Der Welt-Geist. Roger D. Nelson
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Ich erklärte John seine Aufgabe. »Lehn dich zurück, entspanne dich, schließe deine Augen. Denke an den Menschen, der diese Szene erleben soll. Versuche nicht krampfhaft dir Details zu merken, lass einfach das, was passiert, in dein Bewusstsein fließen. Sei offen für Bilder, Farben, Gerüche. Versuche nichts zu deuten, sondern lass es einfach fließen und beschreibe es.«
John lehnte sich zurück, ich schaltete den Recorder ein, um ihn aufzunehmen und verließ den Raum. Einige Minuten passierte nichts, doch dann erzählte er: »Ich sehe eine Art Kreis wie ein Karussell oder einen Aussichtspunkt. Ein großes rundes Ding. Es ist rund an seinen Enden wie eine Scheibe. Es ist sehr hoch. Ich sehe darunter auch Wasser, dann etwas wie einen Zaun. Stufen führen nach oben wie ein Pfad. Und da ist wieder etwas wie ein Zaun. Menschen gehen entlang. Da sind vertikale Linien entlang diesem Weg. Ich sehe kleine Boote und Docks …« John beschrieb bildhaft eine Szene, die er gerade zu erleben schien.
Das Besondere an dieser Art von Experimenten war, dass sie etwas beschreiben sollten, was erst in der Zukunft von jemandem gesehen und erlebt wird, der zum Zeitpunkt des Experiments noch nicht einmal davon weiß.
Er beschrieb eine 6.922 Kilometer entfernte Szene, die erst zwei Tage später passieren sollte
Der Agent in diesem Fall war ein Mitarbeiter des PEAR, Alan Murphy2, der am kommenden Tag mit einem Kollegen nach Europa fliegen sollte, um einen Vortrag auf einer Konferenz zu halten. Alan wusste nichts von Johns Beschreibung und bekam erst am Abflugtag von uns den Auftrag, an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Zeit eine Szene für ein Precognitive Remote Perception-Experiment in Europa auszusuchen und zu beschreiben. Alan flog nach Bratislava, heute Hauptstadt der Slowakei und exakt 6.922 Kilometer von Princeton entfernt. Als Alan und sein Kollege Frank* in Bratislava ankamen, fuhren sie über die Brücke des Slowakischen Nationalaufstandes, auch Neue Brücke genannt: »Das wäre perfekt für unser Experiment«, sagte Alan. »Es ist nahe an der Zeit, wo ich den Versuch machen soll, und ich denke, das ist ein perfektes Ziel.« Die Schrägseilbrücke über die Donau hat eine Spannweite von 303 Metern, die Gesamtlänge beträgt 430 Meter. Das Besondere an der Brücke: Sie hat an einem Ende einen Aussichtsturm, wegen seiner Scheibenform UFO genannt, und in 85 Meter Höhe befindet sich ein rundes, völlig verglastes Restaurant mit einem atemberaubenden Blick auf die Stadt. 430 Stiegen führen – neben einem Aufzug – nach oben.
Was John Hamm zwei Tage zuvor bei unserem Experiment im PEAR beschrieb, erlebte Alan – der nichts von John Hamms Beschreibung wusste – zwei Tage später in Bratislava tatsächlich. Wer sich Bilder der Neuen Brücke ansieht und sie mit Johns Beschreibung vergleicht, erlebt die exakte Schilderung dessen, was unser Agent Alan erst zwei Tage später am anderen Ende der Welt erleben sollte.
»Konnten sich die beiden nicht abstimmen?«, werden Sie sich jetzt fragen. Nein, sie kannten einander zwar, Alan wusste aber nur die Zeit, zu der er ein Ziel aussuchen sollte, wo auch immer er zu diesem Zeitpunkt sein mochte. John wusste, dass Alan reiste, kannte aber weder sein Ziel noch das Programm der Reise oder die Route. Wir hatten für Versuche dieser Art wie generell für jedes Experiment strenge wissenschaftliche Protokolle.
Der Agent musste bei der Szene, die er beschrieb, eine binäre Liste ausfüllen, durch die wir dreißig Elemente abfragten, ob diese in der Szene vorhanden waren oder nicht. Der Empfänger wiederum musste einerseits die Szene bestmöglich in erzählerischer Form beschreiben, anderseits ebenso dieselbe Beschreibungsliste mit ihren dreißig Elementen ausfüllen. In der Folge wurden die Übereinstimmungsmerkmale daraufhin analysiert, wie viele eindeutige Treffer vorhanden waren, und statistisch unter Berücksichtigung aller wesentlichen Parameter wie der Gaußschen Normalverteilung ausgewertet.
Als wir in Princeton mit dieser Art von Experimenten begannen, gab es auch noch keine Handys und kein Internet, wo man sich mal eben schnell Bilder von der Neuen Brücke ansehen konnte. Stattdessen dokumentierten Alan und Frank die Szene mit altmodischen Fotografien.
Wie ist es möglich, dass ein Mensch eine Szene beschreibt, die ein anderer erst in der Zukunft erlebt?
Das war eine jener Fragen, die wir uns in Princeton über zweieinhalb Jahrzehnte lang im PEAR Lab stellen sollten.
Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir nicht erklären können – aber die trotzdem existieren
Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die sich unserer rationalen Erklärung entziehen. Jeder Mensch kennt solche Phänomene und Ereignisse und einige haben sie in ihrem Leben vielleicht schon selbst erlebt. Unser Verstand kann sie meist nicht erklären oder nachvollziehen, aber unsere Intuition sagt uns, dass es sie gibt.
Wenn sich Ereignisse jeder Analyse entziehen, wenn die Wissenschaft nicht weiterweiß – und das ist weitaus häufiger der Fall, als Sie vielleicht vermuten würden – so werden Phänomene oft als Einbildung, Humbug oder »esoterischer Schwachsinn« abgetan. Aber was ist, wenn es diese Phänomene tatsächlich gibt, wir sie aber mit unserem menschlichen Verstand einfach – noch – nicht erforschen oder deuten können?
»Wissen ist begrenzt«, sagte Albert Einstein. Welcher seriöse Wissenschaftler maßt sich an, das gesamte Universum verstehen oder deuten zu wollen? Das ist, als würden Sie einer Ameise die Relativitätstheorie erklären wollen. Wir scheitern schon bei der Erklärung der Funktionsweise unseres eigenen Gehirns.
Wissenschaftliche Forschung beginnt meist mit kühnen Theorien. Und oft werden diese nicht ernst genommen. Das haben wir in der Geschichte der Menschheit laufend erlebt. Nikolaus Kopernikus stieß auf breite Ablehnung, als er behauptete, die Planeten drehen sich ebenso wie die Erde um die Sonne und nicht wie bisher angenommen alle Gestirne um die Erde, und die Fixsterne am Himmel bewegen sich nur scheinbar und zwar deshalb, weil sich die Erde um ihre eigene Achse dreht. Das wissenschaftliche wie das damals einflussreiche kirchliche Establishment lehnten seine Theorien strikt ab. Sein heliozentrisches Weltbild wurde als »Hirngespinst« abgetan. Und heute? Wissen wir, dass Kopernikus recht hatte.
Wesentlich ist, dass die Wissenschaft bereit ist, sich unvoreingenommen Phänomenen zu widmen, die sie nicht erklären kann. Gibt es Telepathie – Gedankenübertragung – wirklich? Können wir alleine mit unseren Gedanken Materie beeinflussen? Sind wir alle miteinander verbunden?
Albert Einstein lehrte in Princeton, der wissenschaftlichen Heimat zahlreicher Nobelpreisträger
Diese Fragen faszinierten mich als Wissenschaftler immer schon sehr. Umso begeisterter war ich, als mich Robert G. Jahn fragte, ob ich mit ihm und Brenda Dunne das PEAR – das Princeton Engineering Anomalies Research Lab – entwickeln und wissenschaftlich leiten möchte. Ich unterrichtete zu dieser Zeit gerade Psychologie am Johnson State College in Vermont, das heute Northern Vermont University heißt, als mir ein Freund eine Stellenanzeige zeigte, die mich schon nach Lektüre des ersten Satzes fesselte: »Wir suchen einen kognitiven Wissenschaftler, der sich für die weniger bekannten Aspekte der Wahrnehmung interessiert. Princeton University.« Das klang interessant. Der Job reizte mich gleich aus mehreren Gründen.
Princeton ist keine gewöhnliche Universität. Sie ist eine der bedeutendsten der Welt. Albert Einstein lehrte in Princeton und veränderte mit seinen Theorien die Welt. Unzählige Nobelpreisträger studierten oder unterrichteten in Princeton wie Kip Thorne (Physik), Steven Weinberg (Physik), Edwin McMillan (Chemie), Gary Becker (Wirtschaft), Clinton Davisson (Physik), John Nash (Wirtschaft), Robert Hofstadter (Physik), Richard Smalley