gefunden.
Der Rummel war Ihnen also manchmal zu viel?
Wenn