Die geteilte Seele. Iris Zachenhofer
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Eine meiner besten Freundinnen hatte einen Mann geheiratet, dessen innerer Christopher ebenfalls dominant war. Er konzentrierte seinen Hang zum Ordnen und Zählen am liebsten auf seine Finanzen und war unglaublich geizig. Sogar im Urlaub rechnete er jeden Abend genau aus, wer wie viel Geld wofür ausgegeben hatte. Er vergaß dabei weder das Eis am Vormittag noch den Toiletteneintritt am Nachmittag. Allerdings kotzte er regelmäßig das Klo voll, weil er aus Sparsamkeit verdorbene Lebensmittel gegessen hatte.
Ich habe Tränen gelacht, als mir diese Freundin vom Ordnungswahn ihres Christopher-Mannes, der selbst im Schlafzimmer seinen Ausdruck fand, erzählte. »Zuerst von vorne, dann von hinten, dann von der Seite, immer nach Plan«, sagte sie. Sie hatte den Verdacht, dass er dabei auch einem genauen Zeitplan folgte und ständig auf die Uhr sah.
Ein Freund von mir bekam auf die Frage, warum sich seine Frau, die ebenfalls einen ausgeprägten inneren Christopher hatte, von ihm trennte, die Antwort: »Weil du, egal wie oft ich es dir sage, immer die Klopapierrolle verkehrt herum aufhängst. Ich halte das nicht mehr aus.«
In den Wohnungen des Typs Christopher ist nicht nur alles geometrisch angeordnet, sondern auch spiegelblank. Schuhe im Schuhregal sind nicht nur millimetergenau nebeneinander abgestellt, nach Farben, Absatzhöhe und Jahreszeiten sortiert, sondern auch auf Hochglanz poliert. In den Kleiderschränken sind oft sogar die Abstände zwischen den einzelnen Kleiderbügeln genau gleich.
Der Typ Christopher macht uns auch in vielerlei Situationen des Alltags das Leben schwer. Diese Menschen sind diejenigen, die als Beamte, Lehrer oder Vorgesetzte eisern an ihren Regeln und Grundsätzen festhalten und niemals ein Auge zudrücken. Sie sind die Busfahrer, die keine Sekunde warten, die Finanzbeamten, die sich auch noch den kleinsten Beleg vorlegen lassen, und die Verkäuferinnen, die hinter der um Punkt 18 Uhr verschlossenen Ladentür den Kopf schütteln, wenn wir dringend noch etwas brauchen.
In ihrer übermäßigen Korrektheit äußert sich auch, oft ohne dass es ihnen selbst bewusst ist, die Aggression von Menschen mit dominantem innerem Christopher. Sie kann bis ins Sadistische gehen und so zu einer Art von Machtausübung werden. Dementsprechend fühlt sich der Typ Christopher auch von Berufen angezogen, die ihm Macht verleihen. Er geht gerne zum Militär oder wird Polizist, Richter, Lehrer oder Staatsanwalt.
Die guten Eigenschaften des inneren Christopher: Er ist stabil, pflichtbewusst, belastbar, fleißig, zielstrebig, verantwortungsbewusst, zuverlässig und gewissenhaft.
Die schlechten Eigenschaften des inneren Christopher: Er ist pedantisch, starr, geizig, unflexibel, zwanghaft, engstirnig, kontrollierend und stur.
Shird musste wegen eines Notfalls in die Ambulanz zurück und ich ging inzwischen zur Dienstübergabe. Während ich unter den großen Tannenbäumen des Krankenhausparks zu unserem Pavillon schlenderte, fiel mir ein Interview mit Isabel Marant ein, das ich jüngst beim Friseur in der Vogue gelesen hatte.
Ich hatte die französische Designerin immer für ihren Stil, ihre Kreativität und ihr Leben bewundert. Unzählige Artikel hatte ich schon davor über sie gelesen, und wenn ihre Mode auch nie meine Preisklasse gewesen war, hatte ich doch stets versucht, ihren lässigen Stil zu imitieren.
Ich kannte Fotos der Ateliers von Isabel Marant, die voll mit Skizzen, Kleiderständern, Kleidungstücken, Stiften, Fotos, Büchern, Models und Accessoires waren. Sie hatten mich darin bestätigt, dass Kreativität nur im Chaos entstehen konnte. In jenem Interview erzählte sie allerdings, dass sie überaus strukturiert und geordnet sei, und dass sie gut rechnen und überhaupt gut mit Zahlen umgehen könne.
Ich war überrascht. Nichts von dem, wie ich mir Isabel Marant immer vorgestellt hatte, war danach noch gültig. Jetzt wurde mir klar, dass unter ihren vier Persönlichkeiten Christopher eine tragende Rolle spielte und in ihrem der Kreativität gewidmeten Leben für Ordnung sorgte. Vielleicht machte er damit ihre Erfolge sogar erst möglich.
Wenn Isabel Marant so einen starken Christopher hat, will ich auch einen, grübelte ich, vielleicht müsste ich mich wirklich mit ihm anfreunden, so wie es Shird vorgeschlagen hatte. Allerdings mit der netten Version von ihm. Der penible, kontrollierende und potenziell geizige Christopher fühlte sich für mich nach wie vor eher wie ein bösartiger Gehirntumor an.
Mit einem dominanten Christopher …
… haben wir einen ausgeprägten Wunsch nach Beständigkeit. Wir haben eine Sehnsucht nach Dauer, nach einer verlässlichen Wiederkehr des Gewohnten und Vertrauten.
Das ist an und für sich nichts Schlechtes, auch wenn es in einer dynamischen Welt wie unserer, mit ständigen Veränderungen, so scheinen mag. Dauer und Wiederkehr der gleichen Eindrücke sind schon in unserer Kindheit wichtig für die Entwicklung unseres Gedächtnisses und für unsere Orientierung in der Welt.
Beides gilt auch für uns als Erwachsene. Nur wenn wir so etwas wie Beständigkeit in uns selbst entwickeln, können wir mit den laufenden Veränderungen und dem Chaos des Lebendigen umgehen und es einordnen.
Wenn unser innerer Christopher aber zu dominant ist, dann ist unsere Sehnsucht nach Dauer und damit nach Sicherheit zu stark ausgeprägt. Wir haben dann Angst vor Veränderungen. Wir wollen dann immer alles beim Alten belassen und halten eisern an Gewohnheiten und Grundsätzen fest. Wir sind skeptisch gegenüber allem Neuen. Wir sind besonders vorsichtig und handeln vorausblickend.
Das macht uns dann einerseits zu genauen Planern, andererseits wollen wir aus Angst vor Veränderungen immer die Oberhand gewinnen. Wir wollen so viel wie möglich von unserer Umgebung kontrollieren und alles in Schemata und Regeln zwängen. Wir würden unseren Mitmenschen am liebsten vorschreiben, wie sie zu sein haben, statt uns darauf einzulassen, wie sie nun einmal sind.
Wir neigen mit einem dominanten inneren Christopher dazu, Selbstbeherrschung und Kontrolle zu idealisieren und unsere Aggressionen äußern sich häufig in übermäßiger Korrektheit oder pedantischer Ordentlichkeit. Durch unseren ständigen Drang, uns zusammennehmen zu müssen und unsere ständige Selbstkontrolle entwickeln wir mit einem dominanten Christopher auch besonders leicht hypochondrische Symptome.
In der Liebe kennen wir uns mit einem dominanten Christopher nicht wirklich aus, denn das Irrationale ist für uns beunruhigend. Wir versuchen, uns in einer Beziehung an Vereinbarungen zu halten, doch wirklich sicher fühlen wir uns nur, wenn wir diejenigen sind, die alle Entscheidungen treffen.
Von unseren Partnern verlangen wir, sich auf genau die Art von Beziehung einzulassen, die wir uns vorstellen. Gleichzeitig erleben wir Beziehungen oft als schicksalhaft und können uns gar nicht vorstellen, dass sie einmal enden könnten.
Mit einem besonders schwach ausgeprägten Christopher …
… haben wir Probleme damit, uns zu organisieren und eine gewisse Konstanz im Leben zu entwickeln und zu erhalten. Wir verlieren oft den Überblick, denn so wie unsere schnelllebige, sich ständig verändernde Welt Anpassungsfähigkeit und Flexibilität verlangt, verlangt sie auch die Fähigkeit, Ordnung und Stetigkeit zu bewahren. Mit einem schwach entwickelten Christopher überfordern uns diese ständigen Veränderungen schnell, Stress und Burnout sind nicht selten die Folge.
Partner und Freunde sind häufig die Leidtragenden. Allzu oft vergessen wir Geburtstage oder sagen ein Treffen im letzten Moment ab, weil wir den Überblick über unsere Termine und Verpflichtungen verloren haben. Insbesondere für den Partner ist es schwer, uns als verlässlich wahrzunehmen, worunter häufig einer der wichtigsten Bausteine einer Beziehung leidet, das Vertrauen.
Im Beruf kann es häufig zu Fehlern kommen, besonders in stressigeren Zeiten. Wir verlegen Akten,