Der Herzenfresser. Josef Scherz
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Читать онлайн книгу Der Herzenfresser - Josef Scherz страница 5
Daraufhin bekreuzigte er sich und rannte aus der Kammer nach draußen auf den Hof. Er atmete schwer und betrachtete seine Hände. Er konnte nicht glauben, was er soeben getan hatte.
»Hochwürden?«
Er reagierte nicht.
»Hochwürden?«
Widerwillig drehte er sich um: »Was ist, Edeltraud?«
»Gott sieht alles.«
Mit einem kräftigen Ruck stieß er die Köchin zur Seite und kehrte zu Maria in die Kammer zurück, die sich wieder aufs Bett gelegt hatte und schluchzte.
»Mein Kind, ich glaube, wir sollten miteinander reden.«
Er bemühte sich um einen gütigen Tonfall und strich ihr zärtlich übers Haar. Unwillig drehte sie sich weg. Das schmerzte ihn.
Maria zitterte nun am ganzen Körper, sie war bleich und wimmerte: »Ich fühle mich nicht wohl!«
Einen Moment später wurde sie ohnmächtig.
Nun war es Johannes, der erschrak. Hilflos tätschelte er ihre Wangen, um sie wach zu bekommen. An diesem schönen, bleichen Gesicht konnte er sich kaum sattsehen. Er hielt kurz inne, rief aber dann nach Edeltraud. Und diesmal war sie es, die ihn zur Seite schubste. Sie legte eine Hand auf Marias Stirn, beugte sich über ihre Brust und horchte, ob sie noch atmete.
»Sie braucht kalte Umschläge«, sagte sie dann, »wenn Hochwürden so gütig wären und schleunigst den Dorfbader holen könnten?«
»Den Dorfbader?«, fragte er ängstlich, denn er war es gewohnt, dass Edeltraud für alles immer selbst ein Heilkraut zur Hand hatte.
»Ja, den Dorfbader«, antwortete sie ungeduldig.
»Ich hoffe doch nichts Schlimmes?«
Anstatt zu antworten, bedachte Edeltraud ihn mit einem strengen Blick und bedeutete ihm, endlich zu gehen. Im Gehen hörte er Edeltraud noch sagen: »Oh mein Gott, warum lässt du das alles nur zu?«
†††
»Sie kommt wieder zu sich. Geht und lasst mich jetzt mit ihr allein«, vernahm Maria eine Stimme. Gleich darauf waren hektische Schritte und der dumpfe Knall einer zuschlagenden Tür zu hören.
Langsam öffnete sie ihre Augen und starrte zur hölzernen Decke ihrer Kammer. Da beugte sich jemand mit schmalem, faltigen Gesicht und braunem Vollbart über sie. Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln und gewährte ihr einen Blick auf Zahnlücken und allerlei gelbe und verfaulte Zähne, an denen Essensreste klebten.
»Hab keine Angst, Maria. Ich werde dich jetzt untersuchen«, sagte der Dorfbader und verbreitete dabei einen so üblen Mundgeruch, dass sie beinahe erbrechen musste.
Gekonnt öffnete er ihr Kleid und begann den Unterleib mit seinen kalten, rauen Händen abzutasten.
Manchmal zuckte sie ein wenig zusammen, was er mit einem wissenden Brummen quittierte. Er hatte offenbar einen Verdacht.
»Wann hattest du deine letzte Blutung, mein Kind?«
Als sie die Frage mit zitternder Stimme beantwortete, war die Sache für ihn klar: »Liebe Maria, du bist in anderen Umständen, du wirst Mutter!«
Sie konnte seinem schlechten Atem noch immer nicht ausweichen. Nun war es zu viel. Sie begann zu würgen. Er half ihr, sich aufzurichten, und sie erbrach sich.
»Ja, ja! Das ist jetzt ganz normal«, sagte er.
†††
Pfarrer Johannes hatte sich auf einen Stuhl in eine dunkle Ecke seiner Stube zurückgezogen und dachte in sich zusammengesunken nach. So sehr er sich auch bemühte, er konnte keinen klaren Gedanken fassen und starrte reglos auf den Boden. Erst allmählich fand er wieder zu sich. Er war die oberste Autorität im Dorfe. Er war es, der jedes Fehlverhalten schonungslos anprangerte, und nun würde ausgerechnet auf seinem Pfarrhof eine junge, unverheiratete Mutter mit einem Kind der Sünde leben. Noch dazu durfte der Kindsvater niemals öffentlich werden. Aber was, wenn sie es irgendwann doch verriet? Würden die Leute ihr glauben? Die Folgen wären unabsehbar. Sein Blick richtete sich auf das Kreuz an der Wand.
Oh mein Gott! Was soll ich nur tun? Hilf mir!
Da klopfte es an die Tür.
»Ja bitte?«
Edeltraud trat mit einer flackernden Kerze ein und stellte sie auf den Tisch.
»Hochwürden sitzen so ruhig im Dunkeln. Ist ihm nicht ganz wohl zumute?«
Ihre Stimme hat einen gefährlichen Unterton.
»Ich will mit Gott alleine sein«, zischte er und faltete die Hände, als wolle er sich einem stillen Gebet hingeben. In Wahrheit war ihm nicht danach zumute.
Die sonst so bockige Edeltraud folgte seinem Wunsch und wandte sich zur Tür.
»Halt!«, rief er ihr nach, »niemand darf erfahren, was hier los ist.«
Sie drehte sich um.
»Hochwürden, die Schwangerschaft wird sich aber auf Dauer nicht verbergen lassen, und jeder wird sich fragen, wer wohl der Vater ist.«
Er zuckte zusammen.
»Könnte man das Kind nicht …«
»… wegmachen lassen?«, beendete sie empört den Satz und bekreuzigte sich. »Was für eine Sünde! Außerdem ist Hochwürden wohl nicht bewusst, dass es sich hierbei um eine ziemlich brutale Methode handelt, bei der auch für die werdende Mutter Todesgefahr besteht. Oder will Hochwürden die eine Sünde mit zwei Toten tilgen?! Und das vor dem Angesicht Gottes?«
Sie wies auf das Kreuz an der Wand.
»Was weißt du schon von Gott, du einfältiges Weib? Hier im Dorf bin ich es, der weiß, was Gott will! Hier handele ich nach seinem Willen.«
Edeltraud stürmte zornig aus der Stube und schlug die Tür hinter sich zu.
Pfarrer Johannes war wohl zu weit gegangen. Wieder einmal.
Diese Weiber sind das reinste Unglück auf Erden.
Er erhob sich und begann nervös auf und ab zu gehen. Er hasste es, wenn der Holzboden unter jedem seiner Schritte knarrte, und er hasste es, wenn er dabei im schwachen Kerzenschein seinen eigenen Schatten an der Wand wie einen bösen Geist umherwandeln sah.
Es muss doch noch eine Lösung geben!
Lieber Gott, bitte hilf mir doch!
Er versuchte sich zu konzentrieren, und nach einer Weile erhellte sich sein Gesicht.
»Ja, so könnte es gehen!«, murmelte er und schaute auf das Kreuz. »Ich danke dir, oh Herr!«
†††
Am nächsten Tag ging es Maria schon etwas besser. Pfarrer Johannes rief