Der Herzenfresser. Josef Scherz
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Читать онлайн книгу Der Herzenfresser - Josef Scherz страница 4
»Welche Waren?«
»Das habe ich ihn auch gefragt. Er ist wieder wütend geworden und hat geschrien ›hör auf, hör auf, Gott zu hinterfragen! Das ist frevelhaft!‹ Das Einzige, was er mir zugestanden hat, war, dass alles wahrscheinlich nicht auf Unredlichkeit, sondern auf den unerwarteten und tragischen Tod meiner Eltern zurückzuführen ist und ich deshalb davon nichts weiß. Die Kirche hat aus Respekt ohnehin lange zugewartet, hat er gesagt. Doch auch die Kirche hat die eine oder andere weltliche Pflicht zu erfüllen und kann deshalb nicht auf etwas verzichten, was ihr zusteht. Da sie diese Waren aber nach so langer Zeit nicht mehr brauchen kann, soll ich einfach nur das Geld zurückgeben. Das ist der Wille Gottes, meinte er.«
»Sie hatten das Geld natürlich nicht?«, hielt Ludowitz fest.
»Natürlich nicht! Der Pfarrer hat nur gemeint, Gott ist barmherzig. Die Schulden werden mir im Tausch gegen den Hof gnädig erlassen.«
Altmanner traten Tränen in die Augen, und er fuhr sich mit dem staubigen Ärmel seines Hemds ins Gesicht.
»Ich habe dem Pfarrer geantwortet, dass der Hof mit allem, was dazugehört, doch viel mehr wert sein muss. Da hat er gesagt, dass ich mit Gott nicht verhandeln kann. ›Auch das ist schon wieder ein Frevel‹.«
»Und eure Magd?«
»Sie war für ihn von Anfang an unschuldig. Damit sie keine Nachteile erleiden muss, soll sie als Magd auf seinem Pfarrhof arbeiten.«
»Und da haben Sie Bräuer um Hilfe ersucht.«
»Ja! Er war schließlich der Einzige, der verstanden hat, was vor sich ging. Er meinte, die Kirche gibt ohnehin keine Ruhe und setzt alles daran, uns zu vertreiben. Mit dem Vorwurf, Lutherische zu sein, findet sie viel Gehör, hat er gesagt. Spätestens nach dem nächsten Unwetter wären wir unseres Lebens nicht mehr sicher. Er hat uns deshalb geraten, irgendwo neu anzufangen. Dann hat er uns Ihre Adresse und dieses Schreiben gegeben.«
Altmanner bemerkte, wie Ludowitz seiner Gemahlin einen fragenden Blick zuwarf und sie ihm darauf wohlwollend zuzwinkerte.
»Sehr schlimm, was euch beiden widerfahren ist«, sagte er dann. »Ich will mich dazu vorläufig nicht weiter äußern, aber ich werde euch helfen. Schon meinem Freund Andreas Bräuer zuliebe. In den kaiserlichen Hofställen brauche ich jemanden mit Kraft und Verstand! Jemanden, der es versteht, mit Tieren umzugehen, und der es versteht, zu arbeiten.«
Er hob mahnend den Zeigefinger: »Ich brauche aber niemanden, der mit seinem Mundwerk arbeitet und unbedachte Äußerungen macht. Wir haben einzig und allein den kaiserlichen Hoheiten zu dienen!«
Nun erhob er sich, öffnete ein Fenster und blickte nachdenklich hinaus. Er ließ sich Zeit, schien mit sich zu ringen. »Bräuer und ich kennen uns seit dem Studium. Wir waren beide fasziniert von den neuen Erkenntnissen der Wissenschaften, welche viele althergebrachten Lehrmeinungen und das bisherige Gottesbild ordentlich erschüttert haben. Uns verbindet eine tiefe Freundschaft, obwohl wir unterschiedlicher nicht sein können. Er hat es schon immer als seine Pflicht betrachtet, die Leute endlich aufzurütteln, zu allen passenden und unpassenden Gelegenheiten. Religiöse Gefühle hält er für Humbug, auch sieht er keinen Unterschied zwischen Glaube und Aberglaube. Ich bin da eher ein Mensch, der an die Kraft und Wirkung der gemäßigten Worte glaubt. Anders wäre es auch gar nicht möglich, hier zu überleben. Immer und überall lauert die Gefahr, dass sich die vielen Damen und Herren am Hofe über irgendetwas empören und jede Kleinigkeit zu einem riesigen Skandal auswalzen.«
Altmanner war erstaunt über diese offenen Worte seines Gastgebers ihm, dem kleinen Bauern gegenüber. Er hatte dies nicht erwartet, es gefiel ihm.
»Da ich davon ausgehen kann, dass ihr ohne Unterkunft seid, könnt ihr vorläufig bei uns im Gästezimmer bleiben.«
Ludowitz deutete mit gespielt ernster Miene auf das Bäuchlein der schwangeren Rosa.
»In Zukunft sind anstrengende Fußmärsche tunlichst zu unterlassen, schließlich wollen wir ja alle, dass ein gesundes Kind zur Welt kommt!«
2
(Monate später …) Vom mächtigen Gebirgsstock des Hochschwab wehte ein unangenehmer, kalter Wind. Ein Vorbote des nahenden Winters. Für November nicht allzu ungewöhnlich in dieser Gegend.
»Was stehst du da vor der Tür herum? Komm doch endlich herein«, sagte Pfarrer Johannes fröstelnd und hielt die Tür auf.
Maria reagierte nicht.
»Komm doch rein, mein Kind!«
Maria trat mit gesenktem Haupt an ihm vorbei in die Stube.
»Was ist denn los? Du wirkst so betrübt?«
Er versuchte sie am Arm anzufassen, doch sie zog ihn schnell zurück. Er wusste sich nicht anders zu helfen, als nach seiner Köchin Edeltraud zu rufen. Sie eilte herbei und bemerkte sofort die angespannte Situation.
»Was ist denn passiert?«, fragte Edeltraud.
»Ich bin so traurig!«, schluchzte Maria und fiel ihr in die Arme.
»Aber was ist denn los?«, fragte Pfarrer Johannes mit betont ruhiger Stimme.
Maria antwortete nicht.
»Du hast doch keinen Grund unglücklich zu sein«, sagte Pfarrer Johannes beschwichtigend und lenkte ab: »Wir sollten uns alle freuen, denn die Ernte ist in diesem Jahr besonders gut ausgefallen, die ganz großen Unwetter haben einen weiten Bogen um die Gegend gemacht. Gott hat uns dafür belohnt, dass diese gottlosen Altmanners verschwunden sind!«
Maria riss sich los und rannte aus der Stube. Edeltraud wollte ihr folgen, doch Pfarrer Johannes hielt sie zurück: »Lass mich machen! Sie braucht jetzt göttlichen Beistand.«
Edeltraud sah ihn mit großen Augen an und murmelte fast unhörbar: »So, so. Göttlichen Beistand.«
»Jawohl, göttlichen Beistand!«, sagte er betont, schickte Edeltraud in die Küche und vergewisserte sich im Flur, dass sie an ihren Arbeitsplatz zurückgegangen war. Dann suchte er Maria in ihrer Kammer auf.
»Ich will allein sein«, greinte Maria, die bäuchlings auf ihrem Bett lag, das Gesicht ins Kissen vergraben.
Er ignorierte ihren Wunsch, zog einen Hocker ans Bett und setzte sich. »Sag mir endlich, was geschehen ist? Ich bin schließlich auch dein Beichtvater. Ich werde nicht eher gehen, als bis du mir erzählt hast, was dir widerfahren ist.«
Maria drehte sich ruckartig um.
»Der Herr Graf und ich werden uns nicht mehr sehen. Es wird keine weiteren Treffen mehr mit ihm geben. Sein Stand erlaube es nicht. Ich verstehe das nicht. Ich liebe ihn doch, und er liebt mich. Ich weiß es, und ich spüre es.«
Pfarrer Johannes wurde zornig: »Du weißt wohl, dass das alles eine Sünde ist?!«
Sie verschränkte trotzig ihre Arme: »Hochwürden sprechen von Sünde?! Wenn das so ist, dann …«
»Aufhören!«, schrie er sie an und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige.
Sie lachte auf: »Züchtigen