Digitalisierung und Lernen (E-Book). Erik Haberzeth
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Der pädagogische Handlungsbereich, in dem diese gesellschaftlichen Bedarfe aufgespürt, ausgelegt und in Bildungsangebote übersetzt werden, ist die Programmplanung bei den Bildungsanbietern (vgl. Gieseke 2003). Die Programmplanung als professionelle Aufgabe steht dabei zwischen einerseits dem Bildungsmanagement und andererseits der Lehre. Es gibt zwar vielfältige Überschneidungsbereiche zwischen diesen Aufgabengebieten, dennoch lässt sich die Programmplanung als ein spezifisch pädagogisches Aufgabenfeld gerade gegenüber dem Management bestimmen. Diese Aufgabe ist höchst wissensintensiv und anspruchsvoll: Da es nur in Teilbereichen Curricula gibt, sind weite Teile der Erwachsenenbildung bezogen auf Inhalte und Didaktik offen und entsprechend fluide – so auch bezogen auf die Digitalisierung. Inhalte und Kompetenzen müssen von daher erst zeitgemäß definiert und in Angebote gegossen werden. Zudem besteht meist keine Teilnahmeverpflichtung; Teilnehmende müssen also erst gewonnen werden, sonst findet Erwachsenenbildung nicht statt.
Seit einiger Zeit steht die Digitalisierung sicherlich auf einem der vordersten Plätze der gesellschaftlichen Bedarfsliste. Der Stellenwert der Erwachsenenbildung hat sich dadurch noch einmal erhöht – zumindest programmatisch; das gesamte Bildungssystem soll auf lebenslanges Lernen ausgerichtet werden, formuliert etwa im Leitbild der Strategie «Berufsbildung 2030» (SBFI 2018). Die Erwachsenenbildung ist nun gefordert, die technologischen Umbrüche als Thema aufzunehmen und in Angebote umzusetzen. Schmidt-Hertha und Rohs (2018) unterscheiden dabei zwei zentrale Fragen: jene nach einer berufsbezogenen Medienkompetenz, die insbesondere in Hinblick auf die Digitalisierung der Arbeitswelt an Bedeutung gewinnt, und jene nach den Folgen der Digitalisierung für die Gesellschaft und für das eigene Medienhandeln.
Bezogen auf den beruflichen Kontext wird aktuell vor allem von «digitaler Kompetenz» oder «Digitalisierungskompetenz» gesprochen, gemeint als die Fähigkeit, mit den auf Digitalisierung beruhenden Technologien umgehen zu können. Darin spiegelt sich eine weit verbreitete, zunächst durchaus naheliegende Sicht auf die Thematik, die als anforderungsorientiert bezeichnet werden kann: Die Beschäftigten müssen lernen, sich an neue technologische Entwicklungen anzupassen, damit sie arbeits- und beschäftigungsfähig bleiben.
Dieser anforderungsorientierte Zugang ist ohne Zweifel notwendig, er sollte aber ergänzt werden um eine subjektorientierte Sicht. Haberzeth und Umbach (2018) drehen die Blickrichtung entsprechend um, weg von der Frage «Was müssen die Arbeitenden können?» hin zu «Was können sie, und wie können sie ihre Kompetenzen auch unter den Bedingungen der Digitalisierung einbringen?» Dieser personalorientierte Ansatz nimmt die menschlichen Potenziale in den Blick und versucht, sie zu erhalten und auszubauen. Es könnte gut sein, dass ein solcher Ansatz nicht nur weniger reaktiv ist, sondern langfristig auch tragfähiger.
Im Sinne eines solchen Ansatzes kann der Beitrag von Fritz Böhle, Norbert Huchler und Judith Neumer in diesem Band gelesen werden. Auf Grundlage langer empirischer Forschung zum Wandel von Arbeit (vgl. z. B. Böhle 2017) zeigen sie zunächst die Grenzen der Digitalisierung auf und verweisen auf menschliche Fähigkeiten, die oft nicht beachtet werden: Eine «verborgene Seite menschlicher Arbeit», die sie mit dem Begriff des «subjektivierenden Arbeitshandelns» bezeichnen. Ein solches Handeln, das sich durch Gespür, Intuition und Experimentalität auszeichnet, gewinnt gerade in hochdigitalisierter Arbeit eine besondere Relevanz, um zum Beispiel die technischen Systeme am Laufen zu halten und gute Arbeit zu ermöglichen. Auf dieser Grundlage werden Themen und Ansatzpunkte für die Weiterbildung wie das Lernen im Arbeitsprozess abgeleitet.
Felix Stalder ist mit seinem 2016 erschienenen Buch «Kultur der Digitalität» bekannt geworden. Das in diesem Band vorliegende Interview fasst Aspekte seiner Gesellschaftsdiagnose zusammen. Mit seiner kulturwissenschaftlichen Perspektive verschiebt er den Fokus von der Technik zum größeren, gesellschaftlichen Kontext und zeigt, dass die wesentlichen Fragen und Herausforderungen der Digitalisierung gar nicht so viel mit Technik zu tun haben. Vielmehr stellt er die folgende Beobachtung zur Diskussion:
«Immer mehr Menschen beteiligen sich an kulturellen Prozessen, immer weitere Dimensionen der Existenz werden zu Feldern kultureller Auseinandersetzung, und soziales Handeln wird in zunehmend komplexere Technologien eingebettet, ohne die diese Prozesse kaum zu denken wären» (Stalder 2016, S. 11).
Dies bringt alte kulturelle Ordnungen zum Einsturz und führt zu neuen, welche durch immer komplexere Technologien geprägt werden. Wir müssen lernen, diesen Komplex zu durchschauen, um die Demokratie aufrechtzuerhalten. Die Erwachsenenbildung ist gefordert, diese Themen in Bildungsangebote umzusetzen.
Digitalisierung als Vermittlungsmedium in der Lehre
Diese Ebene, also das Lehren unter Nutzung digitaler Technologie, steht zumeist im Mittelpunkt der aktuellen Diskussion und wird im Rahmen mediendidaktischer Überlegungen thematisiert (vgl. Schmidt-Hertha/Rohs 2018). Gegenwärtig geht es oft um «Bring your own device», die Nutzung von Tablets im Unterricht oder die Rolle von Erklärvideos, auch für das selbstbestimmte Lernen, das zum Teil wieder einmal zu einem Königsweg in der Weiterbildung stilisiert wird. Lehrende sollen lernen, «digitale Werkzeuge» im Unterricht zu nutzen. Einige Verbreitung hat beispielsweise der «EBmooc»[2] gefunden, ein offener Online-Kurs aus Österreich für Erwachsenenbildnerinnen und -bildner, in dem solche digitale Werkzeuge wie die Arbeit mit Facebook, Padlet oder Doodle vermittelt werden.
Auch das in der Schweiz etablierte AdA-System des Schweizerischen Verbands für Weiterbildung, ein modulares System zur Aus- und Weiterbildung von in der Erwachenenbildung Tätigen (Jacober 2018), hat das Thema Digitalisierung inzwischen verstärkt in das Curriculum aufgenommen und mit «Lernprozesse digital unterstützen» ein neues Zusatzmodul eingeführt. Inhaltliche Schwerpunkte sind mediengestützte Didaktik, Methoden und Medieneinsatz, die Rolle als Ausbildnerin und Ausbildner in digital unterstützten Lernprozessen sowie rechtliche Rahmenbedingungen.
Diese Angebote kommen vor allem einem eher instrumentellen Bedürfnis nach sicherer Handhabung von Tools und digital gestützten Methoden entgegen. Gleichzeitig sind sie mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert: Der Einsatz solcher Tools und Methoden muss immer wieder didaktisch eingeordnet werden, damit er nicht zu einem Selbstzweck wird; er muss die Aneignung von Wissen und Handlungsfähigkeit tatsächlich unterstützen und so einen Mehrwert haben. Manche Tools sind nützlich in einem Kontext, nicht aber in anderen wie etwa im eigenen Unternehmen, wo nur bestimmte technische Möglichkeiten vorhanden sind und genutzt werden dürfen. Der Einsatz digitaler Tools und Methoden sollte ferner immer wieder in den größeren Kontext einer andragogisch begründeten Bildungsarbeit gestellt werden.
Entsprechend fordert Claudia Bremer in ihrem Beitrag, dass der Einsatz digitaler Medien bei Bildungsanbietern nicht aus einem «reflexhaften Impuls des Nachholbedarfs» erfolgen soll. Vielmehr gehe es darum, konkrete Mehrwerte zu identifizieren und geeignete Strategien des Einsatzes zwischen einem Anreicherungskonzept, einem Integrationskonzept und einem Virtualisierungskonzept zu entwickeln. In diesem Zusammenhang stellt Bremer eine Planungstabelle vor, die Vergewisserung und Orientierung bieten kann.
Philippe Wampfler, Tobias Zimmermann und Gregory Turkawka gehen mit ihrem Beitrag der Frage nach, wie sich individuelle, in eher informellen Kontexten entwickelte Lernstrategien und -ressourcen – bezeichnet als «Personal Learning Environments» – mit den von Anbietern bereitgestellten Lernplattformen verbinden und untereinander vernetzen lassen. Diese Frage dürfte in der Bildungsarbeit künftig relevanter werden, weil die Lernenden ihre Wissensarbeit noch stärker mit digitalen Technologien organisieren werden und diese Ressourcen auch für die institutionelle Bildungsarbeit nutzbar gemacht werden können. Die Vernetzung von Lernressourcen und -strategien wird zu einer neuen Qualität, die die Bildungsarbeit ergänzt und die «klassische» Weiterbildung bereichern kann. Maßgebend für diese Entwicklung ist weniger der Medieneinsatz als die Lernkultur. Über diese gilt es nachzudenken.
Schließlich