Der Herzenfresser. Josef Scherz
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Читать онлайн книгу Der Herzenfresser - Josef Scherz страница 6
Vor Scham verbarg sie das Gesicht in ihren Händen.
Er wandte ihr den Rücken zu und starrte aus dem Fenster.
»Du hast mit deinen Reizen verführt, nur um deine niedrigen Gelüste zu befriedigen. Du hast damit eine große Sünde begangen. Du hast dich vom Teufel leiten lassen.«
Die Worte schlugen auf sie ein wie Fausthiebe. Sie begann zu schluchzen.
»Halte dich zurück!«, forderte er scharf, »dein Geheule nützt dir nichts. Du kannst es nicht mehr ungeschehen machen.«
Er drehte sich wieder zu ihr um, baute sich abermals bedrohlich vor ihr auf und schrie: »Auf einem Pfarrhof ist kein Platz für eine elende Sünderin! Du trägst ein Kind der Schande in dir. Gott wird dich dafür bestrafen. Und wenn es ihm gefällt, bricht auch noch über uns alle, über das ganze Dorf, ein Unglück herein.«
Sie sackte in sich zusammen.
Plötzlich sagte er mit sanfter Stimme: »Aber vielleicht gibt es eine Möglichkeit, Gott gnädig zu stimmen. Du hast es in der Hand.«
Sie schaute zu ihm auf, zog ein kleines Tüchlein unter ihrer Schürze hervor und schnäuzte sich.
»Wie könnte ich Gott gnädig stimmen? Was muss ich dafür tun?«
»Hm … ja … du musst … heiraten. Und zwar so früh wie möglich. Das Kind muss in aufrechter Ehe geboren werden-«
»Heiraten?«, wimmerte sie. »Aber Hochwürden wissen doch, dass es völlig ausgeschlossen ist, den Kindesvater zu heiraten.«
Abrupt drehte er sich wieder um. »Ich weiß, ich weiß. Aber ich … eh … Gott hat jemanden für dich.«
Sie seufzte: »Ich soll einen völlig fremden Mann heiraten?«
»Du wirst wohl ein Opfer bringen müssen«, sagte er schroff, »Gott will es so. Es gibt da jemanden, der sich nach einer Frau sehnt, aber zu schüchtern ist, eine anzusprechen. Er hat es mir einmal bei passender Gelegenheit gestanden. Du brauchst einen Mann, und dieser Mann sucht eine Frau. Gott führt auf diese Weise zusammen, was zusammengehört.«
»Ich kann das nicht«, heulte sie auf.
Er fuchtelte wild mit seinen Armen.
»Das ist doch die Höhe! Willst du dich etwa dem Wunsch Gottes verweigern? Begreifst du nicht, du dumme Gans? Du kannst Gott damit milde stimmen. Wenn schon nicht für dich, dann tue es wenigstens für das Dorf. Du musst für deine Sünden die Verantwortung übernehmen.«
»Was verlangt Gott denn da von mir? Warum habe ich die Last dieser Sünde alleine zu tragen? Warum nicht auch der Kindesvater?«
Er lief hochrot an und spuckte bei jedem seiner Worte: »Weil der Kindesvater ein hilfloses Opfer deiner Reize geworden ist. So ist das.«
†††
Wahrscheinlich hat der liebe Gott meine innigen Gebete erhört und alles wird gut, dachte Maria.
Pfarrer Johannes hatte sich in den letzten Tagen rar gemacht, und auch sonst hatte alles seinen üblichen Lauf genommen. Nur diese lästigen Kreuzschmerzen und diese Übelkeit erinnerten sie immer wieder daran, dass sehr wohl alles anders war als sonst. Gelegentlich musste sie sogar ihre Arbeit unterbrechen, um sich in ihre Kammer zurückzuziehen. Sie achtete aber stets darauf, nicht allzu lange abwesend zu sein. Weder Pfarrer Johannes noch der liebe Gott sollten Anlass zur Klage haben.
Als sie sich wieder einmal ausruhte, klopfte es heftig an die Tür ihrer Kammer und Edeltraud trat aufgeregt ein.
»Maria, ein Mann ist soeben hier aufgetaucht und trifft sich mit unserem Herrn Pfarrer in der Stube!«
Maria fuhr erschrocken auf.
»Wer ist es?«
»Ich hab ihn nicht genau gesehn«, antwortete ihr Edeltraud zögernd.
Maria glaubte ihr nicht. Wahrscheinlich wollte sie sie nur vor der furchtbaren Wahrheit verschonen. Sie begann zu schluchzen: »Was ist das für ein ungerechter Gott, der so etwas zulässt?«
»Maria, versündige dich nicht«, warnte Edeltraud und bekreuzigte sich, »Gott ist allmächtig und weiß, was er tut.«
»Warum verschließt er dann seine Augen vor meinem Unglück?«
»Gott sieht dein Unglück, weil er alles sieht. Du musst ihm einfach vertrauen. Er hat sicherlich nur Gutes mit dir vor.«
In diesem Augenblick rief Pfarrer Johannes nach Maria, worauf sie sich schwerfällig erhob und sich die Tränen aus den Augen wischte. Edeltraud warf ihr einen liebevollen Blick zu.
»Fürchte dich nicht.«
Mit gesenktem Haupt schlich Maria hinüber in die Pfarrstube und würdigte weder Pfarrer Johannes noch diesen Mann eines Blickes. Sie sollten ruhig spüren, was sie dachte.
»So mein Kind, setz dich zu uns an den Tisch«, sagte Pfarrer Johannes – und nach einer kurzen Pause fragte er den Mann: »Na, was sagst du zu ihr?«
»Ein … ein ganz schönes Weib«, antwortete dieser stark lispelnd.
»Siehst du, Gott hat deine Gebete erhört und schenkt dir gerne dieses Weib«, sagte der Pfarrer.
Sie hörte mit immer noch gesenktem Kopf, wie Pfarrer Johannes ihrem künftigen Mann auf die Schulter klopfte. Ihr wurde klar, dass sie nicht weiter so tun konnte, als ginge sie das alles nichts an und wagte aufzuschauen.
Ein kleiner, unscheinbarer Mann lächelte ihr entgegen. Sein Gesicht war sonnengegerbt, sein dunkles Haar hing in fettigen Strähnen bis zu den Schultern herab. Über der Oberlippe wuchs ein kümmerlicher Bart. Seine Kleidung war abgetragen, hier und da zerrissen und dürfte schon länger nicht mehr gewaschen worden sein – so wie der Kerl selbst. Er verbreitete den Geruch von abgestandenem Schweiß, Stall und kaltem Rauch. Es war ihr nicht möglich, sein Alter einzuschätzen.
»Ich werde mich persönlich um die Hochzeit kümmern«, sagte Pfarrer Johannes. »Zuvor solltet ihr euch aber schon ein wenig im Dorf zeigen. Gemeinsam. Die Leute sollen schließlich sehen, dass ihr zusammengehört und Brautleute seid.«
Bei diesen Worten senkte Maria wieder den Kopf und begann bitterlich zu weinen. Pfarrer Johannes ließ sich nicht beeindrucken und wandte sich wieder dem Mann zu: »Wirst sehen, die wird schon noch. Aber jetzt geh hinaus vor das Pfarrhaus und warte, ich komm gleich nach.«
Als der Mann verschwunden war, sagte Johannes: »Na, was sagst du zu deinem zukünftigen Gemahl?«
Ihr gruselte bei dieser Vorstellung.
»Wer ist das überhaupt?«
»Rudolf Reininger.«
Sie hatte von diesem Reininger bisher nur gehört, doch das war schockierend genug gewesen. Im Sommer lebte er als Hirte auf der Turnauer Alm, und die Leute im Dorf erzählten, dass er in seiner Einsamkeit ein Eigenbrötler geworden sei. Einige behaupteten sogar, dass er gar keine Frau bräuchte, weil er es ohnehin mit seinen